Stepan Bandera - eine zutiefst widersprüchliche Figur

Stepan Bandera ©Reuters

In der Westukraine wird er als Widerstandskämpfer gegen die sowjetische Unterdrückung gefeiert, in der russisch geprägten Ostukraine, in Polen und in Russland hingegen zutiefst verachtet. Der ukrainische Nationalist Stepan Bandera ist eine umstrittene Figur. Postum wurde er 2010 zum "Helden der Ukraine" ernannt, dieser Titel wurde ihm aber nur wenige Tage später wieder aberkannt. Kaum eine Figur steht so sehr für die Zerrissenheit der Ukraine wie er.

Von DORIS LIPPITSCH

In der Westukraine wird er als Widerstandskämpfer gegen die sowjetische Unterdrückung gefeiert, in der russisch geprägten Ostukraine, in Polen und in Russland hingegen zutiefst verachtet. Der ukrainische Nationalist Stepan Bandera ist eine umstrittene Figur. Postum wurde er 2010 zum "Helden der Ukraine" ernannt, dieser Titel wurde ihm aber nur wenige Tage später wieder aberkannt. Kaum eine Figur steht so sehr für die Zerrissenheit der Ukraine wie er.

Es sollte eine Ehrung für die Nachwelt, für die Ewigkeit sein. Ein Titel, der die Menschen aus allen Landesteilen der Ukraine vereinen sollte. Der ukrainische Unabhängigkeitskämpfer Stepan Andrijowytsch Bandera (1909–1959) hingegen war ein Held für nur 39 Tage.
Am 22. Januar 2010 war ihm von Viktor ­Juschtschenko der Ehrentitel "Held der ­Ukraine" für seinen "Kampf für die Freiheit der Ukraine" verliehen worden. Das Europäische Parlament, Polen und Russland protestierten. Juschtschenkos Konkurrent und Nachfolger ­Viktor Janukowitsch kündigte wenige Tage später an, er werde Bandera den Heldenstatus wieder aberkennen. Ein Gericht in Janukowitschs Heimatstadt Donezk tilgte den Titel schließlich am 2. April 2010.

In Polen war Bandera 1934 wegen Beteiligung an der Ermordung des damaligen Innenministers Bronislaw Pieracki und Jahre später in Russland in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Was war geschehen?

Die Vorgeschichte im Zeitraffer
1941 wurde von der nationalistischen OUN-Bewegung in Lviv, dem früheren Lemberg, ein eigenständiger ukrainischer Staat ausgerufen, der auch Gebiete des damaligen Ostpolens für sich beanspruchte. Bandera, der den revolutionären Flügel dieser Bewegung anführte, sein Assistent Mykola Lebed sowie Lew Rebet, der als Vizepremier des soeben ausgerufenen Staates vorgesehen war, kollaborierten erst mit der Wehrmacht, wurden jedoch schnell aufgrund nationalistischer Aktivitäten vom NS-Regime verfolgt. Während Lebed die Flucht nach Rom gelang, wurden Bandera und Rebet 1941 ins KZ Sachsenhausen deportiert. Beide überlebten und kamen 1944 frei. In Russland wurden sie indes in Abwesenheit wegen antisowjetischer Aktivitäten zum Tode verurteilt. Über Österreich flüchteten Bandera und Rebet 1946 nach München. Rebet wurde 1957, Bandera 1959 vom KGB-Agenten Bodgan Staschinski mit einer pistolenähnlichen Blausäurewaffe ermordet. Die Auftragsmorde sollten keine Spuren hinterlassen, Jahre später stellte sich Staschinski aber der Polizei und gestand beide Morde. Er wurde im sogenannten Staschinski-Fall zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.
Die Figur Bandera lässt erahnen, wie tief gespalten die Ukraine ist. Nicht nur in der Krim-Frage. 1954 war die Halbinsel ein Geschenk des damaligen Regierungschefs Nikita Chruschtschow an sein Heimatland, die Ukraine.

Mit Bandera wird offenkundig, wie schwierig es ist, sich in dem jungen Staat auf eine auch nur ansatzweise gemeinsame Bewertung der eigenen Geschichte und Identität zu einigen. Denn der Nationalismus, der Janukowitsch nach den Protesten in Kiew mit aus dem Amt spülte, hat historische Wurzeln, die zutiefst kontroverse Emotionen und Zugehörigkeiten auslösen ...

Bild oben: Stepan Bandera, in der Westukraine als Widerstandskämpfer verehrt, gilt im russisch geprägten Osten der Ukraine, in Polen und in Russland als äußerst umstrittene Figur.