DIE ELBPHILHARMONIE EXPLODIERT

Ähnlich wie die Oper in Sydney soll die Elbphilharmonie das zukünftige Wahr zeichen von Hamburg werden. Keine Frage, der Entwurf ist beeindruckend in seiner Ästhetik.

Von Jennifer Lynn Erdelmeier

Die behäbigen Gemäuer des backsteinernen Kaispeichers A dienen als Unterbau und Tragstruktur für den gläsernen Aufbau. Die Architekten bezeichnen ihn als „riesigen Kristall“, dessen Aussehen sich ständig ändert, je nachdem, wie das Licht des Himmels, der Stadt und des Wassers eingefangen und reflektiert wird. Die Glasfassade, über 16.000 Quadratmeter, besteht aus unterschiedlich gewölbten und gebogenen Elementen. Das wellenförmige Dach ist an seiner höchsten Stelle 110 Meter hoch und an seiner niedrigsten 30 Meter tiefer. Nach Fertigstellung soll es 26 Geschoße haben. Der Zugang zum Haus wird über eine 82 Meter lange Rolltreppe erschlossen werden, die das Erdgeschoß mit der „Plaza“, einer frei zugänglichen Fläche, in Höhe des früheren Kaispeicherdachs verbindet.

MEHR ALS EIN KONZERTHAUS

Als 2003 das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron seinen Entwurf für das Prestigeprojekt vorstellte, sollte es für den Steuerzahler noch 77 Millionen Euro kosten. Ein moderater Preis, muss sich der damalige Bürgermeister Ole von Beust (CDU) gedacht haben. Unter seiner Regie nahm das Planungs- und Kostendesaster seinen Lauf.
Der große Konzertsaal soll Platz für 2.150 Besucher bieten, daneben wird es noch zwei weitere Säle geben. Doch die Elbphilharmonie soll mehr als ein Konzerthaus sein, eher eine Art Luxushybrid. Deshalb werden in dem Gebäude zusätzlich 43 Wohnungen und ein 5-Sterne-Hotel mit 247 Zimmern und diversen Konferenz- und Wellnessbereichen untergebracht werden.
Der Kaispeicher unter der Glaskonstruktion musste komplett entkernt werden und wird vor allem als Parkhaus dienen, zahlreiche Restaurants, Bars und Cafés sollen aber auch noch Platz finden.
Wenn man Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) glauben kann, sind jetzt alle Nebenkosten berücksichtigt. 789 Millionen Euro ist der neue Preis für die Elbphilharmonie, das ist zehnmal mehr als geplant. „Nach bestem Wissen und Gewissen fehlt da nichts.“

MEHRKOSTEN

Betrachtet man die Dimension des Projekts mit gesundem Menschenverstand, verwundert die enorme Bausumme nicht. Das sieht auch Hamburgs Bürgermeister so. „Was wir beim Bau der Elbphilharmonie erleben, hätte vermieden werden können“, teilte Olaf Scholz über Facebook mit. „Wenn man am Anfang den Mut und die Bereitschaft gehabt hätte, das Gebäude fertig zu planen und erst dann die Aufträge zu erteilen, wäre möglicherweise von Beginn an klar gewesen, dass man dieses anspruchsvolle Konzerthaus nicht für die damals projektierten Summen errichten kann.“
2006 wurden die Gesamtkosten wegen gestiegener Baukosten offiziell mit 241 Millionen Euro beziffert. Auf das Investoren-Konsortium (Hochtief AG und Commerz Real AG) sollten 103 Millionen Euro entfallen, 138 Millionen sollte die öffentliche Hand bezahlen, den Großteil davon die Stadt Hamburg. Nach langen Verhandlungen wurde 2008 ein neuer Festpreis beschlossen. Der Steuerzahler sollte demnach 323 Millionen Euro schlucken. Im Oktober 2011 kam es aufgrund von Sicherheitsbedenken und wegen der Kostensteigerung zum Baustopp. „Wir lassen die Baustelle stehen, wir machen ein Schild: Dies ist ein Mahnmal für..., und dann kommen ein paar Namen mit Bild.“, witzelte Olaf Scholz auf einer Pressekonferenz im Dezember 2012, als er eine erneute Kostensteigerung von 200 Millionen Euro verkündete. Ob die Elbphilharmonie die Summe von 575 Millionen Euro wieder einspielen würde? Diese Vorstellung schien den Bürgermeister zu amüsieren. Man könne froh sein, wenn die Vermietung der Konzertsäle die Betriebskosten wieder einspielen würde. Die Hamburger sollten sich damit trösten, dass sie dafür „ein ganz großartiges Gebäude erhalten“, so Scholz, denn es werde „das Musikleben dieser Stadt befördern“. Daraufhin schloss die Stadt im Frühjahr 2013 mit Hochtief einen neuen Vertrag. Danach soll der Baukonzern künftig alle Risiken übernehmen und das Konzerthaus bis 2016 zum genannten „Globalpauschalpreis“ von 575 Millionen Euro fertig stellen. Nur versäumte man unter anderem, die Vor planungs- und Baukosten für den kommerziellen Teil mit einzuberechnen. Also noch einmal 214 Millionen oben drauf, macht 789 Millionen Euro.

ELBPHILHARMONIE, EIN BEKENNTNIS DER STADT

Warum das Projekt nicht schon längst aufgegeben wurde, hatte Ole von Beust kurz vor dem Richtfest im Mai 2010 der „Süddeutschen Zeitung“ unverblümt erklärt: „Die Elbphilharmonie sorgte als Bekenntnis der Stadt zur Entwicklung der HafenCity für das nötige Zutrauen der privaten Investoren.“ Dieser Signalbau ist also hauptsächlich ein Köder, um Investoren für die Retortenstadt Hafen-City anzulocken, denn dieses zurzeit „größte innerstädtische Entwicklungsprojekt Europas“ umgibt die Elbphilharmonie. Auf über 157 Hektar ehemaligem Hafen- und Industriegelände erstreckt sich der neue Stadtteil. Dort sollen 6.000 Wohnungen und 45.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Geplant und gebaut wird seit 1997. Läuft man heute an den zahlreichen solitären Baublöcken vorbei, über die zugigen Plätze mit ihrem Deko-Kitsch und durch die leeren Straßen, wird eines klar: Ähnlich wie bei der Elbphilharmonie, wurde hier nicht für den Bürger geplant, sondern für Investoren und Touristen. Bauten von Stararchitekten wie Massimiliano Fuksas, Erick van Eggerat, Richard Meier, Henning Larsen oder Rem Koolhaas sollen als Architektur-Highlights dienen, um zahlreiche Besucher anzuziehen. Das hört sich teuer an und ist es auch: Rund 10,4 Milliarden Euro kostet das neue Quartier, davon sind 2,4 Milliarden öffentliche Investitionen. Die voraussichtliche Fertigstellung ist für 2025 geplant. Es gibt also noch genügend Zeit, um die Kosten in die Höhe zu treiben.