Der Fenstergucker:

Viel Lärm

Wenn ich an Kreuzberg denke, denke ich an ein gallisches Dorf. Vielleicht sollte man den Bezirk umbenennen. Die Bürger dort streiten und protestieren gerne. Gegen die Obrigkeit. Gegen Investoren. Und gegen den Rest. Immer noch. Schon immer. Diesmal geht es um das BMW Guggenheim Lab. Als Berliner lässt man sich nichts bieten und als Kreuzberger schon gar nicht. Genau dort sollte nämlich das mobile Forschungslabor für Stadtentwicklung aufgebaut werden. In New York war es ein Erfolg. Aber Berlin ist anders. Der Kreuzberger fürchtet nichts mehr als steigende Mieten und Veränderungen. So haben es Gentrifizierungs-Gegner – durch Proteste, durch Androhungen von Farbbeutelanschlägen und Sachbeschädigung aller Art – geschafft,  dass das Lab nicht nach Kreuzberg kommt. Im Fokus der Kritik steht vor allem der Sponsor BMW. Es gehe dem Konzern nur um Werbung, Imagepflege und die „Verbreitung der Idee des Kapitalismus als der besten und einzigen Gesellschaftsform“, so die Gegner. Natürlich wird auch die Vergangenheit des Autoherstellers angeprangert. Ja. BMW hat Leiharbeiter ausgebeutet und in der NS-Zeit Zwangsarbeiter beschäftigt. Aber war das bis dato unbekannt? Nein. Ist Sponsoring deswegen tabu? Wohl kaum. BMW ist seit Jahren Hauptsponsor der Berlinale. Sollen deswegen jetzt auch die Filmfestspiele eingestellt werden? Bloß nicht. Denn zugegebenerweise passt BMW zur Berlinale wie die Faust aufs Auge. Denn da werden internationale Schauspieler in schicken BMWs zum roten Teppich chauffiert. Warum nicht? Ist auch schön anzusehen. Es ist die soziale Komponente, die beim BMW Guggenheim Lab mitschwingt. Es geht um das Leben in der Stadt. Also auch um die Bewohner, die Bürger, und nicht um glamouröse Filmstars. Da passt das glatte Yuppie-Image von BMW nicht ganz so gut.
    Vielleicht hätte es weniger Kritik gegeben, wenn der Sponsor Smart gewesen wäre. Immerhin wurde der Smart aus der Idee eines maximal reduzierten Automobils geboren und gilt als das Stadtauto schlechthin. Aber BMW?
    Der Autobauer sucht einerseits nach Fragen, wie sich seine Industrie an veränderte Mobilitätskonzepte anpassen und weiterhin gutes Geld verdient werden kann – und andererseits will er auch das Publikum erreichen, das sich für klassische Motorthemen nicht so recht begeistert. Der BMW-Marketingchef Ellinghaus dazu im Interview mit dem Manager Magazin: „Wir haben es hier mit einem interessierten, aufgeschlossenen Publikum zu tun, das wir mit traditionellem Marketing und herkömmlichen Kommunikationskanälen immer weniger erreichen. All jene, die ganz definitiv keine Autozeitschriften lesen und die sich weniger für Fernsehen, Print und andere traditionelle Medien interessieren. Diese Menschen erreichen wir mit Veranstaltungen außerhalb der üblichen Terrains.“ Aha. Darum also das Lab.
    Inzwischen ist es beschlossen. Das BMW Guggenheim Lab zieht nun auf den Pfefferberg in Prenzlauer Berg. Dort scheinen die Anwohner nicht ganz so aufmüpfig zu sein.
    Das vom Tokioter Architekturbüro Atelier Bow-Wow in Leichtbauweise entworfene Labor wird dort vom 15. Juni bis 29. Juli aufgestellt. Es soll an eine Art „wanderndes Instrumentarium“ erinnern, denn es kann sich von einem Hörsaal zu einem Raum zum Feiern oder zu einem Workshop mit Tischen für praktische Experimente wandeln. Das Lab wird von jungen internationalen Teams aus den Bereichen Stadtentwicklung, Architektur, Kunst, Design, Wissenschaft, Technik, Bildung und Nachhaltigkeit geleitet. Aber was passiert dort genau?
    Die Veranstalter bezeichnen das Lab als „urbane Ideenschmiede“

BMW Lab ©Atelier Bow-Wow

und „multidisziplinäre Begegnungsstätte“. Zugegeben, das ist etwas schwammig. In New York wurden dort Vorträge von Architekten, Stadtentwicklern oder anderen Experten gehalten, es gab Diskussionsrunden, Touren durch das urbane Umfeld des Labs, aber auch Filmvorführungen und jeden Samstag „urbane Meditation“! Das Programm für Berlin wurde noch nicht veröffentlicht, deswegen darf man gespannt sein. Auf jeden Fall ist es kostenlos. Jeder ist willkommen.
    Das Bündnis „BMW Lab verhindern“ hat bereits angekündigt, man werde „vor dem Lab, ums Lab und auch im Lab selbst“ die Kritik an BMW thematisieren. Egal, in welchem Bezirk Berlins es aufgestellt wird. Man wird sehen, wie willkommen das sein wird.

Text: JENNIFER LYNN ERDELMEIER