Die Welt, ihr Klang und Designer
Der Mensch nimmt über seine Ohren weit mehr als bloß Geräusche wahr. Nur auf Grund des Klanges können Bilder von Geschehnissen, Situationen und auch Produkten entstehen. Ein Phänomen, das sich die Industrie zu Nutze macht – egal, ob beim Würstel, dem Auto oder im Bauwesen.
Wer kennt nicht das charakteristische Geräusch, wenn er eine rote Dose des bekannten Softdrinkherstellers öffnet und den Inhalt in ein Glas leert? Dieses spezifische Knacken beim Öffnen, das typische Sprudeln des Getränks und das leise Zischen der tanzenden Gasbläschen – und alles klingt, wo auch immer auf der Erde, immer ungefähr gleich, beinahe unverwechselbar und einzigartig? Eine natürliche Gegebenheit des Produkts könnte man meinen, doch dahinter stecken unzählige Arbeitsstunden zahlreicher Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen. Sie verleihen dem Produkt den so einzigartigen Klang, designen den Sound, Soundbranden es.
DER MENSch ZWiSchEN WOhlbEFiNDEN UND ANGSt
Der Mensch ist ein auditives Wesen. Der Prozess der Umwandlung mechanischer Energie von Schwingungen in bioelektrische Impulse, deren Aufnahme in den Hörzentren und die Verarbeitung zur Sinneswahrnehmung erscheinen zwar komplex, passieren aber in Bruchteilen einer Sekunde ganz selbstverständlich und sind individuell. Situationen werden durch Geräusche erfasst und das dazugehörige Bild des dahinterliegenden Prozesses entsteht vor unserem inneren Auge. Man sieht durch Geräusche und handelt dementsprechend. Würde man in einer Julinacht plötzlich Böllerschüsse wie zu Silvester hören, entstünde sofort ein unwohles Gefühl, vielleicht auch Angst, da das Geräusch nicht zuzuordnen ist und somit Instinkte weckt. Gleiches geschieht, wenn im Schlaf plötzlich ein ungewohntes Geräusch in der Wohnung zu vernehmen ist.
Durch das hohe Maß an Spielraum von Tönen und die persönliche Interpretation erscheinen Geräusche manchen Menschen als wohltuend und anderen als störend. Schon ein altes Sprichwort sagt: „Der eigene Lärm wird als Musik empfunden, die Musik des Nachbarn als Lärm.“ Auch das Lautstärkeempfinden ist von Mensch zu Mensch verschieden. Hinzu kommt noch die kulturelle Prägung beim Klangempfinden, denn welcher Inder würde das Geräusch der Wiener Rushhour schon als schweren Verkehr identifizieren? In diesem Spannungsfeld arbeiten Sounddesigner tagtäglich auf der Suche nach dem perfekten Ton für Industrieprodukte.
EiN SchMAlER GRAt
Sounddesigner sind ein fixer Bestandteil der meisten Projektgruppen, die ein neues Produkt entwerfen – egal, ob es sich dabei um eine Speise, ein Auto oder einen Baustoff handelt. Wenn ein Produkt bei den Konsumenten auf Grund des Klanges durchfällt, hilft selbst die beste Werbestrategie nicht. So sitzt ein Sounddesigner stundenlang vor seinem Computer, Synthesizer und Mischpult, um seinem Produkt den Charakter zu geben, der bei den Konsumenten als angenehm empfunden wird. Es gilt, den Grundklang des Produktes zu nutzen, ungewollte Resonanzen zu dämpfen, gewollte Klänge hinzuzufügen und Unverwechselbarkeit zu erzeugen. Dabei müssen bei komplexen Produkten wie einem Auto der dreidimensionale Raum und die innere und äußere Akustik berücksichtigt werden.
Dies war auch ein anfängliches Problem bei Elektroautos, erklärt Universitätsprofessor Ernst Pucher vom Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der Technischen Universität Wien. „Nach außen darf das Auto auf Grund der Sicherheitsfunktion nicht zu leise sein, da es hohe Geschwindigkeiten erzielt. Nach innen müssen der Qualitätseindruck und die Geborgenheit stimmig sein, zeitgleich soll aber Geschwindigkeit vermittelt werden.“ Zusätzlich wurde auf sozio-akustische Phänomene geachtet. Ein Elektroauto in Japan darf nach außen leiser klingen als in Europa. Auch bei den Dieselautos hilft die Industrie dem Klang auf die Sprünge. „Zur Optimierung des Klangs werden die harschen Klangeigenschaften des Dieselmotors unterdrückt und durch die eines angenehmeren Motors ersetzt. Man braucht nur die richtige Messtechnik, gute Mikrophone und entsprechend leistungsfähige Mikrocontroller. Diese analysieren in Echtzeit das Signal, spielen über die Stereoanlage ein gegengleiches zum Filtern des ursprünglichen sowie das gewünschte Signal ein“, beschreibt Pucher den Vorgang. Doch nicht nur bei den elektronischen Gerätschaften des Alltages findet Sound-Engineering Anwendung, sondern auch im urbanen Bauwesen.
FRÜh Übt Sich
Schon im ersten Jahrhundert vor Christus machte sich der römische Architekt Vitruv sein Wissen über Schall zu Nutze und verbesserte so die Akustik in Amphitheatern. Er installierte Tongefäße unterschiedlicher Größe unter den Sitzen, um so tiefe Töne zu filtern und die höheren, also Sprechstimmen, besser hörbar zu machen.
„Bei einem Bauvorhaben unterscheidet man zwei verschiedene Aspekte“, beschreibt Christian Marintschnig, Projektplaner bei Vasko+Partner, die heutige Situation. „Einerseits geht es um Schallschutz – man möchte verhindern, dass Geräusche von A nach B gelangen – und andererseits um die Akustik im öffentlichen und privaten Raum.“ Gute Fassaden mit hoher Oberflächenrauigkeit sowie guten Dämmmaterialien seien ebenso essentiell wie gute Trittschalldämmung und Ähnliches, wenn es um die Schalldämmung geht, erklärt er weiter.
In der Akustik ist die relevante Messgröße die Nachhallzeit, welche durch strikte Normen geregelt wird. Diese wird per Simulationsprogramm, in das Raumgröße, Baustoffe und gegebenenfalls Inneneinrichtung eingetragen werden, errechnet und real überprüft. „Ist die Nachhallzeit zu groß, entsteht ein Teufelskreis“, so Marintschnig. „Wenn in einem Großraumbüro alle Leute gleichzeitig telefonieren und die Nachhallzeit hoch ist, werden diese auf Grund des ansteigenden Lautstärkepegels natürlich selbst auch immer lauter, bis der Lärm unerträglich wird.“
So wird auch im Bauwesen der Sound von Objekten designt, doch gilt es, dabei weniger einen Klang zu erzeugen, als vielmehr Geräusche zu minimieren, beinahe Stille zu erzeugen.
... UND DER GANZE RESt
Unser ganzes Leben ist beeinflusst von dem, was wir hören, und den Geräuschen unserer Umgebung. Einzig, dass vieles einfach so klingt wie es klingt, weil eine Firma es so will. Vom Knacken eines Würstels über das Geräusch von George Clooneys Kaffeemaschine bis hin zum Klicken eines Luxuskugelschreibers ist unsere gesamte Umgebung Sounddesignt und -gebrandet. Was wir also wirklich hören, liegt bloß im Ermessen des neugierigen Zuhörers.
Text: CHRISTOPH HAUZENBERGER