Eine Mischung aus Leichtigkeit und Provokation

Martin Lenikus, Leiter der Lenikus-Gruppe, und Christiane Weissenborn, Geschäftsführerin der Lenikus-Hotels, über die Design-Hotels TOPAZZ und LAMÉE in der Wiener Innenstadt. Beide vermitteln einen erfrischend unkonventionellen Zugang zu Architektur, Design und Kunst.

Was war Ihre Motivation, zwei Design-Hotels in der Wiener Innenstadt zu eröffnen?

Martin Lenikus: Es ist uns gelungen, mit dem Topazz und dem Lamée eine Mischung aus Leichtigkeit und Provokation umzu setzen. Alleine die ovalen Fenster des Topazz sind etwas sehr Ungewöhnliches. Durch sie ergeben sich neue Sichtachsen, die es davor nicht gegeben hat! Das war uns extrem wichtig. Es geht immer um die Menschen, die sich in einem Raum aufhalten. Im Zimmer sind diese Fenster Liegewiese und Sitzbank zugleich – weich gepolstert – wo man sich ganz gemütlich hineinlegen kann. Dort kann man ein Buch lesen, und wenn man will, auch zu zweit drinnen liegen.

Waren diese formgebenden ovalen Fenster von Anfang an geplant?

Wir hatten zu dem Zeitpunkt schon diverse Pläne von mehreren Architektenteams, die mir aber alle zu konventionell waren. Viele waren mit Glasfassaden, die aus meiner und generell aus ökologischer Sicht überhaupt nicht mehr zeitgemäß sind. Mit Erich Bernard von den BWM Architekten verbindet mich nicht nur eine lange Zusammenarbeit, sondern auch Freundschaft. Irgendwann hab ich ihn dann angerufen und gesagt: „Erich, du weißt, wir haben dieses Grundstück. Aber uns fehlt die zündende Idee!“ Dann ist Erich ein paar Wochen später mit einem Blatt Papier und einer Skizze drauf zu mir gekommen. Das Haus war perspektivisch dargestellt – mit exakt diesen ovalen Fenstern.

Also von Anfang an?

Ja, das war die Basis. Ich habe diese Skizze gesehen und wusste: Das ist es, das machen wir! Da ist auch nie wieder dran gerüttelt worden! Natürlich ist es dann um technische Details gegangen. Aber: Die starke Grundidee war von Anfang an da – und die wurde umgesetzt. Wenn so eine starke Idee da ist, muss man ihr auch Platz lassen! Natürlich gibt es immer Widerstände und Diskussionen. Da bin ich ein wahnsinnig sturer Hund! Man kann diese Widerstände aber mit Argumenten, Überzeugungsarbeit und einem sehr guten architektonischen Entwurf überwinden. Wir wussten natürlich von Anfang an, dass wir auf sehr konträre Meinungen stoßen werden. Interessanterweise hat es dann 80:20 Stimmen gegeben. 80 pro und 20 dagegen. Da war ich positiv überrascht!

Und die nötigen Genehmigungen?

Die Magistratsabteilungen haben sehr schnell erkannt, dass das ein wirklich kleiner Bauplatz ist – und dass da mit einem engagierten Bauherren und guter Architektur „mehr geht“.

Aber an prominenter Stelle.

Sehr prominent, ja. Die Beamten haben das aber sehr schnell verstanden. Hätte der Bauplatz größere Dimensionen, hätte man das viel eher als Störung in der Stadt empfunden. So ist das eine kleine, sehr spannende Intervention. Die Frage bei gewagter Architektur lautet immer: Ist man beharrlich oder nicht? Mit den Ovalfenstern sind keine Stockwerke mehr ablesbar, man weiß also von außen nicht, wie viele Etagen das Topazz hat. Das war uns ein wichtiges Gestaltungselement, eine wichtige Grundidee, auch in Bezug auf die Anordnung der Fenster, um Spannung in die Fassade zu bringen. Das war Architekt Bernard von Anfang an bewusst, ansonsten hätte er diesen Spagat nicht geschafft.

Was muss ein Design-Hotel können?

Wir hatten ganz genaue Vorstellungen: Außen muss es spannend sein. Das darf nichts Fades, sondern kann durchaus eine Provokation sein. Und auch innen soll es natürlich anders als zuhause sein. Sonst muss ich ja nicht ver reisen. Aber sämtliche gewünschte Funktionen müssen klarerweise erfüllt werden.

Funktionalität und Design also.

Erstaunlich ist immer wieder, dass man teilweise in so genannte Design-Hotels kommt, die alle auf den ersten Blick interessant ausschauen, aber wo Grundfunktionen, wie ausreichend vorhandene Steckdosen oder konstant temperiertes Warmwasser, nicht immer in gewünschter Art und Weise gegeben sind. Das muss aber funktionieren, sonst ist es ja ein Affront dem Gast gegenüber.

Was erwarten Ihre Hotelgäste anderes als zuhause oder in anderen Hotels?

