Born in Italy, Made in Europe

Artemide ist eine internationale Marke und steht für hochwertige und innovative Designleuchten. Der Mann, der hinter dieser Marke steckt, ist Ernesto Gismondi. Sein Studio Artemide wurde 1960 in Mailand gegründet, heute ist er Präsident der Artemide Gruppe. QUER war zu Gast in seiner Mailänder Wohnung.

Der Empfang in Ernesto Gismondis Dachgeschoßwohnung in der Mailänder Altstadt ist herzlich. Drei Hunde begrüßen mich überschwänglich, Agatha, eine betagte Hündin wedelt mit ihrem Schwanz und will gestreichelt werden. Der Ausblick auf die Altstadt ist im Morgenlicht phantastisch. In den Räumen überall Kunst und edle Leuchten. Von Artemide. Schon kommt Ernesto Gismondi ins Wohnzimmer und begrüßt mich strahlend und in bester Laune. Es ist noch früh am Morgen, wir unterhalten uns bei Tee und Kaffee, die Hunde breiten sich im Wohnzimmer aus.

Ernesto Gismondi war immer schon ein begnadeter Techniker, er liebt das Handwerk. Den Versuch, das Experiment. So oft und so lange, bis etwas funktioniert. Gismondi ist Luft- und Raumfahrttechniker. Er studierte in Milano und in Rom Raketentechnik, jahrelang arbeitete er in der Luftfahrtindustrie. „Hätte ich in der Luft- und Raumfahrtindustrie bleiben und mich selbständig machen wollen, hätte ich sehr, sehr viel Geld gebraucht“, erzählt er über die Zeit vor Artemide. Er lehrte als Privatdozent Raketentechnik am Politecnico in Milano. Ganze 20 Jahre lang. „Nach dieser Zeit hat das dann irgendwann auch gereicht!“, sagt er schmunzelnd. „Das, was mich immer interessiert hat, ist die Technik, ist das Handwerk, ist, mit den eigenen Händen Maschinen zu bauen. Das Handwerk. Neue Lösungen zu finden, das faszinierte mich immer schon“, holt Gismondi über die Anfänge seines Unternehmens aus.

„So habe ich mehr und mehr nach Lichtlösungen gesucht und 1960 das Studio Artemide S.a.s. gegründet, mit meinem Freund und Designer Sergio Mazza. Die 1970er Jahre, die Memphis-Bewegung in den 1980er Jahren, das war einfach eine gute Zeit, eine sehr offene Zeit! Wir haben uns spontan getroffen, uns ausgetauscht, neue Ideen entwickelt und diese dann gemeinsam umgesetzt! Mazza ist dann 1972 zu Olivari gegangen und ich habe alleine im Studio Artemide weiter gemacht. Ich wollte selbst produzieren, das war immer der entscheidende Gedanke. Der Unternehmer war wohl schon immer in mir.“

Das Studio Artemide arbeitete schon früh mit den renommiertesten Designern und Architekten in Italien und bald auf der ganzen Welt: Vico Magistretti, Giò Ponti, Ettore Sottsass, Mario Botta, Michele De Lucchi, später mit Sir Norman Foster, Zaha Hadid, Neil Poulton, Jean Nouvel, Daniel Libeskind, um nur einige zu nennen. Viele lebenslange Freundschaften wurden damals geschlossen, u.a. mit dem Mailänder Architekten Michele De Lucchi oder Richard Sapper. 1972 entwickelt der deutsche Designer Sapper eine Leuchte mit revolutionärem Design, die Tizio mit bahnbrechender Technik. Einfach, aber wirkungsvoll, ein Designrebell. Die Tizio ist die erste Leuchte mit einer Niedervolt-Halogenleuchte, die bis dahin nicht für Innenräume gebräuchlich war und in der Regel für Autoscheinwerfer eingesetzt wird. Heute zählt diese Leuchte zu den begehrtesten Designklassikern. „Für Richard Sapper habe ich großen Respekt“, sagt er über seinen Freund, mit dem er jahrzehntelang zusammengearbeitet hat und auch oft an der ligurischen Küste segeln war. Segeln ist übrigens Gismondis zweite Leidenschaft, er wurde 1931 in San Remo an der ligurischen Küste geboren. „Dieser Pioniergeist steckt anscheinend in mir, in Menschen, die an der Küste geboren werden oder dort aufwachsen“, sagt er mit seiner ruhigen Stimme, einen Moment lang so, als führe er einen inneren Monolog und führt weiter aus: „Diese Menschen haben Mut! Beim Segeln ist man sehr bei sich, konzentriert sich auf das Wesentliche – den Augenblick. Um einen ist nichts außer Wasser, Sonne und Luft!“ Sich Zeit zu lassen für Prozesse und Dinge, das war und ist Gismondis Credo. Trial and error. Das zeitigt das, was er als Techniker stets suchte: die Reduktion auf das Wesentliche. „Der Unternehmer war wohl schon immer in mir“, lausche ich Gismondis Worten, die sich wie ein Bekenntnis lesen. Gismondi etablierte sich schnell und war bald ein international anerkannter Designer ...

Von Doris Lippitsch

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