Von Domenig zu Domenig – Über Paris schließt sich der Kreis

Sanierung Stadttheater Klagenfurt – Die dekorativen und charakteristischen, keramischen Jugendstilelemente der Fellner & Helmer’schen Fassade wurden vom Pariser Büro XLGD architectures in den Büroräumen behutsam in die Gegenwart übersetzt.

David Pašek unterhielt sich mit dem Architekten Günther Domenig.

Theater hat in Klagenfurt eine lange Tradition und der Kulturraum Alpe Adria wurde seit Anfang des 17. Jahrhunderts gelebt: Auf dem Weg nach Wien machten italienische Kompanien in Klagenfurt halt und gaben dort gerne Gastspiele. Eine lebendige Theaterkultur etablierte sich. Lange wurde im „alten“ Theater gespielt, bis schließlich ein prestigeträchtiger Neubau, das Jubiläumstheater, anlässlich des 60. Geburtstages von Kaiser Franz Joseph I errichtet worden war. In der k. u. k. Monarchie entstanden vielerorts Jubiläumswarten, Klagenfurt erhielt ein Jubiläumstheater. Die Planung für das Theater erfolgte wie für viele Theater von Fellner & Helmer. Dieses Büro genoss den Ruf, Qualität, verlässliches Baumanagement und genaue Kostenkontrolle, zu einem guten Preis zu liefern. Die Website des Klagenfurter Stadttheaters bezeichnet das Büro sogar als „Theaterbaufirma“. Im Laufe der Umsetzung wurde der Erstentwurf von einer leichten Variante französischer Renaissance auf Empirestil mit Einflüssen von Jugend- und Sezessionsstil getrimmt und mit knapp tausend Sitzplätzen nahm das Jubiläumstheater Klagenfurt Ende 1910 seinen Betrieb auf.

Stadttheater Klagenfurt - Generalsaniert von XLGD architectures ©Foto: © Tondach/Christian Schellander

Generalsaniertes Stadttheater Klagenfurt von XLGD architectures mit den charakteristischen keramischen Jugendstil-Elementen der Fassade von Fellner & Hellmer für eine neue Interpretation der keramischen Flächen und mit erneuertem Dach von Tondach. / Foto: © Tondach/Christian Schellander

 

Zusätzlicher Baukörper von Günther Domenig

In den 1960ern wurde das Stadttheater Klagenfurt umgebaut und erweitert. Der dabei erfolgte Umgang mit den Innenräumen zeugt laut Jahrestheaterheft von mangelndem Fingerspitzengefühl: „Das noble Kaisergelb der Tapeten wurde durch muffiges Bordellrot ersetzt, die zwischen Historismus und Jugendstil verspielten Säulen verkleidete man mit Kunstholzplatten“, lautete die harsche Kritik. 1992 übernimmt der Klagenfurter Intendant Dietmar Pflegerl ein technisch desolates Haus, dem ein vorliegendes Gutachten einen Sanierungsbedarf von 600 Millionen Schilling bescheinigt. Aus Sicht der damaligen Landespolitiker eine untragbare Summe, rund die Hälfte der Mittel sollten für eine sparsame Sanierung genügen. Architektonisch sparsam ging es sich denn nicht aus: Günther Domenig, der 2012 verstorbene österreichische Ausnahmearchitekt, lässt alle Erweiterungen abbrechen und plant an der Rückseite einen dynamischen, skulpturalen und sehr markanten Baukörper (1996–1998), der alle Funktionen vereint. Der Innenraum wird frei gelegt und an den Ursprungszustand angelehnt saniert. Intendant Pflegerl, der 2007 an einem Krebsleiden verstarb, beschäftigte sich aber nicht nur mit der Sanierung und Ertüchtigung des Gebäudes, sondern etablierte die Bühne Klagenfurt als einen künstlerisch ernstzunehmenden Ort, und das nachhaltig in einer harten und unfairen politischen Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulisten Jörg Haider.

