Sprechende Fassade

Das Museum für Architekturzeichnung in Berlin

Das besondere am Museum für Architekturzeichnung ist die Konsequenz, mit der die Entwurfsidee des Architekten Sergei Tchoban bis ins kleinste Detail umgesetzt wurde. Das gesamte Gebäude ist von Zeichnungen durchdrungen. Besonders bemerkenswert ist die Sichtbetonfassade mit einem Relief aus Zeichnungsfragmenten.

von JENNIFER LYNN KARSTEN
 

Der in Russland geborene und nun vorwiegend in Berlin tätige Architekt und Sammler hat sich ein eigenes Museum geleistet. Etwa drei Millionen Euro wurden in den Bau investiert. Tchoban will dort der Öffentlichkeit das wenig beachtete Genre der Architekturzeichnung näher bringen.

Das nur zehn Meter breite und zwölf Meter tiefe Museum umfasst 450 Quadratmeter und befindet sich unmittelbar am Kulturareal Pfefferberg. Auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei sind neben dem Architekturforum Aedes zahlreiche Ateliers untergebracht, darunter auch jenes des Künstlers Olafur Eliasson. Der viergeschossige Neubau bildet den Abschluss der angrenzenden typischen Berliner Mietshausreihe. Er wirkt durch gedrehte und auskragende Bauteile wie ein lockerer Stapel aus Kisten: Kisten, in denen Zeichnungen aufbewahrt werden. Der eingefärbte Sichtbeton erinnert an vergilbtes Pergament. Beim Guss der Fassade wurden mit Silikonmatrizen Reliefs fragmentierter Zeichnungen in die Außenwände geprägt. Je weiter man sich entfernt, desto deutlicher wird das Gesamtbild. Säulen, Bögen, Kapitelle und Kassettendecken werden erkennbar. Bei den Motiven handelt es sich um Bühnenbilder des italienischen Malers Pietro di Gotardo Gonzaga (1751-1831), der an der Mailänder Scala arbeitete. Diese Zeichnungen waren die ersten, die Tchoban vor Jahren erwarb und die somit den Grundstein seiner Sammlung bildeten. Inzwischen umfasst die Sammlung mehrere hundert Blätter aus verschiedenen Epochen, vom 16. Jahrhundert bis zu zeitgenössischen Architekten, von du ­Cerceau bis zu Frank Gehry.

Innenansicht ©Fotos: Museum für Architekturzeichnung innenansicht. ©Fotos: Museum für Architekturzeichnung

Innenansichten; Fotos: Museum für Architekturzeichnung

In einer Nische zur Straßenfront verbirgt sich der Eingang. Die Tür ist kaum sichtbar, da sie die Kanneluren der Fassade aufnimmt. Das Entree empfängt den Besucher mit Bibliotheksatmosphäre. Das liegt nicht nur an den eingebauten hohen Bücherschränken - der gesamte Raum ist in dunklen Brauntönen gehalten. In der handgeschnitzten Nussbaumwand setzt sich das Relief der Außenhaut fort, das sich selbst in den kantigen und etwas unhandlichen Türgriffen wiederfindet.

Auch im Treppenhaus gibt es einen Bezug zur Zeichnung: Schmale Leuchten sind in die Wände eingelassen und erinnern an Zeichenlinien. Die beiden Ausstellungsebenen befinden sich auf der ersten und zweiten Etage. Licht wird in den fensterlosen L-förmigen Räumen aus konservatorischen Gründen sehr sparsam eingesetzt. Am Ende des Museumsrundgangs befindet sich ein kleiner Raum. Hier kann man sich auf Betonklötzen, die ebenfalls das bekannte Relief aufweisen, von der Intensität und Geschlossenheit der Innenräume „erholen“. Ein raumhohes Fenster gibt den Blick auf den Platz frei.

Im dritten Geschoss befindet sich das Archiv, das für Studienzwecke zugänglich ist. Der oberste Bereich ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Dort befindet sich in einem gläsernen Pavillon das sogenannte Büro, von wo aus man von zwei großzügigen Terrassen einen Panoramablick über den Prenzlauer Berg genießen kann.

Noch bis zum 21. März werden dort 80 Architekturzeichnungen der russisch-sowjetischen Baukunst von 1900–1950 gezeigt.