Ausstellung

"Wien Berlin – Kunst zweier Metropolen. Von Schiele bis Grosz"

Krise ist der Begriff, der um 1900 in bürgerlichen Kreisen häufig die Runde machte und auch heute wieder scheint er signaltauglich. In keiner anderen Zeit liegen im Kern so viele Anfänge von dem, was uns heute beschäftigt: Fortschritt, Reform, Krieg, Großstadt, Pluralismus.

von LUISE WOLF
 

Gesellschaftspolitische Parallelen zwischen den 1930er Jahren und heute schwingen schwer und wir überhören ihr Summen nicht. Ein Krisenbewusstsein verbindet Wien und Berlin, aber auch Wege der Befreiung - ob im schönen und charmanten Wien oder in ekstatischer Freizügigkeit in Berlin.

Die Ausstellung „Wien Berlin“ zeigt erstmals Werke der Wiener und Berliner Moderne zusammen. Sie spannt einen Rahmen von der Secession über Expressionismus bis hin zu Dada und der Neuen Sachlichkeit.

Wien um 1900
Es handelt sich dabei mitnichten um eine Kunstzeit, die vernachlässigt worden wäre. Doch der Wien-Berlin-Kontext spannt einen neuen Horizont. Egon Schiele, Oskar Kokoschka, Max Oppenheimer und Emil Orlik arbeiteten auch in Berlin als Porträtisten. Das harmonische, ornamentale Moment eines Klimt fand sich in Berliner Arbeiten und deren Alltagsrealismus wiederum in Bildern Josef Engelhardts oder Ferdinand Andris. Freuds Entdeckung des Unbewussten beeinflusste natürlich auch Berliner Expressionisten, denen die hektische Großstadt Faszination und Abschreckung zugleich war. Nach dem zweiten Weltkrieg übersiedelten viele Künstler nach Berlin, das sich zur Kunstmetropole entwickelte.

Neue Sachlichkeit und Dada in Berlin
In der Krise spalteten sich die Geister – der wuchtig-utopischen Bildsymbolik eines Anton Kolig oder Fritz Schwarz-Waldegg stand die Neue Sachlichkeit in Berlin gegenüber. Sie zeigt die soziale Wirklichkeit, die Zerstreuung im großstädtischen Vergnügen, das die kühle Melancholie, die leeren Blicke und fahrigen Gesten ob der vergangenen Kriegsschrecken doch nicht wieder gut machen konnte. Eine Mappe von Otto Dix’ Radierungen oder Lithografien von Willy Jaeckel zeigen Erinnerungen des Schreckens, den Alltag im Krieg. Im Spiegel der Zeit auch ein Stück Hoffnung – in Lotte Lasersteins "Abend über Potsdam" von 1930 sitzt eine Gruppe Intellektueller am Tisch auf einem hohen Balkon, müde und angespannt zugleich, die Anstrengung der eben geführten Debatte ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Aber auch Witziges und Verspieltes formen Teil der Zeit – eben die neue Freizügigkeit der 1920er Jahre. In Otto Rudolf Schatz' „Ballonverkäufer“ scheint der Witz selbst zur Karikatur geworden.In der ekstatischen Hauptstadt Berlin zerstört, verlacht Dada die gescheiterte Moderne, während in Wien Künstler nach neuen Wegen innerhalb dieser suchen, wie etwa Erika Giovanna Klien mit „Lokomotive“ – die im Bild in rasende Bewegung zu kommen scheint. Max Beckmann, George Grosz, Hanna Höch, Käthe Kollwitz und Max Pechstein sind weitere klingende Namen der über hundert ausgestellten Künstler.

Die Berlinische Galerie erlebte mit der Ausstellung ihren größten Erfolg bisher. Aus deren grau-weißen, modernen Räumen ausgezogen, ist sie nun bis Mitte Juni im Belvedere zu sehen. Hier scheint es, als gingen die Bilder in ihre ureigene Geschichte zurück – und wir, wenn wir aus dem Belvedere wieder hinaus treten, in unserer eigenen weiter.

Wien, Unteres Belvedere.
Die Ausstellung "Wien Berlin – Kunst zweier Metropolen" ist zu sehen bis 15. Juni 2014

Bild: Otto R. Schatz, Ballonverkäufer; Foto: Belvedere, Wien