Werkgruppe Graz

Architektur an der Wende zur Spätmoderne
Architecture at the Turn of Late Modernism 1959–1989.

Die Architekten Eugen Gross, Friedrich Groß-Rannsbach, Hermann Pichler und Werner Hollomey, vier ganz unterschiedliche Charaktere, sogen nach dem Studium an der TU Graz alle aktuellen Strömungen in der Architektur auf, fanden bei Konrad Wachsmann an der Salzburger Sommerakademie sowohl Inspiration für dialogische Entwurfsprozesse als auch für die Organisation der Gebäude und versuchten sich an verschiedenen Aufgaben bei Wettbewerben. Mit einem gewonnenen Verfahren traten sie ab 1959 als Werkgruppe Graz auf und bereiteten mit einer langen Reihe an hervorragenden Bauten den Boden für das, was kurze Zeit später international als Grazer Schulebekannt wurde.

von DAVID PASEK

Forum Stadtpark

Das Denken der Gruppe war durch die profunde Ausbildung an der TU Graz von der Geometrie geleitet, rektangulär und geometrisch – systematisch und symmetrisch –aber immer mit Brüchen, die Freiheiten ermöglichen. Jedes Werkgruppenmitglied hatte seine Arbeitsschwerpunkte und brachte Einflüsse aus anderen Bereichen in die Arbeit ein.

Eines der ersten Projekte war der Bau des Forum Stadtpark, einer zentralen Institution der jungen Kultur- und Kunstszene in Graz. Das Gebäude sollte das Programm widerspiegeln. Werner Hollomey übernahm auch die Leitung des Forum- Referats "Architektur und Technik". Durch seine Lehrtätigkeit an der TU Graz wurde das Forum Stadtpark auch zu einer öffentlichkeitswirksamen Brücke zwischen Institutionen.

Werkgruppe Graz ©.

Demonstrativbau Terrassensiedlung Graz St. Peter

Auf Eigeninitiative geht das wichtigste Werk der Gruppe zurück. Im Südosten von Graz verkam ein stillgelegtes Industrieareal zur Deponie, während gleichzeitig damals in der ganzen Stadt Wohnraum fehlte. Also entwickelte die Werkgruppe ungefragt ein Konzept. Die Steiermärkische Landesregierung entschied, das Vorhaben als Demonstrativbau zu finanzieren, und alsbald fand sich ein Wiener Bauträger für die Umsetzung einer Terrassensiedlung. Diese war überaus komplex – nicht nur weil der Baugrund eine Herausforderung war: Die Werkgruppe nahm den Begriff "Partizipation" wirklich ernst. Geplant wurde auf der Baustelle mit den Bewohnern in einem Container. Die strukturellen Möglichkeiten der Gebäude wurden zu diesem Zeitpunkt noch nicht voll ausgeschöpft, dies erfolgte erst nach und nach mit der zweiten Mieter-Generation. Dennoch waren die Architekten bei der Übergabe über die Vielfalt an Lösungen überrascht. Nach Fertigstellung der Siedlung waren Großprojekte plötzlich nicht mehr gefragt, das Projekt blieb weitestgehend unbeachtet.

Zweifellos steht das heute 35 Jahre alte Wohnbauexperiment Terrassensiedlung St. Peter eng mit der Gründung der Grazer Grünen in Zusammenhang und ist ein wesentlicher Beitrag zur Entwicklung der Architektur, eine Verbindung, die heute schmerzlich fehlt, wie Bettina Götz und Richard Mahnal, ARTEC, in ihrem einleitenden Kommentar festhalten.

Werkgruppe Graz. ©.

Werkgruppenlyrik

1989 löste sich die Gruppe in Freundschaft auf. Die Lust der Architekten, eigenständig zu arbeiten, war einfach zu groß. Aber die Werkgruppe Lyrik publizierte weiterhin (1966 bis 1996).

Die Reihe hat einheitliche Buchdeckel aus Karton und ist mit einfachem braunem Packpapier gebunden und daher als "braune Büchl" bekannt. Gemeinsam ist den Texten, dass immer Orte, reale oder fiktive, eine wichtige Rolle spielen.

Das vorliegende Buch ist neben der inhaltlichen Dichte auch schön gestaltet. Gabriele Lenz fand eine aufregend reduzierte Struktur, die auch die zweisprachigen Texte übersichtlich organisiert. Dabei nützt sie für jede Sprache eine jeweils andere Schriftart. Die Abbildungen wurden vom Archiv der Werkgruppe zur Verfügung gestellt, den Bogen in die Gegenwart spannt wiederum Helmut Tezak mit aktuellen Fotografien und Bestandsaufnahmen. Sie zeigen, dass die Bauten heute von den Nutzern nicht nur angenommen, sondern auch gerne genutzt werden.

Werkgruppe Graz 1959-1989

Werkgruppe Graz.. ©.

Architecture at the Turn of Late Modernism

Mit Beiträgen von Hubertus Adam, Bettina Götz und Richard Manahl, Eva Guttmann, Gabriele Kaiser und Otto Kapfinger
Eva Guttmann, Gabriele Kaiser / Haus der Architektur Graz (Hrsg.)
Buchgestaltung: lenz+Büro für visuelle Gestaltung
Fotografien von Helmut Tezak / Archiv Werkgruppe Graz
328 Seiten, ca. 200 farbige und sw Abbildungen und Pläne
Deutsch / Englisch
ISBN 978-3-906027-28-9
Park Books, Zürich 2013, € 48.–