Architektur-Crowdfunding

Kopfhörer, Kaffeemaschinen, Elektroroller, Videospiele, Filme, Bücher – es gibt fast nichts, was in den letzten Jahren nicht durch Crowdfunding finanziert worden wäre. Das Prinzip ist denkbar einfach: Man stellt ein Projekt auf einem Crowdfunding-Portal vor und wirbt um viele Investoren, anstatt um wenige Große. In der Architektur ist Crowdfunding nicht neu.

Von Jennifer Lynn Karsten

Der 1885 gebaute Sockel der Freiheitsstatue in New York wurde durch zahlreiche Kleinanleger finanziert. Dieses Vorhaben war wohl das erste Architekturprojekt, das durch Crowdfunding realisiert worden war. Die Statue war ein Geschenk der Franzosen an die Amerikaner, der Sockel aber sollte von amerikanischer Seite finanziert werden. Nachdem der damalige US-amerikanische Präsident Chester A. Arthur und der US-Kongress es aber abgelehnt hatten, für das Projekt Gelder zur Verfügung zu stellen, stellte sich der Herausgeber Joseph Pulitzer dieser Herausforderung. Er versprach jedem Geldgeber einen Namensabdruck in seiner Zeitung „The New York World“, unabhängig von der Spendenhöhe. Innerhalb von fünf Monaten konnte so das fehlende Geld – 101.091 Dollar von über 120.000 Spendern – gesammelt und die Statue errichtet werden. Die Spender kamen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten: Politiker, Geschäftsleute, Straßenreiniger, Kinder und Hausfrauen. Der Durchschnittsbeitrag der Spenden lag bei etwas weniger als einem Dollar. Dies entspricht heute in etwa 20 Euro. In dieser Größenordnung bewegen sich heute immer noch die Einzelspenden bei Crowdfunding-Projekten. Mit seiner Zeitung hatte Pulitzer die Möglichkeit, die Zielgruppe – die New Yorker Bürger – anzusprechen und zu erreichen, dies findet heutzutage über das Internet statt. Crowdfunding in der Architektur hat in New York – so kann man fast schon sagen – Tradition.

Freiheitsstatue ©Daniel Schwen

+Pool und Lowline in Manhattan

Öffentliche Swimmingpools gibt es kaum in Manhattan. Deswegen haben die Architektenbüros Family New York und PlayLab die Initiative +Pool ins Leben gerufen. Obwohl der East River sich eigentlich nicht als Badeort eignet, soll genau dort in der Mündung vor Brooklyn ein kreuzförmiger Swimmingpool, der +Pool, entstehen. Die Architekten haben ein Verfahren entwickelt, mit dem man aus Flusswasser Badewasser filtern kann. Das Projekt wurde auf der Crowdfunding Plattform Kickstarter vorgestellt und konnte trotz breiter öffentlicher Unterstützung unter anderem durch Michael Bloomberg, dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister, bisher nur 350.000 Dollar sammeln - von insgesamt 15 Millionen, die benötigt werden. Aber wenn auch bis dato nicht annähernd die gesamte Summe zusammen kam, konnte mit dem Kapital immerhin die Projektentwicklung voranschreiten. Die detaillierte Planung für den Pool steht inzwischen, die Testläufe für die Wasserfilterung waren erfolgreich und eine professionelle Pressearbeit hält das Projekt im öffentlichen Bewusstsein lebendig.

2_Luchtsingel_BridsEyeView_East_ ©Ossip van Duivenbode

Unterirdisches Lowline-Park-Projekt

Ähnlich verhält es sich bei dem Projekt von James Ramsey und Dan Barasch – dem unterirdischen Lowline-Park in der Lower East Side, ebenfalls in New York. Sie wollen in einer seit 1948 nicht mehr genutzten unterirdischen Straßenbahnstation einen Park anlegen. Durch Lichtkollektoren soll an der Erdoberfläche Sonnenlicht eingesammelt und über Glasfaserkabel in den Park geleitet werden. Durch das gesammelte und das künstliche Licht, das nachts und in Zeiten, wenn die Sonne verdeckt ist, eingesetzt wird, soll sogar Photosynthese und somit das Wachstum von Pflanzen möglich sein. Bei der ersten Kickstarter-Kampagne 2012 kamen durch 3.300 Unterstützer mehr als 155.000 Dollar zusammen. Dadurch konnte ein unterirdisches Versuchslabor eingerichtet und die Solartechnik weiterentwickelt werden. Letztes Jahr erbrachte eine weitere Runde über 200.000 Dollar von 2.500 Unterstützern.

Die Luftgracht in Rotterdam

Luchtsingel_Crowdfunding ©Ossip van Duivenbode

Zu den bisher erfolgreich realisierten Crowdfunding-Projekten zählt die Luchtsingel (dt. Luftgracht) in Rotterdam. Das Zentrum wird seit kurzem durch eine Holzbrücke mit dem Norden der Stadt verbunden. Die städtebauliche Idee dazu stammt zwar von dem Büro für Städtebau Maxwan und der Stadt Rotterdam, allerdings sollte der Masterplan erst mittelfristig umgesetzt werden. So lange wollte die Initiative I Make Rotterdam und das Büro ZUS – Zones Urbaines Sensibles –, das für die Gestaltung der Brücke verantwortlich ist, nicht warten. Die Brücke wurde letztendlich durch den Verkauf einzelner Holzplanken finanziert. Für 25 Euro erhielt man seinen Namen auf einer Planke, für 125 Euro ein ganzes Bauteil. Die über 17.000 Planken wurden nicht nur von potentiellen Nutzern gekauft, sondern auch von zahlreichen Unternehmern und vor allem von einem Großteil der städtischen Gesellschaft. Dies zeigt, dass Architekturprojekte durch Crowdfunding erfolgreich sein können, wenn sie auf das entsprechende Marketingbedürfnis von Unternehmen, aber auch auf die veränderten urbanen Bedürfnisse der Bürger zielen. Nicht zu unterschätzen ist nämlich hierbei, dass den Bewohnern dadurch das Gefühl vermittelt wird, ihre unmittelbare Umgebung aktiv mitzugestalten. Da Crowdfunding aber nicht auf lokale Kontexte beschränkt ist, sondern die Möglichkeit bietet, auf der ganzen Welt Unterstützer zu finden, macht es für viele Architekten besonders attraktiv. Auch eröffnen sich ihnen dadurch neue Möglichkeiten, Bauprojekte unabhängig von den üblichen Beschränkungen der Immobilienbranche zu realisieren.