At the Edge of Light and Art

Mit der Umwandlung eines aufgelassenen Energiespeichers in Helsinki in eine Lichtskulptur machte der finnische Lichtdesigner Tapio Rosenius 2012 erstmals international von sich Reden. Heute zählt er zu den spitzfindigsten Lichtdesignern in der Architektur. QUER-Chefredakteurin Doris Lippitsch traf Tapio Rosenius in Mailand.

Lichtskulptur Silo 468, Helsinki, World Design Capital 2012 – Die Ausgangslage: ein ausgedienter Erdölspeicher in einem brachen Stadtteil der finnischen Hauptstadt am Meer, World Design Capital 2012. Ein bis dahin bracher Ort, ein Standort mit rauem Klima, peitschendem Wind, wechselhafter Wetterlage und verschiedensten Lichtstimmungen, die sich bei Tag und Nacht am Wasser spiegeln. Genau damit hat das Lighting Design Collective, LDC– Tapio Rosenius, Oscar Martin, Rodolfo Lozano, Victor Soria, Gorka Cortazar, Reinaldo Alcala und Rodrigo Arcaya – mit Sitz in Londongearbeitet. Der ehemalige Energiespeicher sollte in eine begehbare Lichtskulptur mit natürlichem und künstlichem Licht umgewandelt werden. Der Auftraggeber: VRJ Etelä-Suomi Oy. Für die Lichtskulptur wurde erst die Betonhülle mit 2012 Öffnungen für Tageslicht im Innenraum perforiert, dann dahinter ein LED-Netz aus weißen 1280 LEDs 2700K mit warmem Licht im Inneren des Silos montiert. Der Hintergrund: ein zu erschließendes Baugebiet für einen neuen Stadtteil Helsinkis.

Silo 468 – Aussenansicht ©Foto: Tapio Rosenius, Lighting Design Collective, LDC, Helsinki, 2012

„I see the next big thing for lighting design being the "Calm Computing" principle with layers of ambient information brought into the environment through integrated lighting.“ – Tapio Rosenius
Foto: © Tapio Rosenius, Lighting Design Collective, LDC, Helsinki, 2012
 

Lichtbewegungen auf Basis von Schwarmintelligenz

Das Lighting Design Collective, LDC, entwickelte für Silo 468 auf Basis von Schwarmintelligenz Algorithmen für eine maßgeschneiderte Software, die Parameter wie Windgeschwindigkeit, -richtung, Temperatur, sternenklare Nacht und Schnee mit ständig neuen Bewegungen von Vögeln, Insekten und Fischen für organische Animationen in fünfminütigen Abfolgen simulieren. Die fließenden, getakteten Lichtbewegungen beginnen langsam und nehmen mit der Windgeschwindigkeit  und -richtung nach und nach an Tempo zu. Um Mitternacht wird der Silo eine Stunde lang in tiefrotes Licht getaucht. Das Rot erinnert an seine ursprüngliche Funktion als Energiespeicher. Nachts, dann, wenn die letzte Fähre die finnische Hauptstadt Richtung Suomenlinna, eine lange Zeit unbewohnte Inselgruppe bei Helsinki, verlässt und den Standort passiert, wird das Licht bis zum nächsten Morgen abgedreht, um nach wenigen Stunden wieder mit langsamen Lichtabfolgenzu beginnen und den Rhythmus nach und nach – je nach Wetter und Wind – beständig zu erhöhen, um mitternachts wieder tiefrot in die raue,  eisige Küstenlandschaft zu strahlen. Die Lichtskulptur Silo 468 ist weithin sichtbar und lenkt das Augenmerk auf den lange brach liegenden Ort, der anfangs vor allem aus der Ferne wahrgenommen wurde, und langsam, aber stetig, wieder in das Bewusstsein der Menschen rückte. Nach und nach suchten Neugierige den Ort auf. Bald war 468 ein Magnet. Denn, mit dem Lichtprojekt wurde der ehemalige Energiespeicher erstmals auch öffentlich begehbar gemacht. Der Innenraum wurde mit sattroter Farbe gestrichen, in den über die Perforierungen Tageslicht dringt. 450 Metallspiegel sind an einer beweglichen Gitterstruktur befestigt, die sich hinter diesen Öffnungen im Takt des Windes bewegen. Im Sonnenlicht glitzert der Innenraum wie eine Wasseroberfläche. Die weißen LEDs mit ihrem warmem Licht reflektieren die tiefroten Wände im Raum.

