Alte Schule mit neuen Werten

Großteils unter laufendem Betrieb wurde die Evange lische Schule am Karlsplatz unter der architektonischen Leitung von Treberspurg & Partner Architekten saniert, umgebaut und erweitert. Gelungen ist eine Revitalisierung, mit herausragenden Werten in puncto Energieeffizienz – aber auch in Bezug auf die Nutzerqualität.

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Die Evangelische Schule am Karlsplatz liegt an einem zentralen Verkehrsknotenpunkt. Der Theophilvon- Hansen-Bau aus dem 19. Jahrhundert ist ein Standort für Volksschüler, Mittelschüler, für eine Musikschule wie auch für die Tagesbetreuung. Es war kein einfaches Unterfangen, für vier Einrichtungen mit recht unterschiedlichen Bedürfnissen zu planen, bestätigt der für den seit 2005 schrittweise laufenden Umbau und die Sanierung verantwortliche Architekt Martin Treberspurg: „Bei diesem Projekt waren gleichzeitig mehrere Anliegen zu erfüllen. Einerseits sollte der hohe Anspruch an die Energieeffizienz erfüllt werden, was bei Sanierungsprojekten besonders schwer zu verwirklichen ist, andererseits ging es auch darum, die Qualität der Räume wesentlich zu verbessern – das alles im Einklang mit dem Bundesdenkmalamt.“
     Dennoch gelang es Treberspurg, mit Konsequenz und Zielstrebigkeit ein Konzept zu entwickeln, das sowohl den Bauherrn als auch die Pädagogen restlos überzeugte. Die Planung, der Umbau und die Sanierung erfolgten in mehreren Bauphasen, viele Bauarbeiten mussten aber auch während der Unterrichtszeiten durchgeführt werden.
     Die verantwortlichen Projektleiter Christian Wolfert und Manuel Schweizer standen in engem Austausch mit den Lehrern, nahmen deren Anregungen auf und konnten in einer längeren Planungsund Bauphase ein maßgeschneidertes Projekt verwirklichen, das ein erweitertes Angebot an Lernräumen für Förderunterricht und Individualbetreuung vorsieht.
     Gemeinsam wurde das denkmalgeschützte Gebäude nicht nur konstruktiv und technisch, sondern auch den aktuellen pädagogischen Erfordernissen entsprechend, verbessert und aufgefrischt. Das Ergebnis sind anpassungsfähige, technisch hochwertig ausgestattete, zugleich aber unprätentiöse Innenräume, ein erweitertes Angebot an Lern- und Unterrichtsräumen, ein runderneuerter Turnsaal sowie ein neuer Physiksaal und ein überdachter Innenhof.

     VORDENKER THEOPHIL VON HANSEN
Das 1861 fertiggestellte Schulgebäude basiert auf der Idee einer zentralen, von oben belichteten Halle mit umlaufenden Arkaden – ein für die damalige Zeit wegweisendes Konzept. Um den Innenhof gruppieren sich die Unterrichtsräume. Von Hansen plante ein Schulhaus für 900 Schüler. Ein Glasdach überspannte den Innenhof, sodass dieser unabhängig von der Witterung als Aula und Pausenraum genutzt werden konnte, ein Ort der Begegnung, an dem sich die Wege kreuzen und der als informeller Treffpunkt fungiert.

     Der Zweite Weltkrieg zerstörte das Haus durch einen Brand vollständig, beim Wiederaufbau in den 1950ern verzichtete man auf das Glasdach. Billiger und technisch einfacher war das Verschließen der Öffnungen zum Innenhof mit Fenstern und Türen. Der Innenhof konnte seither nur bei Schönwetter genutzt werden, die Heizkosten waren enorm. Die Fassaden waren schwer beschädigt, alle Gesimse mussten ergänzt und sämtliche Fenster erneuert werden.

     REKONSTRUKTION NACH ALTEN PLÄNEN
Treberspurg studierte die Pläne und das Konzept von Architekt Theophil von Hansen und griff die ursprüngliche Idee wieder auf: Das neue filigrane Glasdach ermöglicht seit zwei Jahren die ganzjährige Nutzung des Innenhofes und schafft so mit seinen offenen Umgängen in den Arkaden ein befreiendes Raumgefühl über alle Geschoße hinweg, darüber hinaus einen Raum für Veranstaltungen und diverse Schulkonzerte.

     „Mit dem Schließen des zentralen Innenhofes wurde auch die Strategie verfolgt, das Oberflächen- Volumen-Verhältnis grundlegend zu verbessern, da das Aufbringen einer Wärmedämmung sowohl außen als auch innen ausgeschlossen wurde. Darüber hinaus haben wir die beiden innen liegenden Lichthöfe, die ursprünglich die Sanitärräume be- und entlüftet haben, in der gesamten Höhe überbaut“, erklärt Architekt Treberspurg. In den neu entstandenen Räumen in den ehemaligen Lichthöfen befinden sich nun die Schülergarderoben.
     Besonderes Augenmerk legten die Planer auf die völlig ungedämmten, aus den 1950ern stammenden Holzdachstühle. „Wir ließen diese komplett abtragen und durch einen neuen Dachstuhl aus Stahlsäulen und -trägern ersetzen. Dieses tragende ,Gerippe‘ wurde mit Massivholzdecken geschlossen und mit hochwertigem Isoliermaterial eingepackt. Anstelle des Kupferblechs wurde farblich passendes Alu-Blech verwendet“, erklärt Projektleiter Wolfert. Um kleine, windgeschützte Dachterrassen – ähnlich einem Atrium – gruppiert sich nun eine Reihe von neuen Räumen, wie z. B. ein großzügiger Lesesaal und der neue Verwaltungsbereich der Volksschule. Mit der neuen Nutzfläche ist der Dachausbau ein wesentlicher Bestandteil der energieeffizienten Sanierung. Ein Aufzug vom Keller bis zum 3. Obergeschoß sowie ein Treppenlift beim Nebeneingang verschaffen dem Gebäude weitestgehende Bar rierefreiheit. Dieser Dachaufbau erfolgte in Übereinstimmung mit dem Bundesdenkmalamt, er ist vom öffentlichen Straßenraum aus nicht sichtbar.

