Die Vermessung des Himmels - Bauen für die Sterne

Die Sterne haben die Menschen schon immer fasziniert. Schon auf paläolithischen Höhlenmalereien ist zu erkennen, dass unsere Vorfahren den Himmel beobachteten. Sie wollten Ordnung bringen in die verwirrende Vielfalt geheimnisvoller Lichter am Nachthimmel, deren Natur man sich nicht erklären konnte.

Von MARIA PFLUG-HOFMAYR

In den südwestfranzösischen Höhlen von Lascaux ist das Sternbild Stier mit den Plejaden abgebildet. Diesen vielleicht berühmtesten Sternhaufen des Nachthimmels finden wir auch auf der Himmelsscheibe von Nebra. Die Babylonier konnten Finsternisse berechnen, wie alte Keilschrifttafeln belegen. In China wurden unter anderem Supernovae beobachtet, sowie ab 613 v. Chr. jener Komet, der später als Halley's Comet bekannt wurde. Dem indischen Astronomen Aryabhata (476–550 n. Chr.) wird die Idee der Zahl Null zugeschrieben, was nicht nur die Sternbeobachtung, sondern die gesamte Mathematik revolutionierte. Die älteste vollständige Darstellung des nördlichen Sternenhimmels ist der an der Seidenstraße entdeckte Sternenatlas von Dunhuang (China), der zwischen 649 und 684 n. Chr. erstellt wurde.

Teleskop des Bierbrauers Jan Heweliusz ©Quelle: Wikipedia

Durch ständige Beobachtung der Gestirne nahm das Wissen über unsere Welt zu. Aristarch von Samos (310–230 v. Chr.) fand heraus, dass die Sonne viel weiter von der Erde entfernt ist als der Mond, obwohl beide am Himmel gleich groß erscheinen, sodass der Mond die Sonne bei einer Sonnenfinsternis fast exakt abdeckt – ein unglaublicher kosmischer Zufall. Eratosthenes (276–194 v. Chr.) bestimmte als erster den Erdumfang. Dass die Erde eine Kugel ist, war schon vor ihm bekannt. Dieses Wissen ging, anders als häufig behauptet, im Mittelalter nicht verloren, es war nur nicht offen zugänglich. Urania, die Muse der Sternenkunde, hatte ihre Heimat vorübergehend verlassen und war nach Arabien ausgewandert. Erst mit Johannes von Gmunden, Georg von Peuerbach und Johann Müller, genannt Regiomontanus, kehrte sie nach Europa zurück.

Gaocheng-Observatorium in China ©http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dengfeng_ Observatory.jpg

Die Vermessung des Himmels

Um den Himmel zu vermessen, braucht man ausgeklügelte Vorrichtungen. Der dänische Adlige und Astronom Tycho Brahe (1546–1601) entwarf gewaltig große Mauerquadranten, mit denen er unendlich geduldig den Nachthimmel und auch den Mars vermaß. Schon über 100 Jahre zuvor wurde in der Nähe der usbekischen Stadt Samarkand das Observatorium des Timuriden-Fürsten Ulug Beg gebaut (1424–1428). Noch älter ist das Gaocheng-Observatorium nahe Dengfeng, das nach chinesischer Überlieferung seit 1100 v. Chr. besteht. 1276 wurde dort ein Sonnenobservatorium errichtet. An beiden Observatorien wurde die Jahreslänge mit einer Abweichung von weniger als einer Minute ermittelt. Ähnliche, noch größere Bauwerke wurden später in Indien angelegt: Jantar Mantar ("Magisches Gerät") – fünf Observatorien, die zwischen zwischen 1724 und 1734 in Delhi, Ujjain, Mathura, Varanasi und Jaipur errichtet wurden.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts hielt das Teleskop Einzug in die Welt der Sternbeobachtung. Waren die ersten Teleskope noch klein und in der Hand zu halten, konstruierten findige Himmelsforscher bald größere Fernrohre.Das Spiegelteleskop von Wilhelm und Caroline Herschel, mit welchem der Planet Uranus entdeckt wurde, war auf ein Holzgerüst montiert.Auf die Spitze trieb es wohl der Bierbrauer Jan Heweliusz. Sein 45 Meter langes Teleskop vor den Toren Danzigs war weithin sichtbar und erregte großes Aufsehen. Dagegen wirkt das derzeit längste bewegliche Linsenfernrohr der Welt, der Refraktor der Berliner Archenhold-Sternwarte, fast niedlich. 1842-1845 konstruierte William Parsons, der 3. Earl of Rosse, ein Teleskop, das etwa 70 Jahre lang das größte der Welt war – den Leviathan von Parsonstown. Man lächelte in der Fachwelt über das Teleskop im verregneten Irland, aber Lord Rosse gelangen nichtsdestotrotz bahnbrechende Beobachtungen.

