Bücherspiegel

Niklas Maak
Atlas der seltsamen Häuser
und ihrer Bewohner


Cover Niklas Maak – "Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner" © Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG

Hardcover, Deutsch
13,5 x 2,4 x 21cm, 256 Seiten
Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
EUR 20,60
ISBN 978-3-446-25289-9
 

Wer mag da wohl wohnen? Diese Frage stellte sich der Architekturkritiker Niklas Maak in seinem neuen Band.

Viele der fünfzehn Häuser sind bizarr, missglückt oder wurden nie fertig gestellt. Ein zusammengezimmertes Strandhaus, das aussieht wie eine überdimensionierte, außer Kontrolle geratene Holzhütte – errichtet von dem Anwalt und Finanzbetrüger Marc Dreier. Ein Betonkugelbau von Dante Bini auf Sardinien, die der Filmregisseur Michelangelo Antonioni für seine Geliebte Monica Vitti erbauen ließ; die nie vollendete Mega-Moschee eines französischen Architekten im Irak, die Wohnburg des Malers Cy Twombly in Gaeta in Latium oder das Haus einer unbekannten Postkartenschreiberin aus dem Jahre 1939 in einem Vorort von Paris.

Maaks ausgewählte Bauten sind auf den gesamten Globus verteilt: vornehmlich in Europa und Nordamerika, aber auch in Japan und Afrika. Bei aller Unterschiedlichkeit haben die Architekturen neben ihrer fragwürdigen Ästhetik eines gemeinsam: die äußerst originellen Lebensgeschichten ihrer Bauherren oder Besitzer. Diese verwebt Maak gekonnt und auf sehr unterhaltsame Weise mit dem jeweiligen Häuserporträt.

„Sie sagten, sie wollten kein Haus, sondern einen Raum, sie wollen im Raum leben, nicht zwischen den Wänden. Antonioni sagte mir, er hasse gerade Wände und glatte Böden. (...) Sein Haus solle nach der Natur riechen, die es umgibt. (...) Deswegen habe ich einen Garten mitten ins Haus gebaut, so dass der Duft in alle Räume kam.“ Das erzählt der Architekt Dante Bini über das Kuppelhaus, das er 1969 erbaut hatte, oben ist es offen wie das Pantheon in Rom. Vom Innenhof aus winden sich Treppen ohne Gelände hoch zu Balkonen und Terrassen. Maak aber erzählt auch von der Liebesgeschichte der beiden Bewohner und von ihrem Verfall, auch dem des Hauses.

Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner erzählt eben auch von den „seltsamen Bewohnern“ und ihren sehr ungewöhnlichen Häusern. Maaks anschauliche Fabulierkunst und seine ansteckende Faszination für Biografien machen dieses Buch besonders lesenswert. Ihm gelingen außerordentlich schöne Häuserporträts.

Von Jennifer Lynn Karsten



Splendid Voids –
The Immersive Works
of Kurt Hentschläger

Cover Splendid Voids – The immersive work of Kurt Henschläger ©Distanz Verlag, Berlin, 2017

Isabelle Meiffert
Monographie
Englisch, 80 Seiten
Distanz Verlag, Berlin, 2017
ISBN 978-3-95476-183-8
EUR 24,90
 

Kurt Hentschlägers audiovisuelle Installationen konfrontieren uns mit drastischen Eindrücken von Licht und Dunkelheit, Farben und Formen, Nebel und tiefdröhnenden Klängen. Sie sind kaum abbildbar. Hentschlägers erste Monographie versucht das auch gar nicht. Sie stellt sich vielmehr als ein eigenes, kleines Kunstwerk in Bild-, Druck- und Texthandwerk dar.

Am Anfang ein einfaches weißes Quadrat – Die Variation einer einzigen Form beschreibt gleich drei massive, multimediale Installationen, die Betrachter auf der ganzen Welt anziehen. Eine weiße LED-Wand in der Installation SOL wird in ein weißes Quadrat übersetzt, und auf glänzendes UV-lackiertes Papier gedruckt. Ein schwarzes Quadrat kommt hinzu – der größtmögliche Kontrast zwischen Licht und Dunkelheit. Das Schachbrettmuster wird verkleinert und verkleinert. Eine Farbe spielt hinzu, aus Tiefschwarz wird Neongrün, und wenn man nun auf das Raster schaut, entsteht ein Flimmern, ein Kontrollverlust über die eigene visuelle Wahrnehmung.

Bei ZEE evozieren dichter Nebel und farbliche Stroboskoplichter psychologisch-visuelle Interferenzen, die mit Moirés abgebildet sind: Bei der Überlagerung zweier Raster sehen wir tiefere, detailliertere Muster, im Buch sind sie verschoben. Sie simulieren ein Spiel aus Emanation und Verdichtung. FEED, die dritte Arbeit, zeigt schwerelos im Nebelraum treibende Körper – Moirés aus tausenden, winzigen Quadraten verrauschen zu einer Fläche. Die Atmosphäre der Installationen wird hier kunstfertig ins Bild und ins Buch übersetzt.

Es wäre auch spannend gewesen zu erfahren, wie Hentschlägers Raum-Installationen physiologisch funktionieren: Welche körperlichen Bedingungen führen zu Interferenzen und Echos auf unserer Netzhaut? Aber man möchte das Mysterium seiner Arbeiten nicht faktisch entschlüsseln. Der US-amerikanische Kunstkritiker G. Roger Denson beschreibt die Installationen in einer eigenen künstlerischen Spielart. Er erklärt die Wirkungsweisen so feinsinnig und hintergründig, dass man die eigenen Erfahrungen darin sucht und ja, sie von Denson deuten lassen möchte!

Von Luise Wolf