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     AUSGEKLÜGELTES ENERGIEKONZEPT
Die energieeffiziente Sanierung gelang mit einem verbesserten Volumen-Oberflächen-Verhältnis, wodurch es nun weniger Abkühlungsfläche gibt. Die Heizung wurde komplett neu konzipiert. Die Energieversorgung erfolgt wie schon bisher über die Fernwärme. Der Wärmetauscher musste erneuert werden, sämtliche Heizungsverteiler, Heizungsleitungen und Heizkörper wurden ausgetauscht bzw. neu verlegt. Dabei wurde darauf geachtet, dass eine differenzierte Steuerung ermöglicht wird, die auf Besonnung, Himmelsrichtung und Außentemperatur Rücksicht nimmt. Die Heizkörper sind mit Thermostatventilen ausgestattet, die nur von „Befugten“ einjustiert werden können.

     Die Stromversorgung des gesamten Hauses wurde vom Niederspannungsraum im Keller weg zur Gänze neu installiert, alle Leitungen und Beleuchtungskörper wurden erneuert. Alle Unterrichtsräume und Verwaltungsräume sind mit EDV ausgestattet, ein neuer Serverraum im Keller versorgt die Anlagen. In den Unterrichtsräumen an der Wiedner Hauptstraße wurde eine Komfortlüftung installiert, dadurch kann der CO2-Gehalt der Raumluft niedrig gehalten werden.
     Inzwischen liegen auch erste Werte vor, die bestätigen, dass die Investitionen zur Energiebilanzverbesserung sinnvoll waren. Der Vergleich der Werte von 2008 und 2011 ergab: „Die Heizkosten sind um 25 Prozent gesunken, der Wasserverbrauch um 70 Prozent (sämtliche Sanitärräume wurden komplett saniert). Die Renovierung der Fassaden konnte im Zuge der Fenstersanierung abgeschlossen werden. Die Kosten dafür sind in den anfangs angegebenen Baukosten nicht enthalten“, so Treberspurg.

     STRENGER DENKMALSCHUTZ
„Bei allen Überlegungen des Planens mussten wir beachten, dass das äußere Erscheinungsbild und die Kontur des Baukörpers so gut wie nicht verändert werden. Die intensive Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt bewährte sich nicht nur in der Planung, sondern war auch wichtig für einen reibungslosen Baufortschritt“, erläutert Wolfert. So konnte der Bau eines zusätzlichen Stiegenhauses als zweiter Fluchtweg entfallen: Einerseits wurde das Haus mit einer Brandmeldeanlage im Vollschutz ausgestattet und andererseits führt der alternative Rettungsweg über die außen an der Fassade liegenden Unterrichts- und Aufenthaltsräume – das war nur möglich, weil diese Räume mit Brandschutztüren gegen die Flure abgesichert wurden und das frei stehende Gebäude an allen vier Seiten für die Feuerwehr ungehindert zugänglich ist.

     Die Räume sind in ihrer Ausformung, mit ihren Verbindungsmöglichkeiten und ihren Oberflächen so konzipiert, dass eine Art der Aneignung bis zur Verwandlung erfolgen kann. Treberspurg erläutert die Gedanken dahinter: „Die Tendenz ging von Beginn an dahin, mit allen in das Projekt involvierten Personen (von der Referentin des Bundesdenkmalamtes bis zum Schulwart) ein Haus zu planen, das seine historischen und baukünstlerischen Qualitäten an den Fassaden und in den zentralen Erschließungsräumen ausspielen kann, aber auch mit technisch gut ausgestatteten und anpassungsfähigen Räumen die Menschen zur Entfaltung bringen lässt.“
     Besonders betont Architekt Treberspurg aber die hohe Bestellqualität des Auftraggebers: „Mit der seitens der Evangelischen Schule verantwortlichen Projektleiterin und Architektin Annemarie Mladek hatten wir einen genialen Partner. Ihr gelang es, dass die Mitbestimmung der Lehrer nicht nur in einer Anhäufung von nebeneinander existierenden Partikularinteressen endete, sondern als inhaltliche Basis für ein stimmiges und nachhaltig gültiges Nutzungs- und Gestaltungskonzept verwendet werden konnte. Nicht zuletzt ihre Erfahrungen aus dem Planungsprozess für das Evangelische Gymnasium in Wien-Erdberg trugen dazu bei, die vielfältigen Anregungen, Wünsche und Vorstellungen zu ,einem Ganzen‘ zu bündeln bzw. zu verknüpfen, ohne dass dabei das Essenzielle verloren ging“, resümiert Treberspurg.

Text: GISELA GARY