Spielend fürs Leben lernen

Seit der Finanzkrise 2008 ist der soziale Wind spürbar rauer geworden und die eigene Identität zu definieren und einen Platz in der Gesellschaft zu finden ist für Jugendliche ohnehin schwierig. Umso mehr für Jugendliche mit Migrationshintergrund, die in der österreichischen Gesellschaft oft das Gefühl haben, am Rand zu stehen und versuchen, ihren Platz über eine Rückbesinnung auf ihre Wurzeln, ihre ursprüngliche Herkunft und Religion zu finden. Die Verschiebungen der Weltordnung und die Informationskanäle, die Jugendlichen zugänglich sind, gestalten die Situation zunehmend komplexer und komplizierter.

Für viele Wiener, die im Kern ihres Wesens Flaneure sind, ging für einige Zeit die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raumes verloren (besser formulieren): Unter dem stetigen Druck des Individualverkehrs wurden reine Verkehrsflächen samt Parkplätzen ausgebaut, während Parks und Plätze durch eine oft lieblose Gestaltung und Pflege nicht wirklich zum Verweilen einluden. Sorgfältig gestaltete und gepflegte Flächen waren oft als rahmender Bestandteil von Denkmälern und Touristenattraktionen unzugänglich – das Betreten der Grünflächen war strengstens verboten. Parkwächter wurden als Hüter der Ordnung eingesetzt, auch die soziale Kontrolle funktionierten – wenig überraschend – vortrefflich. Das hat sich geändert.

Von David Pašek

Aktivitäten wurden hauptsächlich auf den privaten Bereich und die eigenen vier Wände beschränkt. Wien war jahrzehntelang eine Stadt am Eisernen Vorhang und dies prägte das Stadtbild. Betagtere Wiener erzählen von einer grauen Stadt in den 1970ern, „in der nichts los war“. Daran änderte auch der Wiener Wald nichts. Dieses Bild hat sich seit Mitte der 1990er Jahre stark gewandelt – inspiriert von der Lebensweise südländischer Städte, beobachtet man nun zunehmend auch hier, dass die sommerlichen Temperaturen steigen und damit das Bedürfnis, im Grünen zu sein oder in einem Gastgarten zu sitzen. Der öffentliche Raum wurde zunehmend sensibler möbliert und auf die Bedürfnisse der Wiener abgestimmt. Auch eine vielfältige Lokalszene hat sich in den letzten 20 Jahren etabliert. Nach und nach wurden Straßen, Plätze und Parks wiederbelebt. Wiener schlürfen ihren Kaffee in den zahlreichen Gast- und Schanigärten, lesen Bücher und E-Books in den Parks und besuchen Open-Air Musikfestivals im Freien, die es nicht nur vor dem Schloss Schönbrunn gibt. Ungebrochen ist der Wiener Wald beliebt und Naherholung wird auch auf der Donauinsel sehr geschätzt. Selbst der stark frequentierte Gürtel ist heute eine intensiv genutzte Freifläche im dicht bebauten Stadtgebiet, und auch im Winter ist ordentlich was los, wenn Weihnachtsmärkte die Stadt und Konsumenten mit zweifelhaftem Glühwein und Turbopunsch fluten. 

Genutzt wurden die Freiräume natürlich schon immer, denn die meisten Wiener Kinder haben weder Garten noch Wald um ihr Wohnhaus, und möchten oder müssen hinaus spielen gehen. So mancher Wiener und so manche Wienerin erinnert sich noch an jene Zeit, in der es kaum Autos, aber Fuhrwerke in der Stadt gab. Platz zum Spielen überall. Auch Hundebesitzer führen ihre Lieblinge ja immer schon äußerln und da kann man sich nur wundern, dass es eine Zeit vor dem „Gackerl ins Sackerl“ gab. Den hellen Köpfen und dem einträglichen Slogan der Wiener Werbeagentur zum Trotz sei Dank.

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