Skopje. Déjà-vu?
Es gibt Städte in Europa, die kaum, und wenn, nur sehr kurz Einzug in Medien finden. Skopje zum Beispiel. Mazedonien sorgt nun als ein Land auf der Balkan-Flüchtlingsroute aus Syrien, Afghanistan, Afrika und dem Irak Richtung Österreich und Deutschland immer wieder für Schlagzeilen. Skopje ist keine glanzvolle Stadt, sie ist wie ihre Musik – eine lebendige, vielschichtige, aber keine reiche Stadt.
Von Panajota Panotopoulou
Skopje. Mir war Skopje bekannt als ein Ort auf dem Balkan, den ich auf meiner jährlichen Durchreise mit dem Auto von Wien nach Thessaloniki streifte. Skopje, der Name einer Stadt, den viele meiner Landsleute demonstrativ zur Bezeichnung des Nationalstaates verwenden. Der Streit mit Griechenland um den Namen des Landes Mazedonien ist im hellenischen Norden, in der Region „Makedonia“, wo ich herkomme, besonders brisant und wird dort leidenschaftlich diskutiert. Ein Zufall sollte mir die Gelegenheit bieten, einige Tage in Skopje zu verbringen. Die Hauptstadt des kleinen Balkanstaates zählt 580.000 Einwohner. Die Bevölkerung ist stark durchmischt: Zwei Drittel sind slawische Mazedonier, rund 25 Prozent Albaner, eine türkische Minderheit, Roma, Bosnier, Serben und andere Nationalitäten leben hier zusammen. Rund 65 Prozent sind mazedonisch-orthodoxe Gläubige, 25 Prozent Muslime und eine Minderheit von rund 10 Prozent Anhänger anderer Glaubensrichtungen.
Alexander der Große
Ich lande am Flughafen 30 Kilometer südöstlich der Stadt und habe mein erstes Déjà-vu, als ich vor der Statue Alexanders des Großen stehe, die mir in ähnlicher, aber um ein Vielfaches größerer Ausführung aus Thessaloniki bekannt ist. Aus dem Taxi-Radio dröhnen schwungvolle Volksmelodien, virtuose Flöten- und Lautenklänge, die von rhythmisch-temperamentvollen Trommelklängen begleitet werden. Ich lausche aufmerksam den Klängen und versuche, Parallelen und Unterschiede zum griechischen Volkslied zu finden und erkenne die Einflüsse orientalischer und byzantinischer Elemente, lasse mich von der Fröhlichkeit und der Lebenslust dieser Musik leiten. „Heute ist ein Feiertag, ein christlicher Feiertag“, erklärt mir der Taxi-Fahrer.
In kaum einer anderen Stadt gibt es so viele Feiertage zu Ehren der vielen ethnischen Gruppierungen. In kaum einem anderen Land gab es vergleichbare Kämpfe um politische Anerkennung und Gleichstellung zwischen diesen Gruppen für eine mögliche Verständigung und ein friedliches Zusammenleben.
Heute feiern die Orthodoxen Christen Pfingsten, wir schreiben den 19. Juni. Nach dem Julianischen Kalender wird am 28. August Mariä Himmelfahrt gefeiert, am 22. November das Fest des Albanischen Alphabets, am 8. Dezember feiern die mazedonischen Christen St. Kliment Ohridski und wiederum am 21. Dezember wird dem Tag des Türkischen Alphabets gehuldigt. Silvester ist eine Ausnahme: Das Neujahrsfest ist ein gemeinsamer Nenner, ein Feiertag für alle Menschen in Skopje. Abertausende versammeln sich dann auf dem zentralen Pela-Platz mit dem neuen Triumphbogen, der „Porta Makedonija“. " Spätestens, als ich an diesem Platz vorbeifahre, erlebe ich mein zweites Déjà-vu. Der Triumphbogen ist dem Pariser Triumphbogen nachempfunden, der im Zuge des Prestigeprojekts Skopje 2014 realisiert wurde.
Großangelegtes Renovierungsprojekt Skopje 2014
Regierunsgchef Nikola Gurevski präsentierte 2008 unter der letzten Regierung, der national-konservativen VMRO-DPMNE, eine 3d-Animation zur „Renovierung“ Skopjes. Bis 2014 sollten zahlreiche neue, historizistische Gebäude auf dem Hauptplatz errichtet werden: Bauten mit ionischen und dorischen Säulenordnungen, barocken und neoklassizistischen Fassaden, mit Bronze und Gold dekorierten Statuen auf Fußgängerbrücken, die über den Vardar zu neu gestalteten, öffentlichen Plätzen hin zum Flussufer führen, reichlich mit Statuen und Springbrunnen dekoriert. Heute posiert auf dem zentralen Plostad Makedonija-Platz in überlebensgroß: Alexander der Große. Das Monument erreicht eine Höhe von beinahe 30 Metern, seine Kosten werden auf 10,5 Millionen Euro geschätzt, offizielle Angaben darüber gibt es freilich nicht. Entlang der zentralen Straße reihen sich ein neues Theater, ein Archäologisches Museum und neue Ministeriumsbauten. Am anderen Varda-Ufer steht König Philipp II, Alexanders Vater, in Siegerpose, seine Hand ist in die Höhe gestreckt und zu einer Faust geballt. Der mazedonische Architekt und Kritiker Argjent Karai fragt in The Artistic Culture of Building – the “beautiful” and the „good“: Ist Skopje gar eine hässliche Stadt, dass sie mit Pseudo-Palladio-Balustraden dekoriert werden muss? Besitzt die Stadt umgerechnet mehr als 270 Mio. Euro für diese Dekoration? Das Resultat lässt sich mit einem Wort begreifen: Pseudo-Pomp. Die Replik der Regierung lautet simpel: Skopje soll aussehen wie Rom, Paris oder Wien.
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