Bücherspiegel

Bücherspiegel 18/15 Italodesign 2 ©Quer

ITALOMODERN 2
Architektur in Oberitalien
1946–1976

Martin und Werner Feiersinger
Architektur und Tirol (AuT); Ritter, Arno (Hg.)
16.5 x 22 cm, 552 Seiten, 360 farbige
Abbildungen und 165 Pläne

PARK BOOKS, 2015
ISBN 978-3-906027-99-9
CHF 49,00 | EUR 48,00

Was als Ausstellungskonzept für das AUT – das Haus der Architektur in Tirol – seinen Anfang nahm, wurde ein internationaler Erfolg, der mit diesem Buch eine berechtigte Fortsetzung findet.Das, was diese selektierten Bauten auszeichnet, ist einerseits das Vertrauen in die Architektur, die Kreativität als Ausdruck eines gesellschaftlichen Optimismus und andererseits die Bereitschaft, sich auf räumliche als auch bautechnische Experimente einzulassen.

Fortsetzungen sind meist eine Enttäuschung. Nach dem sensationellen und ersten, preisgekrönten Band ITALOMODERNaus dem Jahre 2012stellt sich schnell die Frage, ob die Brüder Feiersinger bei genau identer Aufgabenstellung den Spannungsbogen und das hohe Niveau des Architekturführers über Bauten in Oberitalien 1946–1976 halten können. Dabei war es weniger schwierig, herausragende Gebäude auch für den zweiten Band zu finden.

Das soeben erschienene Buch ist noch umfangreicher ausgefallen, die Sammlung umfasst dieses Mal 132 Bauten in allen Dimensionen – vom Biwak mit wenigen Metern Durchmesser bis hin zu kompletten Universitätsanlagen. Die Autoren haben die Arbeitsteilung und auch die bewährten Zutaten belassen, eine gute Entscheidung. Martin Feiersinger zeichnet für die prägnanten und pointierten Begleittexte verantwortlich, die gemeinsam mit den Kunsthistorikern Michaela Zöschg und Christian Nikolaus Optiz verfasst und von Wendungen und Fachausdrücken befreit wurden, die zu sehr dem Architekturjargon verhaftet sind. Erläuternde Pläne wurden für diese Publikation durchwegs neu gezeichnet. Eine Karte mit der Lage der Gebäude, ein Index und die Lebensläufe der Architekten, die zu recherchieren eine wahre Herausforderung waren, sind wieder Bestandteil des Buches. Das bereits beim ersten Band von mir gelobte grafische Konzept wurde mutig weiter entwickelt.

Werner Feiersinger hat die meisten Fotos gemacht, einzelne Aufnahmen sind auch von Bruder Martin Feiersinger. Für den Leser ist sofort ersichtlich, dass es sich um aktuelle Bilder handelt, die Gebäude haben mittlerweile eine Patina, wenngleich Ergänzungen oder Objekte auf die Gegenwart hinweisen. Dennoch sind die Abbildungen von einer Selbstverständlichkeit und Würde geprägt, die darauf hoffen lässt, dass nicht nur die Autoren und eine kleine interessierte Leserschaft diese Architektur zu schätzen wissen. Einige der italienischen Architektenhaben bestätigt, dass diese Übersicht über eine ganze Architekturepoche auch nur mit dem unvoreingenommenen Blick von außen so gut gelingen konnte.

David Pašek

wie entwirft man einen architekten? ©Hg. Eva Guttmann, Gabriele Kaiser, Claudia Mazanek

wie entwirft man einen architekten?
Porträts von Aalto bis Zumthor

Friedrich Achleitner. Herausgegeben von Eva Guttmann, Gabriele Kaiser, Claudia Mazanek
1. Auflage, 2015, Broschiert
312 Seiten, 40 sw Abbildungen
16,5 x 23,5 cm
ISBN 978-3-906027-94-4
CHF 29.00 | EUR 29.00