Institut für Astronomie der Universität Wien ©Institut für Astrophysik, Universität Wien
 

Kosmische Bühne

Viele Sternwarten waren mit Passageninstrumenten ausgestattet, um die Positionen der Sterne immer genauer zu vermessen. So erklärt sich, warum manche Sternwarten einen kreuzförmigen Grundriss haben. Eine davon ist die neue Universitätssternwarte in Wien. Die Gebäude sind an den Himmelsrichtungen orientiert. In den Seitentrakten, die nord-südlich und west-östlich ausgerichtet sind, wurden Passageninstrumente aufgestellt. An sich hätte ein L-förmiger Grundriss ausgereicht, aber der symmetrische Grundriss war grundlegend. Die Wiener Sternwarte war außerdem kein reiner Zweckbau. Sie sollte die größte Sternwarte der Welt werden, was sie auch kurz war. An den Enden des kreuzförmigen Grundrisses ruhen drei Instrumentenkuppeln, in der Mitte befindet sich die Kuppel des größten Instruments, des 10 Meter langen Refraktors. Der Besuch dieser Sternwarte ist eindrucksvoll, und das ist kein Zufall: Die Architekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer waren Theaterbauspezialisten. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte der Physiker Walther Bauersfeld im Auftrag von Carl Zeiss Jena einen Projektor, mit dem die Sterne maßstabsgetreu an eine Kuppel projiziert und der Lauf von Sonne, Mond und Planeten simuliert werden konnte. Damit war das moderne Planetarium geboren, in dem die Sterne nun nicht mehr erforscht, sondern erklärt werden. Diese Gebäude müssen nicht nach den Sternen ausgerichtet sein, sind es aber gelegentlich.
 

Ein Garten für die Sterne

In jüngster Zeit wird eine neue Art von Anlagen errichtet, um wieder – wie in alten Zeiten – die Sterne mit bloßem Auge zu beobachten. Eine der größten und jüngsten dieser Anlagen ist der astronomische Freizeitpark mit Horizontobservatorium im Landschaftspark Hoheward, der 2005 eröffnet wurde. In Wien gibt es schon länger eine Einrichtung für die Himmelsbeobachtung mit bloßem Auge: das 1997 eröffnete Freiluftplanetarium Sterngarten auf dem Georgenberg.

Die Idee für den Sterngarten stammt von Oswald Thomas (1882-1963) und wurde von seinem Nachfolger Hermann Mucke verwirklicht. Konkrete Pläne gab es bereits 1969 für eine Umsetzung auf dem Laaerberg. Schließlich wurde der Sterngarten auf dem Georgenberg bei der Wotruba-Kirche realisiert. Sechs Pfeiler zeigen, wo die Sonne an den Sonnwendtagen sowie zur Tag- und Nachtgleiche auf- bzw. untergeht, und drei Markierungen auf dem Südpfeiler veranschaulichen den Sonnenhöchststand. Im Zentrum der Anlage befindet sich eine Stufenpyramide, von deren Mitte aus man durch ein Loch in der Scheibe auf der Spitze des Nordpfeilers den Polarstern sieht. Am 21. Dezember, zur Wintersonnenwende, fällt mittags der Schatten des Nordpfeilers auf die Spitze einer gigantischen Sonnenuhr – eine gute Gelegenheit, bei Sonnenschein die Bahn der Sonne am irdischen Himmel im Laufe des Jahres zu betrachten.

Die Vermessung des Himmels ist längst nicht abgeschlossen, immer größere Sternwarten werden an den letzten dunklen Stellen der Erde errichtet oder im Weltraum platziert. Doch das Wissen über den Aufbau des Universums und die Beobachtung der Gestirne ist inzwischen nicht mehr nur den Eliten, sondern jedermann zugänglich.

Bilder:
Wikipedia (3)
Erich Rittenbacher
Inst. f. Astronomie Wien
Maria Pflug-Hofmayr