Mit Silo 468 entstand ein Landmark. Die Lichtskulptur war ein Auftakt für ein neues Stadtquartier, in dem heute, nur wenige Jahre danach, rund 11.000 Menschen leben. Sein Name, wie könnte es anders sein: District of Light.

 ‚LOT‘ von Tapio Rosenius, Madrid, Helsinki, London, 2016 © Artemide

 ‚LOT‘ von Tapio Rosenius, Madrid, Helsinki, London, 2016 © Artemide

Höchst innovative Lichtarchitektur – LOT von Tapio Rosenius,Madrid, Helsinki, London, 2016
Foto: © Artemide
 

Digital Content Creation

Das Lighting Design Collective, LDC, wurde 2009 von Tapio Rosenius in London gegründet. Heute, nur wenige Jahre später, gibt es zusätzliche LDC-Standorte auch in Madrid und Helsinki. Bis dato haben die Lichtdesigner und Programmierer weltweit über 100 Lichtprojekte realisiert. Ihr erklärter Fokus ist auf Lichtdesign in der Architektur und auf Lichtprojekte im urbanen Raum gerichtet. Ihre Stärke: Software-Entwicklung, Digital Content Creation und herausragende Design-Lösungen.

Vor einem knappen Jahr wurde Rosenius Lichtprojekt LOT von Artemide am zentralen Mailänder Corso Monforte präsentiert. LOT verändert mit einer ausgeklügelten Software die Farbskala und Lichtintensität in einem Raum. Algorithmen auf Basis von Schwarmintelligenz simulieren die Bewegungen von Menschen für fließende, getaktete Lichtbewegungen in rhythmischen Abfolgen. Wichtiger Parameter für die wechselnde Farbskala ist dabei die Raumtemperatur. Das ermöglicht eine völlig neue Raumwahrnehmung, die bald erstmals auch in Österreich zu erleben sein wird. In Weiden am See, Burgenland. Das Seerestaurant Das Fritz bringt frischen Wind an den Neusiedler See. Die Lage ist exklusiv, der Seewinkel ist gleichermaßen Biosphärenreservat und Unesco-Weltkulturerbe. Jedes genehmigte Bauvorhaben wird dort genau geprüft. Die Bauherren Fritz und Martin Pfundner, Betreiber Fritz Tösch und die Wiener Architekten Halbritter & Hillerbrand suchten hohe Qualität und eine „Symbiose zwischen Architektur und Licht sowie den funktionalen Anforderungen an die Räume“. Materialien: (Sicht)Beton, Heraklith(Raumakustik) und Schilf als vertikales Raumelement (Fassade) zwischen den Glasflächen. Interior Design: bewährte Vitra-Klassiker, Schalenstühle, Stoffe. Ende Mai begrüßt Das Fritz im Erdgeschoß mit zwei Bars, einer Terrassenanlage mit Zugang zu Seebadestrand und Marina sowie Festsaal (OG). „Die Poesie von Licht wird mit LOT in einer gebauten Landschaft so in Bewegung gesetzt, dass jeder sie erzeugen kann. Ich denke, dass uns das gelungen ist“, so Tapio Rosenius.

Portrait Tapio Rosenius ©Foto: Luis Díaz Díaz

Foto: © Luis Díaz Díaz
 

Tapio Rosenius, Licht-Designer und Künstler, studierte Science Light & Lighting an der UCL Bartlett University, London und Arts & Communication in Helsinki. 2009 gründete Rosenius das Lighting Design Collective, LDC, das auf Lichtlösungen für Architektur und Lichtkunst spezialisiert ist. Fokus: Software-Entwicklung, Digital Content Creation, Design-Strategien. Rosenius wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und lehrt an verschiedenen Universitäten, u.a. Gastprofessur für Advanced Lighting Design an der ETSAM Universität Madrid. Er arbeitet und lebt in Madrid.

Titelbild: ‚Silo 468‘, LED-Lichtkunst in einem ehemaligen Energiespeicher in Helsinki anlässlich der World Design Capital 2012, Tapio Rosenius Beginn einer internationalen Karriere. Lead Design: Lighting Design Collective, LDC, London: Tapio Rosenius, Oscar Martin, Rodolfo Lozano, Victor Soria, Gorka Cortazar, Reinaldo Alcala und Rodrigo Arcaya. / Foto: © Tapio Rosenius, Lighting Design Collective, LDC, Helsinki, 2012