Friedrich Achleitner ist hierzulande der gute Geist der engagierten Architektur: Über Jahrzehnte hat er Österreich beharrlich kreuz und quer durchmessen, um möglichst alle interessanten Bauten des 20. Jahrhunderts in seinem legendären Architekturführer zu versammeln. Das dauerte unter anderem sicher auch deshalb so lange, weil der Autor in seiner Wertschätzung der Architekturszene bereit war, zu ganz verschiedenen Anlässen die nationalen bzw. internationalen Architekten und Architektinnen mit einer Ansprache oder einem Text zu begleiten. In seinem Archiv sammelten sich über die Zeit etwa 500 Texte, die als Laudatio, Nachruf oder Vorwort verfasst worden sind. Friedrich Achleitner macht so etwas nie einfach nebenbei. So entstanden sprachlich präzise und sehr persönliche Miniaturen, eingebettet in ihren kulturellen Kontext. Als langjähriger Wegbegleiter vieler Protagonisten und als Chronist der Architekturgeschichte reicherte Achleitner seine Texte mit vielen Details und Querbezügen aus seinem profunden Wissensschatz an.
Aus dieser Sammlung wählten die Herausgeber für das Buch Beiträge, die kein Schaulaufen der berühmtesten Architekten darstellen, sondern eine Mischung, die auch jenen Platz einräumt, die sich nicht so nach vorne drängen, sich mit sehr speziellen Themen der Architektur beschäftigen oder eine Rolle einnehmen, die sonst nur selten gewürdigt wird. Dem Untertitel zum Trotz, liegt der Schwerpunkt der Sammlung auf den Vertretern aus Österreich. Manche Beiträge werden um kleine Fotos des Autors ergänzt.
Durch den langen Zeitraum, in dem die versammelten Texte entstanden sind – also von 1963 bis 2009 – leben in dem Buch auch verschiedene Themen des Architekturdiskurses wieder auf, in dessen Kontext Preise verteilt, Ausstellungen eröffnet, Bücher publiziert, eben gelebt und auch gestorben wurde. Die vorliegende Publikation ist ein weiteres Projekt von Diachron, dem Verein für Verbreitung und Vertiefung des Wissens über Architektur. Ein wunderbarer Beitrag zur Erfüllung des Vereinsziels!

David Pašek

Bodentiefe Fenster ©Verbrecher Verlag, Berlin

Anke Stelling
Bodentiefe Fenster

Hardcover, 256 Seiten
2015, Verbrecher Verlag, Berlin
ISBN 978-3957320810
EUR 19,00

Das Genossenschaftshaus in Berlin-Prenzlauer Berg, entworfen von den Architektinnen Irene Mohr und Karin Winterer, wurde von der darin lebenden Autorin Anke Stelling zum Schauplatz ihres neuesten Romans gewählt. Wahrscheinlich ist es auch deshalb so glaubhaft, was sie schreibt.
„Von außen sieht das Haus aus wie ein ganz normaler Neubau, Berliner Traufhöhe, Lückenschließung, sechs Stockwerke, dreizehn Parteien. Es ist aber nicht normal: Wir haben versucht, darauf zu achten, dass unsere Gruppe nicht zu homogen ist, dass auch Ältere, Kinderlose, Schlechtverdienende und Nichtakademiker dabei sind ... Wir haben das Grundstück einer Stiftung überschrieben, um es ein für alle Mal dem Markt zu entziehen; wir sind gegen die Bildung von Wohneigentum und wollen stattdessen genossenschaftlich wirtschaften – weil die Gemeinschaft das wahre Kapital darstellt in dieser von Profitgier und Entsolidarisierung geprägten Gesellschaft.“
Doch die soziale Utopie weicht der Realität: Endlose Diskussionen, gegenseitige Überwachung und Besserwisserei machen sich unter den Bewohnern breit. Ganz so einfach gestaltet sich also das Miteinander nicht. „Jetzt, nach knapp drei Jahren Wohnphase, sind wir endgültig Dörfler geworden, wissen alles voneinander, hören schon am Schritt, wer durchs Treppenhaus geht, und am Einatmen, was der andere gleich sagen wird. Und reden nur mehr hinter vorgehaltener Hand.“ Sandra, die Protagonistin des Romans, Mutter zweier Kinder und selbst Tochter einer 68er-Mutter sieht, dass die Ideale der Elterngeneration im Alltag verloren gehen, auf dem Spielplatz versanden, und im Plenum der Hausgemeinschaft ad absurdum geführt werden.
Dabei bilden die bodentiefen Fenster das Leitthema des Romans. Sie stehen für das, was man von außen sieht, aber von innen beschreibt. Sei es die überbesorgte, überprivilegierte Prenzlauer Berg-Mutter, die an einer Art innerer Monolog leidet, oder die Wohngruppe, die eine vermeintlich ähnliche Haltung zum Leben hat, die sich aber als nicht lebbar erweist.
Die pedantischen Beobachtungen und der trockene Humor, bei dem einem auch manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt – gerade die Balance zwischen Erschrecken und Vergnügen machen dieses Buch lesenswert.

Jennifer Lynn Karsten