„We don’t care about money“

Istanbul.Die Bauten der türkischen Suyabatmaz Demirel Architects – egal ob das SALTBeyoğlu in der Istiklal Caddesi, ein Hochhaus in zwei Tranchen im Industrieviertel am Atatürk Airport, das Künstlerhaus für den Maler Ahmet Oran in Bodrum oder der Wettbewerb für die Syrisch-Orthodoxe Kirche in Istanbul Yesilköy – überzeugen durch akribisch durchdachte Entwürfe, bemerkenswerte Licht- und Linienführungen sowie hochwertige Materialien in der Umsetzung. QUER-Chefredakteurin Doris Lippitsch im Gespräch mit Architekt Hakan Demirel in Istanbul Bebek.

QUER: Hakan, du hast kurz als Designer in New York gearbeitet. Bist du für das kleine, aber feine Projekt im Theater SALT Beyoğlu in der zentralen Istiklal Caddesi zurück nach Istanbul gekommen?

Hakan Demirel: Ja, ich war 2007 kurz in New York, das war kurz vor der Finanzkrise. Nach meinem Studium an der Yildiz Technical University in Istanbul habe ich als Designer für das Label Zona, das dann in Mana unbenannt wurde, gearbeitet. Für den Wettbewerb des Theaters SALT Beyoğlu im gleichnamigen zentralen Stadtteil holte mich meinPartner Arif Suyabatmaz zurück in die Stadt, der mich an der Yildiz University unterrichtete. Wir wurden gefragt, was wir im SALT am liebsten designen möchten. „Alles“, sagten wir. Den Eingang, das Archiv, die Bibliothek, die Büros, den Bücherladen Robinson Crusoe, das Café namens Bistro, die Dachterrasse, die Toiletten ... Wir haben uns dann auf den frei zugänglichen Kinobereich konzentriert und hatten genau drei Wochen lang Zeit, die Pläne für ein Kino in diesem historischen, sechsstöckigen Gebäude am Ende einer Sackgasse zu entwerfen. Das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert war lange unter Siniossoglou Apartments bekannt. Wir haben den Ort in der Istiklal Caddesi (verkehrsberuhigte Hauptstraße im alten, europäischen Istanbul am Taksim-Platz, Anm.) genau beobachtet und die kurze Zeitspanne auch tatsächlich geschafft, aber es war ganz schön intensiv und zeitknapp. Auch der Raum war knapp bemessen: 160 qm von insgesamt 1.130 qm Ausstellungsfläche im SALT.

Cinema ©Suyabatmaz Demirel Architects, Istanbul

Wie sollte ein offener Kinoraum im SALT funktionieren und gestaltet werden?

Für den Kinobereich war es uns besonders wichtig, dass der Raum ohne Türen funktionieren sollte und wie eine Straße konzipiert war. Wir wollten die Straßengeräusche, die nicht von der Istiklal Caddesi wegzudenken sind, auch im Kinosaal einfangen; dann die Aufenthaltsqualität des Kinos mit Liegeflächen und Kopfhörern, wenn kein Film gezeigt wird oder keine Veranstaltung stattfindet. Sensoren hinter den Liegeflächen sorgen für Lichtwechsel, die der jeweiligen Situation angepasst werden können. Mit einem hydraulischen System wollten wir die Sitz- und Liegebereiche im Bodenversenken können um eine meditative Stimmung wie in einer Kirche zu erzeugen. Das wurde aus Kostengründen leider nicht ausgeführt. Das SALT Beyoğluin der Istiklal Caddesi wurde 2011 realisiert und steht mit dem SALT Galata im Stadtteil Karaköy als wohl innovativste Einrichtung der jungen Kunstszene in Istanbul. Diese Non-Profit-Organisation ist bestrebt, die wichtigste türkische Kultureinrichtung zu werden.

Wir haben grundsätzlich nicht viele Projekte und können durchaus auch nein sagen, wenn uns ein Projekt nicht zusagt. Hakan Demirel, Suyabatmaz Demirel Architects, Istanbul

Ein ziemlicher Luxus, einen hohen Anspruch durchsetzen und leben zu können!

Mag sein. Das Wichtigste für uns in einem Projekt ist, unseren Kunden und den Ort zu verstehen um dann die aus unserer Sicht beste Lösung für eine konkrete Situation finden und herausarbeiten zu können.

Wie wichtig ist Design in deiner Arbeit? Wie kann Design dazu beitragen, das Leben zu erleichtern, wenn sich Funktionalität und Ästhetik treffen?

