Peter Kogler.
Die Kraft der Kontinuität
Eine Pinnwand mit Abbildungen und Zeitungsauschnitten bildet das Herzstück in Peter Koglers Atelier. Sie zeigen Phänomene, die Kogler besonders interessieren, wie u.a. das ausbetonierte Gangsystem eines Termitenbaus, drei der vielen unfreiwilligen Raumfahrer aus dem Tierreich – Laika, die Hündin, Ham, der Schimpanse und Hector, die französische Astroratte. Ein Bild des Radioturms von Vladimir G. Shukhov, Stills aus dem Film Metropolis, eine Tulpe der Gattung Semper Augustus, die im 17. Jahrhundert die Spekulationsblase einer regelrechten Tulpenmanie zum Platzen brachte, aber auch Fotos eigener Arbeiten wie eine Projektion auf eine Brücke in Toulouse.
Von David Pašek
Angetrieben von seinem Interesse an neuesten Entwicklungen, besuchte Kogler mit Freunden die IFABO, die Wiener Internationale Fachausstellung für Büro-Organisation. Das war im Jahre 1984. Die Messe wurde übrigens von Peter Noever im Jahre 1970 ins Leben gerufen. Dort entdeckte Kogler zwischen den damals üblichen elektronischen Schreibmaschinen den ersten Macintosh, den Steve Jobs gerade auf den Markt gebracht hatte; aus heutiger Sicht keine Höllenmaschine, aber der erste Grafikcomputer, der keine Programmierkenntnisse erforderte und auf einem 9 Zoll-Bildschirm eine intuitive grafische Bedienschnittstelle bot.
Die 1970er Jahre waren offen für Technik und Forschung. Prägende Erlebnisse in Koglers Kindheit, wie etwa die Mondlandung, machten ihm schnell bewusst, dass die digitale Welt in seiner Kunst eine bedeutende Rolle einnehmen wird: „Es war sofort klar – das ist ein Paradigmenwechsel – dieses Medium wird die Produktion und Verbreitung von Bildern grundlegend verändern. Das war dann tatsächlich der Fall, obwohl ich überrascht war, wie lange das dann letztlich gedauert hat!“ In Koglers Arbeit gibt es immer auch mit Hand gezeichnete Skizzen, die dann einen digitalen Prozess durchlaufen. Mit seinem frühen Einstieg in die Technologie folgt seine Kunst auch den Entwicklungsschritten der IT-Industrie – vor allem in Bezug auf die Ausgabetechnik. Denn das, was auf dem Bildschirm produziert werden konnte, ließ sich anfangs kaum in eine gedruckte Form übertragen. Nadeldrucker und Endlospapier sind heute aus den Büros verschwunden, damals reproduzierte Kogler seine Motive nach dem Ausdruck in Serie noch mit dem Siebdruckverfahren.
Einige Motive in Koglers Arbeiten tauchen immer wieder auf: die Röhren, die Ratte oder das Hirn. Diese hat er sich nicht ausgesucht. „Die waren irgendwann da und ich habe mich einfach dafür entschieden.“ Peter Kogler
Charakteristisch ist dabei deren hohe plastische Qualität und Abstraktionsfähigkeit in der Reproduktion. Den Nerv der Zeit traf Kogler mit der seriellen Rauminstallation der Ameise bei der Documenta IX in Basel 1992. Sie verbreitete sich weit über die eigentlichen Installationen hinaus: Grafisch reduziert, aber auf den Fotos immer noch erkennbar, dominierte dieses Motiv weltweit die Illustrationen in den Feuilletons. Koglers Rauminstallationen sind zugleich auch künstlerisches Laboratorium: Räume, die ihm für Ausstellungen oder Installationen zur Verfügung gestellt werden, sind ihm schlicht nur eine Vorgabe. Oft wird er dabei von Auftraggebern und Kuratoren mit Stiegenhäusern, Foyers oder anderen Transitbereichen konfrontiert, was Kogler einfach jedes Mal aufs Neue freut. Im Umsteigebereich der U-Bahnlinien U1 und U2 am Wiener Karlsplatz verdichtete sein Netz aus Röhren die Grundidee einer Metro mit der pulsierenden Bewegung der Passanten. Am Grazer Hauptbahnhof überraschen seine großflächig verflüssigten Strukturen in der Eingangshalle, die ursprünglich temporär installiert worden sind. Die Grazer protestierten, als das temporäre Kunstwerk abgetragen werden sollte. So blieb Koglers Installation dauerhaft erhalten.
In seinen Ausstellungen wird es immer noch dichter: Mit großflächigen Projektionen verleiht er seinen Strukturen Dynamik: Raster verdrehen sich, pulsieren oder werden in Loops verflüssigt, die akustisch mit Kompositionen von Franz Pomassl verstärkt werden. Wichtig ist Kogler, „von Installation zu Installation immer nur an einer oder an zwei Schrauben zu drehen“, damit für ihn der Effekt der jeweiligen Änderung stets nachvollziehbar bleibt.
Bildtext oben: Bei der Jubiläumsinstallation „next“ der Arts Brussels 2016 im ING Art Center projizierte er auf die Wand- und Bodenflächen. Neben den Projektionen hat er aber auch die anderen Flächen durch verzogene Netze aus verschieden starken Linien verändert: Die Raumwahrnehmung wurde so noch komplexer und es war schwer zu sagen, wo eine Wand anfängt, wo sie endet, ob die Wand- oder Bodenflächen flach oder gewölbt sind. Der Besucher schärft seine Wahrnehmung, um sich in Koglers Räumen zurechtzufinden, wo er dann mit seinen Bildern, Collagen und Skulpturen konfrontiert wird. Neu waren in dieser Ausstellung Pinwalls als autonome Arbeiten – konservierte Inspirationsquellen bestimmter Zeitabschnitte. Peter Kogler betont und freut sich darüber, dass sich die verschiedenen Altersgruppen in seinen Projektionsräumen meist sehr unterschiedlich verhalten. Während kleine Kinder herumlaufen, chillen die größeren am Boden. Erwachsene nehmen die Veränderungen des Raums wiederum konzentriert stehend wahr.