Ein besonderes, ein inspirierendes Lebensgefühl. Und das mit ganz starkem Wien-Bezug!

Wie erlebt der Gast in seinem Hotelzimmer also einen klaren Wien-Bezug?

Wir haben zum Beispiel im Topazz zeitgemäß interpretierte Jugendstilelemente... Christiane Weissenborn, Geschäftsführerin der Lenikus-Hotels: … wir haben beispielsweise Rosenmuster von Koloman Moser, einen Ring von Dagobert Peche oberhalb des Bettes im Topazz, der Schreibtisch ist ein wichtiges Designelement, aber auch die Stoffe sind immens wichtig. Da spürt man sofort den großen historischen Geist und Bezug zu den Wiener Werkstätten. Da haben wir unseren Architekten inspiriert, er uns, da war anfangs ein Detail da, da noch eines ... es war ein langsamer Prozess, das ist peu à peu gewachsen. Michael Manzenreiter, der das Interior Design des Topazz entworfen hat, hatte dann die Idee: die Ornamentik, beispielsweise die Vase von Koloman Moser. Daraus wurde dann eine Hommage an besagten Koloman Moser und Dagobert Peche. Eine Hommage an eine große Zeit, aber alles andere als ein Museum!

Alles aus Wien?

Nicht alles aus Wien, aber alles in Österreich produziert. Wenn Sie an die Weltausstellungsarbeiten von Dagobert Peche denken und hier die Täfelung im Badezimmer sehen ... nichts ist aufdringlich. Wie auch die Farbgebung, die sich im Entwicklungsprozess schrittweise geändert hat. Man findet gemeinsame Vorbilder, je länger und intensiver man miteinander arbeitet.

Das Lamée und Topazz haben nach nur einem Jahr bereits internationale Preise gewonnen ...

Ja, wir haben die wichtigsten, internationalen Preise der Hotelindustrie gewonnen, darauf sind wir schon stolz! Als wir diese Hotels entwickelt haben, war für uns klar, dass es in Wien gehobene Hotellerie gibt, keine Frage. Aber was gefehlt hat, war der klare Bezug zur Architektur und auch der Gestaltungswille für ganze Häuser!

Wo Wien eine so große Kultur und viele sehr gute Architekten hatte und noch immer hat?

Ich glaube, dass dieses Bewusstsein in der aktuellen Bauherrenkultur schon fast ausgestorben war. Das heißt, der Gestaltungswille. Der öffentliche Bauherr war lange Zeit der wesentliche Auftraggeber – und da ist ein Vakuum entstanden. Letztlich werden dann oft büro kratische Aufträge abgearbeitet. Selten ist da so viel Herzblut dabei wie bei einem Privaten. Jetzt bildet sich dieser Sinn für Architektur aber wieder langsam heraus, der Wille, etwas gestalten zu wollen. Für uns ist das ein Teil des Selbstverständnisses unserer Unternehmenskultur.
Weissenborn: Wir verbringen einfach unsere ganze Zeit damit! Privat und beruflich trennen wir nicht. Das ist in allen kreativen Bereichen so ...
Lenikus: Inspiration kann man sich überall holen, man muss nur mit offenen Augen durchs Leben gehen. Immer und jederzeit.

Konnten Sie das immer?

Wahrscheinlich, ja. Ich habe dieses Bedürfnis. Alleine, den Stephansdom immer wieder genau anzuschauen. Da gibt es immer wieder neue Details, die einfach gigantisch sind. Die bringen mich dann wieder auf die eine oder andere Idee ... da geht es nicht um Copy und Paste, sondern darum, etwas mitzunehmen. Daraus ergibt sich etwas Neues, vielleicht auch mal gar nichts. Aber das macht nichts. Es ist jedenfalls nie etwas Modisches. Weissenborn: Zeitlos.

Und Innovation für Sie?

Lenikus: Der Wille zur Innovation, gestalterisch in Abwandlungen zu arbeiten. Den ganz großen neuen Wurf, den gibt es womöglich heute nicht mehr. Andererseits, wir leben in Wien – also schauen wir mal...

Das Gespräch führte Doris Lippitsch.

Martin Lenikus studierte Betriebswirtschaftslehre an der WU Wien. Bereits seit 1980 beschäftigt er sich mit Immobilien. Seit einigen Jahren engagiert er sich auch im Wiener Weinbau und stellt all seine Weingärten auf biologische Bewirtschaftung um. 2011 folgte dann der Einstieg in die designorientierte Hotellerie. Ein besonderes Anliegen ist ihm darüber hinaus die Förderung junger Künstler.

Christiane Weissenborn, in Wien geboren, 2sprachig aufgewachsen, lebte nach ihrem WU-Studium in Paris, wo sie in der Mode-und Werbebranche erste Erfahrungen sammelte. Sie ist seit 20 Jahren Bauträgerin und Konzeptionistin. Kreativität, Leidenschaft und Stil lauten die Eckpunkte all ihrer Projekte.