Welcome to a Town of Modernism

Velenje liegt im Šalek-Tal im Norden Sloweniens. Der Ort stieg im 20. Jahrhundert von einer kleinen Marktgemeinde zu einer bedeutenden Industriestadt auf. Die Planung des neuen Velenje in den 1950/60-er Jahren wurde für die sozialistische Regierung zu einem Vorzeigeprojekt der Jugoslawischen Föderation. Architekturhistorisch beeindruckt Velenje als ein umfassendes Beispiel für das modernistische Bauen. Doch auch aktuell verändert sich die gebaute Landschaft der Stadt.

Von Daniel Grünkranz

Ein Stück Industriegeschichte

Velenje verdankt seine Prosperität der Braunkohle. Auf die Entdeckung eines umfangreichen Vorkommens im Jahr 1875 folgte die rasche Industrialisierung der Region. Velenje entwickelte sich rasch zur Bergarbeiterkolonie. Die Ausbeutung der Lagerstätten bestimmte von nun an die Veränderungen im Šalek-Tal. Dörfer, die den Kohleabbau behinderten, wurden aufgelassen und zerstört. Indessen entstanden abseits der Kohlefördergebiete neue, aber zunächst einfache Siedlungen. Während des Zweiten Weltkriegs forcierten die deutschen Besatzer den Abbau der Kohle. Nach Kriegsende wurde die Produktion weiter maximiert, um die slowenische Industrie mit Energie versorgen zu können. Unter diesen Umständen kamen die meisten Mittel der Industrialisierung zu, die von Jugoslawiens zentralistischer Regierung unter Führung von Josip Broz Tito bereitgestellt wurden. Gleichzeitig blieben die Wohn- und Lebensbedingungen für die Bergarbeiter bescheiden. Dieser Zustand war auch in Anbetracht der mittlerweile vorherrschenden sozialistischen Ideale unbefriedigend.

Velenje, Wohnhochhaus ©Petra De Colle

Effekt einer modernistischen Stadt

Die Situation änderte sich erst 1950, als Nestl Žgank an die Spitze der Kohlenmine von Velenje berufen wurde. Nunmehr mit der Möglichkeit zur ökonomischen Selbstverwaltung ausgestattet, förderte Žgank die Planung einer modernen Stadt für die Bergarbeiter und ihre Familien.

Umgerechnet auf die geplante jährliche Kohlenförderung, sollte das neue Velenje 14.000 Einwohner beherbergen. Modernistische Stadtplanungsmaxime und das Gartenstadtmodell dienten als Vorbilder für die Wandlung Velenjes in ein urbanes, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum. Ciril Pogačnik übernahm dabei die Aufgaben des Chefarchitekten, die Stadtplanung oblag Janez Trenz.

Den Planungsprinzipien folgend, wurden die Funktionen der Stadt voneinander gelöst, Verkehrsadern verbanden die einzelnen Gebiete miteinander. Individuelle Gebäude wurden in weiträumige Grünflächen platziert und erzeugten so den Eindruck von einer “Stadt im Park”. Das Konzept teilte die modernistische Bedachtnahme auf „Sonnenlicht, Durchlüftung und Grün“, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Arbeiter zu fördern. Menschen durch eine sorgfältig gestaltete Umwelt zu einem besseren Leben zu erziehen, war eine aufklärerische Idee, die in den sozialistischen Wertekanon integriert wurde. Urbanisierung hatte so die Funktion, Bedingungen für ideologische Erfahrungen zu schaffen. Auf diese Weise sollte nicht nur die lokale Bevölkerung beeinflusst werden, sondern auch die Besucher der Stadt und all jene Studenten, die von anderen Teilen Jugoslawiens kamen, um in Velenje eine Ausbildung zu absolvieren. Urbanisierung wurde das Mittel zum Zweck für Gesinnung und gleichermaßen für politische Profilierung.
Das neue Velenje war eigentlich ein Projekt lokaler Anstrengungen. Im restlichen Jugoslawien erzeugte es bei den Kadern auch Ablehnung oder eifersüchtige Reaktionen. Gleichzeitig entwickelte sich Velenje aber zu einem Vorzeigeprojekt der jugoslawischen Föderation und zu einem großen Propagandaerfolg.
Das beweist nicht zuletzt die Besucherliste von Führern sozialistischer Bruderstaaten wie etwa Nikita Chruschtschow und Leonid Breschnew aus der Sowjetunion, Rumäniens Nicolae Ceaușescu oder Polens Edward Gierek. Zur wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte trug ebenfalls der Haushaltsgerätehersteller Gorenje bei, der 1960 seinen Hauptsitz nach Velenje verlegte. Heute ist Gorenje der größte Arbeitgeber in der Region.

Promenade, Enota ©Petra De Colle

Der öffentliche Raum

Das Versäumnis des modernistischen Städtebaus, vielfältige und lebendige öffentliche Räume zu schaffen, trat sowohl in den westlichen Demokratien wie auch den totalitären CEE-Staaten auf. Einige Aspekte verschärften allerdings die Situation in der sozialistischen Stadt. Zum einen wurde Grund und Boden als sogenanntes Gemeingut zentralistisch verwaltet. Das begünstigte die Streuung überproportionierter öffentlicher Räume nach vorgefassten Planungsprinzipien. Zum anderen waren die Voraussetzungen für die Nutzung des öffentlichen Raumes weit geringer; es mangelte an kommerziellen Programmen, und die Stadt als Marktplatz wurde marginalisiert. Indessen konnte die oftmals ideologisch motivierte soziale Interaktion dieses Vakuum nicht ausfüllen. Es waren genau diese Situationen, die die stark auffallenden Unterschiede zwischen den Städten im Osten und Westen bedingten.

rücke und amphitheater am Paka-fluss, enota, 2014 ©Petra De Colle

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