Räume, Dinge und Materialien sollte man spüren können. Wir arbeiten mit unserem Design in einer Nische, in einer Nischenfunktion. Wir bieten Möglichkeiten an, immer mehrere. Dabei istes nicht immer förderlich, auf Menschen bzw. Kunden und deren Vorstellungen zu hören. Das Resultat wäre dann auch mal katastrophal oder besser, wenig zufriedenstellend.Manchmal aber ist Design schlicht unverzichtbar. Design erdet, wenn es gut ausgeführt ist, die Verbindung mit der Erde wird dann spürbar.
Mit jedem Projekt begeben wir uns auf eine neue Suche. Das ist für uns die größte Herausforderung.Genau das ist es, was uns interessiert!

hochhaus g-Yoo der suyabatmaz demirel architects im bau; industriegebiet atatürk airport, istanbul ©Suyabatmaz Demirel Architects, Istanbul

Philippe Starcks Zitronenpresse ist ein Designklassiker und verkauft sich auch heute gut.

Interessant, dass du ausgerechnet Starck zitierst. Derzeit befindet sich um den Atatürk Airport unser Hochhausprojekt im Bau. Das Innendesign für die Apartments namens G-Yoo ist von Philipp Starck entworfen. Auftraggeber ist die Mar Yapi Investment Group. Wir haben das Hochhaus mit 35 Stockwerken in Dreiecksform entworfen. Das Grundstück war schwierig. Der nördliche Bereich ist mit einer Verkehrsader Richtung Stadtzentrum stark frequentiert. Wir haben daher die Nord- und Südseite in zwei Teilen, also in Dreiecksformentworfen. Das Gebäude ist regelrecht in zwei Tranchen geschnitten. Entscheidend für diesen Entwurf war, dass dieses Areal in einem Industriegebiet liegt. Mit diesem Entwurf und einer glatten Schnittstelle nach innen wird ein neuer Raum zwischen den beiden Gebäuden geschaffen, der etwas Ruhe und Entspannung mit Aufenthaltsqualität an diesen Ort bringen soll. Die Außenhaut sieht wie eine Orangenschale aus, sie wird mit einer Aluminium/Stechmetall-Lochfassade computergesteuert in CNC-Technik gestaltet, die inneren Schnittstellen bleiben glatt. Ornamentale Raumabschlüsse haben im Nahen Osten eine lange Tradition. Das hat uns für die Außenwände in abstrahierter Form und in modernem Kontext inspiriert. Die verschiedenen Fenstergrößen und das Design sind eine besondere Herausforderung in diesem Projekt.

Entwerft ihr viele Privathäuser?

Ja, eines meiner Lieblingsprojekte ist das Künstlerhaus für den Maler Ahmet Oran in Bodrum. Oran lebt sechs Monate im Jahr in Wien,seine Werke werden u.a. im Istanbul Modern oder Lentos Kunstmuseum in Linz gezeigt. Wir haben sein Atelier mit Privaträumenan der ägäischen Küste schon länger entworfen, wir haben lange auf die Baugenehmigung gewartet. Jetzt ist es soweit und so wird Orans Haus jetzt endlich nach den vorliegenden Entwürfen ausgeführt. Ausgangspunkt auf dem Grundstück war ein Baum. Die Blickachsen beziehen sich im gesamten, terrassenförmig angelegten Gebäude auf diesen Baum. Ein „Tunnel“ verbindet und trennt die beiden Bereiche Atelier von den ebenerdig angelegten Privaträumen. Im sonst fensterlosen Atelierbereich im Untergeschoß gibt es Oberlicht und eine Öffnung mit Blick auf das Meer.

Außenansicht des terrassenförmig angelegten Künstlerhauses Ahmet Oran, Bodrum ©Suyabatmaz Demirel Architects, Istanbul

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Suyabatmaz Demirel Architects wurde 1995 von Arif Suyabatmaz in Istanbul gegründet, als er von Wien zurück nach Istanbul ging. Nach Zusammenarbeit mit mehreren Wiener Architekten unterrichtete er an der Yilmiz Technical University und war Mitbegründer des Studienlehrgangs Architectural Design an der Bilgi University in Istanbul.
Seit 2008 ist Hakan Demirel Partner des Büros. Demirel studierte an der Yilmiz Technical University in Istanbul. Kurzer Aufenthalt in New York, wo er als Designer arbeitet.
Die strenge Formensprache der Suyabatmaz Demirel Architects ist reich an auffallend hochwertigen, delikaten Materialien, Farben und Details. Jedes Projekt bedeutet für die Architekten eine neue Recherche.
Leyla Tara Suyabatmaz gründete 2010 die RAMPA Kunstgalerie für zeitgenössische Kunst in Istanbul Besiktas.