Als alle Welt im Prater weilte...

Rotunde, Meierei und Frauenarbeit; Experiment Metropole - 1873: Wien und die Weltausstellung

von HELGA KUSOLITSCH

Im Prater blüh’n bald wieder die Bäume und ganz gleich ob man die Hauptallee als Laufstrecke oder für den sonntäglichen Spaziergang nutzt, die Meierei kennt fast jeder. Dass es sich dabei um eines der beiden letzten intakten Gebäude der gigantisch dimensionierten Weltausstellung von 1873 handelt, ist kaum bekannt. Wien war damals auf dem Sprung zur Metropole und auf dem Höhepunkt einer Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs. Mit der Weltausstellung sollte auch die internationale Anerkennung folgen. Einen Einblick in diese Epoche der gravierenden Veränderungen, welche die Stadt bis heute prägen, gibt die nächste Ausstellung des WienMuseums.

Heute kann sich Wien als eine der lebenswertesten Großstädte der Welt rühmen, eine Weltmetropole aber ist Wien nicht. In den von der Ausstellung beleuchteten Jahren war das anders - die Einwohnerzahl von einer halben Million um 1850 hatte sich bis 1914 vervierfacht und Wien zur viertgrößten Stadt der Welt gemacht. Eine Bevölkerungsexplosion, die der Zuwanderung aus allen Teilen des Reiches geschuldet war. Angezogen wurden die Menschen von der wirtschaftlichen Sprengkraft der Gründerzeit, die das Bild der Stadt radikal veränderte.

Ringstraßenbaustelle ©Foto: Wien Museum
Ringstraßenbaustelle; Foto: Wien Museum

Startschuss hatte die 1858 verordnete Schleifung der Stadtmauer gegeben. Damit war der Weg frei für die Modernisierung der Infrastruktur und den Bau der Ringstraße. Architektur und Kunstgewerbe florierten. Epochale Großprojekte, wie die Hochquellwasserleitung, die Donauregulierung und der Zentralfriedhof wurden in Angriff genommen. Die rasante Stadterweiterung brachte aber auch eine zunehmende Trennung der sozialen Schichten mit sich. Zuwanderung und Zunahme des Industrieproletariats führten zu Wohnungsnot und Elend.

Neben den urbanen Umwälzungen stehen gesellschaftliche Entwicklungen im Fokus der Ausstellung. Dabei reicht das Spektrum von Massenunterhaltung und Exotismus über Mode und Wohnkultur, Medizin und Technik. Aber auch Einzelphänomene werden beleuchtet. 1870 machte man etwa gegen die Abholzung des Wienerwalds mobil, fieberte mit der Nordpolexpedition und der junge Anwalt Karl Lueger, damals noch ein Liberaler, stieg in die Politik ein.

Bau der Reichsbrücke ©Foto: Wien Museum
Bau der Reichsbrücke; Foto: Wien Museum

Im Zentrum der Schau steht die Weltausstellung. Sie war die erste, die nicht in London oder Paris stattfand, und die bis dato größte. Auf dem 233 Hektar umfassenden Gelände im Prater befanden sich riesige Bauten, darunter der 80 Meter hohe Kuppelbau der Rotunde, die zum Wiener Wahrzeichen wurde. Die eingangs erwähnte Meierei war als amerikanische Trinkhalle einer der zahlreichen internationalen Ausstellungsbauten der 35 beteiligten Länder, die vom Persischen Haus über den Tempel von Kyoto bis zur Frauenarbeit im Prater und zum Indianer-Wigwam reichten. Trotz des gigantischen Aufwands war der Erfolg gering. Von den erhofften 20 Millionen Besuchern kam gerade mal ein Drittel und am Ende fehlte sogar das Geld zum Abbau der Rotunde. Ein Börsensturz nach der Eröffnung hatte den Wirtschaftsboom abrupt gestoppt. Ein abrupter Stopp des Wirtschaftsoptimismus folgte auch mehr als ein Jahrhundert später auf die zweite Wiener Weltausstellung, die allerdings nie stattgefunden hat. Die Abhaltung der EXPO95 – konzipiert im Doppelpack mit Budapest - scheiterte an der mangelnden Finanzkraft Ungarns, und auch die Wiener selbst waren laut Volksbefragung an diesem Experiment nicht interessiert.

Experiment Metropole - 1873: Wien und die Weltausstellung
Wien Museum
www.wienmuseum.at
15. Mai bis 28. September 2014