Slum upgrading

Zeitgenössische Architektur und ihre soziokulturellen und sozialpolitischen Herausforderungen – Der südafrikanische Architekt Luyanda Mpahlwa aus Kapstadt zeigt eindrucksvoll, wie Architektur Lebenswelten verändern kann. Dabei stets im Fokus: die Menschen selbst. 

Von Martina Magnet

Ein unendliches Meer aus Wellblechhütten, am Horizont die Silhouette einer modernen, pulsierenden Innenstadt. Das ist das Bild, das viele Megastädte der Welt heute präsentieren, Mumbai, Bogota, Kairo oder Kapstadt. Slum upgrading nennt Architekt Luyanda Mpahlwa, 1958 in Mthata geboren, jenen Transformationsprozess, der das Leben der Menschen in diesen ständig wachsenden Peripherien verbessern soll. Ihnen einen mehrstöckigen Siedlungsblock „Marke Europa hinzustellen, würde nichts bringen“, so Mpahlwa.


„Die Menschen fühlen sich so nur entwurzelt. Informelle Siedlungen entstehen trotzdem, die Leute verwenden ihre eigenen Materialien, die Community ist stark.“
Architekt Luyanda Mpahlwa, Kapstadt


Um Slums „upzugraden“, weiß er, müssen die Menschen teilhaben können an der Veränderung.

Vortrag Luyanda Mpahlwa an der TU-Graz ©Marius Sabo

Der südafrikanische Architekt Luyanda Mpahlwa aus Kapstadt  eröffnete die Vortragsreihe der Sto-Stiftung an der TU Graz. Graz, 2016
 

„Architektur muss sich neu definieren“
Das Ende der Apartheid in Südafrika hat Luyanda Mpahlwa selbst miterlebt. Als die Studentenproteste auf ihrem Höhepunkt waren, machte er gerade seinen Collegeabschluss. 1981 landete er als „Anti-Apartheid-Aktivist“ im Gefängnis, fünf Jahre lang, und ging später nach Deutschland ins Exil, wo er sein Architekturstudium in Berlin absolvierte. 2000 ging er schließlich zurück nach Kapstadt, eröffnete ein Architekturbüro und arbeitet seitdem daran mit, Kapstadt und Südafrika zu verändern – nicht politisch sondern architektonisch. Obwohl diese Trennung, seiner Meinung nach, nicht wirklich existiert:


„Als Architekten haben wir es nicht nur mit Gebäuden zu tun, sondern mit Umgebungen und Situationen. Es geht längst nicht mehr nur darum, Formen zu schaffen. Die Rolle der Architektur definiert sich neu.“
Luyanda Mpahlwa


Vortrag Luyanda Mpahlwa an der TU-Graz 2 © Marius Sabo

1981 wurde Architekt Luyanda Mpahlwa als Anti-Apartheid-Aktivist nach Robben Island gebracht, wo zuvor auch schon Nelson Mandela inhaftiert worden war.
 

Das bedeutet, auch das Bauen radikal neu zu denken. Wenn Zement und Holz als Baumaterialien zu teuer sind, geht man eben andere Wege. Man füllt zum Beispiel Verstrebungselemente mit Sandsäcken und verputzt das Ganze. 10 x 10 Sandbag Housing nennt sich diese mehrfach preisgekrönte originelle Lowcost-Bauweise, die im Freedom Park Township eine ganze Siedlung aus zweistöckigen bunten und verspielten Wohnhäusern entstehen ließ. Das Beste daran: Ein Sack wiegt nur sieben Kilogramm. Die gesamte Community arbeitet selbstverständlich mit am Bau ihrer Häuser – ganz so, wie sie es auch für eine Wellblechhütte getan hätten. Diese neuen Häuser schaffen viel öffentlichen Raum, der nötig ist für ein Leben, das sich großteils draußen abspielt – Handel, Kleingewerbe, soziales Leben. „Man muss die Menschen teilhaben lassen an der Veränderung“, betont Mpahlwa.

Gespräch mit Luyanda Mpahlwa an der TU-Graz 2 ©Marius Sabo

Luyanda Mpahlwa im Gespräch mit Roger Riewe und Claudia Volberg
 

Sandsack-Architektur in den Townships
Die Sandsack-Architektur kam auch im Philippi Township zum Einsatz. Eine Suppenküche für 200 Kinder hat man mit derselben Technik erbaut. Zweistöckig, bunt, einladend, kindgerecht. Dazu passend gestaltete Mpahlwa ein Zentrum für die Nachmittagsbetreuung. Trotz knappen Budgets entstand ein wahres Kinderparadies, das aussieht wie aus bunten Bausteinen errichtet.


„Architektur heute heißt, über die Relevanz unserer Arbeit nachzudenken und inklusive statt exklusive Lebensräume zu gestalten.“
Luyanda Mpahlwa


Interview mit Luyanda Mpahlwa / November Talks 2016:

Luyanda Mpahlwa, Architekt and Urban Designer in Kapstadt, geb. 1958 in Mthata, studierte Architektur an der Technischen Universität Durban, bis er 1981 inhaftiert wurde. Er schloss sein Masterstudium nach seiner Entlassung an der Technischen Universität Berlin im Exil ab. 2000 ging er zurück nach Südafrika und gründete 2009 das Büro DesignSpaceAfrica. Er war maßgeblich am Bau der Botschaft Südafrikas in Berlin beteiligt. Sein Projekt „50 Schulen“ wurde bei der Biennale in Venedig 2016 ausgestellt. Für seine architektonischen Innovationen wurde ihm das Ehrendoktorat der Walter Sisulu University verliehen. Die Sandsackhäuser wurden 2008 mit den Curry Stone Design Prize in den USA ausgezeichnet.

Mehr unter: www.fassaden-blog.com

Aus der Vortragsreihe der Sto-Stiftung 2016.

Mehr Infos über Luyanda Mpahlwas DesignSpaceAfrica: www.designspaceafrica.com

Fotos und Video: Marius Sabo