Der Fenstergucker

China ist mit zwei großen Problemen konfrontiert: einerseits mit den Minderheiten – trotz aller Beteuerungen, ihre Minderheiten zu schützen, betreibt die chinesische Regierung mit Han-Chinesen eine schonungslose Besiedlungspolitik (Staatsvolk, 91,51% der Gesamtbevölkerung laut Volkszählung 2010).

Typische Beispiele dieser Politik sind Tibet und Sinkiang (Uiguren). Die chinesischen Städte werden großteils von Han bewohnt. Durch den Zuzug der Han ist z.B. Urumqui heute eine mehrfache Millionenstadt, in der Zwischenkriegszeit hatte sie lediglich rund 100. 000 Einwohner. Über tödliche Messerattacken von Uiguren auf Chinesen am Bahnhof wurde mehrfach berichtet.

Durchaus möglich, dass der geplante Ausbau der Infrastruktur in chinesischen Dörfern verbesserte Arbeitsmarktverhältnisse bringen wird. Im Vordergrund steht allerdings vielmehr die Durchdringung aller Gebiete mit den regierungsfreundlichen städtischen Han-Chinesen.
Andererseits kämpft China mit einer riesigen Immobilienblase: Chinesen mit Geld investieren in Wohnungen, in der Hoffnung, diese gewinnbringend zu verkaufen. Die freie Marktwirtschaft steckt in China in den Kinderschuhen, Angebot und Nachfrage werden (noch) nicht verstanden. Dadurch entstehen riesige Wohnviertel, die junge Chinesen aus den ländlichen Bezirken auf der Suche nach Arbeitsplätzen und einem möglichen Paradies (fließendes Wasser, Geschäfte, Sanitäranlagen, etc.) anziehen. Diese Wohnungen können sie sich weder heute noch in näherer Zukunft  leisten. Ist die Hoffnung also trügerisch, dass mit dem Staatsplan für Urbanisierung die Wirtschaft weiter im gewünschten Ausmaß angekurbelt werden kann? Das Ergebnis sind eher die 300 Millionen oder mehr Wanderarbeiter, die von der Hand in den Mund leben und ohne soziale Absicherungen, garantierte Beschäftigungsverhältnisse etc. herumvagabundieren und mitunter eine große soziale Gefahr darstellen.

Am Land bleiben die Alten mit den Kindern zurück. Diese Alten können die mühevolle Feldarbeit kaum mehr leisten, sind folglich nicht innovativ, und die Landwirtschaft verfällt zusehends.

Erik Würger

Erik Würger studierte Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Wien und ist seit 1980 geotechnischer Gutachter. Bis 1995 leitete er die Camillo-Sitte-Lehranstalt in Wien und lehrt an der FH Campus Wien.