Stadttheater Klagenfurt - Skizze von XLGD architecture ©Skizze: © XLGD architecture

Skizze: © XLGD architectures

 

Revitalisierung von XLGD architectures

Bei der Domenig’schen Sanierung in den 1990ern waren die Büros und der Kartenverkauf im Eingangsbereich des Bestandsgebäudes nicht prioritär und blieben irgendwie übrig. Das Ambiente, ein Sammelsurium diverser angekaufter Möbel, ließ mehr als zu wünschen übrig und entsprach kaum dem durchaus feierlichen Akt, Theaterkarten zu kaufen oder abzuholen. Im Normalfall ist eine solch überschaubare Bauaufgabe in Klagenfurt kein Auftrag, der an ein Pariser Büro vergeben werden müsste, aber es gibt dazu eine Geschichte, die den Weg nach Paris anschaulich macht:  Architekt Günther Domenig und jüngerer Namensvetter von Günther Domenig – sie sind nicht miteinander verwandt – ist gebürtiger Oberkärntner und besuchte das Gymnasium in Lienz. Französisch erschien ihm als zweite lebende Fremdsprache viel spannender als Italienisch und so legte er früh seine frankophone Basis. Nach seinem Studium an der TU Wien arbeitete er jahrelang im Studio Jean Nouvel. 2001 gründet er mit seinem Partner Xavier Lagurgue das Pariser Büro XLGD architectures. Mit der langjährigen Erfahrung bei Architekt Jean Nouvel fällt es Domenig heute leicht, international tätig zu sein. Neben Projekten in Frankreich, Deutschland und Belgien ist er immer wieder auch in Österreich beschäftigt und hierzulande vor allem in Kärnten tätig. Architekt Günther Domenig schöpft im Spannungsfeld zwischen der Natur, die durch den Weißensee repräsentiert wird, und der pulsierenden Metropole Paris viel Kraft und Energie für seine Projekte. Übrigens, in Paris wird er so gut wie nie auf die Namensgleichheit mit Günther Domenig angesprochen, „das ist dort schlicht kein Thema“.

Stadttheater Klagenfurt - Detail Fliesen ©Foto: Jo Pesendorfer

Foto: © Jo Pesendorfer

 

Zeitgenössische Interpretation der keramischen Fassaden

Im Zuge eines Seminars des Stadttheaters im Seehotel Enzian am Weißensee erschien Intendant Florian Scholz die architektonische Qualität des Hotels so überzeugend, dass er sich bei der Hotelbesitzerin nach dem Architekten erkundigte. Domenig bzw. XGLD architectures wurden für einen Entwurf der zu revitalisierenden Räume im Stadttheater Klagenfurt angefragt. Das Pariser Büro beschäftigt sich oft mit Innenräumen, im Gegensatz zu den üblichen dekorativen Ansätzen immer mit dem Anspruch auf eine nachhaltig architektonische Gestaltung.

Ausgehend von den dekorativen und charakteristischen keramischen Jugendstilelementen der Fassade von Fellmer & Helmer wurde ein Konzept entwickelt, das die Beziehung zwischen Innen und Außen in einer überraschenden Kontinuität neu definiert: Die Wände und Decken der Räume nehmen das Format und die Farbgebung dieser Fliesen auf und verschieben den Kontrast mit einem Pixel-Muster scheinbar zufällig. Diese Oberfläche baut räumlich einen starken Hintergrund auf, der die weiße und punktuell dunkle eingebaute Möblierung leicht, spielerisch und wie einen Paravent erscheinen lässt. Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass die Möblierung vielfach Rundungen und keine Kanten aufweist, und der Raum diese so zu umfließen scheint.

Stadttheater Klagenfurt - Bestuhlung im Theatersaal ©Foto: Jo Pesendorfer

Foto: © Jo Pesendorfer

 

Im Zuge der Gesamtsanierung wurden auch das undichte Dach mit Dachziegel von Tondach und die Bestuhlung im Theatersaal erneuert. Unter fünf Modellen wurde jenes ausgewählt, das nicht nur ergonomisch sondern auch formal zu den denkmalgeschützten kaisergelben Tapeten des Theatersaals passt: ein olivgrüner Wollstoff, in den die Sitznummer sehr dezent eingenäht ist. Um den Komfort zu erhöhen, wurde die Zahl der Sitzplätze reduziert, dabei aber auch darauf geachtet, dass die Mechanik so leise ist, dass zu spät Kommende eine Aufführung nicht stören können.

In den finanziellen Turbulenzen, in denen Kärnten nach dem Hypo-Desaster und den finanziellen Fehlinvestitionen in sinnentleerte megalomane Projekte wie etwa das Stadion oder die Seebühne steht, betrachtet Architekt Günther Domenig analog zum österreichischen Weinskandal „als Chance für einen Reinigungsprozess im Bauwesen und in der Architektur“.

In Zusammenarbeit mit Wienerberger

Titelbild: Foto: © Jo Pesendorfer