Von archaischem Handwerk zu KARAK

Begonnen hatte alles mit den eigenen vier Lehmwänden, dem viel zitierten Haus Rauch in Schlins,Vorarlberg. Lehm, Ton, Erde – so die Maxime des Bauherrn Martin Rauch. Selbst keramische Flächen wurden in einem aufwendigen Prozess selbst gefertigt. Durch die langjährige Beschäftigung mit Stampflehm, einem der ältesten Naturbaustoffe überhaupt, entwickelte sich das Familienunternehmen des Lehmbauern Martin Rauch und die Fliesenmanufaktur Karak von Sebastian Rauch. Sebastian Rauch, Grafik-Designer und Rauch-Spross, folgt damit der Berufung seiner Mutter nach. Jede Fliese ist ein Unikat. QUER-Chefredakteurin Doris Lippitsch im Gespräch mit Sebastian Rauch über die japanische Raku-Technik und zeitgenössisches Design für exklusive keramische Raumgestaltung.

„Karak ist eng mit unserer Familie und der Vertrautheit mit Erdmaterialien, Kunst und Handwerk verbunden“, beginnt Sebastian Rauch über die Anfänge seiner Vorarlberger Fliesenmanufaktur zu erzählen. Seine Mutter, die Künstlerin Marta Rauch-Debevec, hatte  schon über 30 Jahre lang in der Keramik gearbeitet und war mit der traditionellen Technik des japanischen Raku-Brandes vertraut. Beim Bau des eigenen Lehmhauses in Schlins wurden auch die Fliesen von der Familie Rauch entworfen und schließlich in Raku-Keramik hergestellt. Die japanische Technik des Raku-Brandes ist ein sehr aufwendiges Herstellungsverfahren, das viel Ausdauer und ebenso viel Herzblut erfordert. Für die Fliesen wurde auf Ideen und Muster zurückgegriffen, die der junge Grafik-Designer Sebastian Rauch immer wieder nebenbei entworfen hatte. Nach seiner Fertigstellung wurde das Erdhaus Rauch viel in diversen Architekturzeitschriften zitiert bzw. auf -festivals präsentiert. Dies war schließlich der Anreiz und Auftakt für die Rauch’sche Fliesenmanufaktur Karak.

KARAK - Produktion 01 ©Foto: Hanno Mackowitz

KARAK - Produktion 03 ©Foto: Hanno Mackowitz

Fotos: © Hanno Mackowitz

 

Vom Computerspiel in die Lehmwerkstatt

„Aufgewachsen bin ich quasi in der Werkstatt und mir war damals klar, dass ich nicht so leben wollte wie meine Eltern“, erzählt Sebastian Rauch mit erfrischender Offenheit über seine Vorarlberger Kindheit. Schon sehr früh interessierte er sich weitaus mehr für Computerspiele und abstrakte, virtuelle Welten. „Ich habe den vielen Stress gesehen und auch, dass mein Vater nur schwer etwas abgeben kann!“ Das wollte er entschieden anders machen als sein Vater, der Lehmbauer Rauch. Nach seiner Lehre für Druckvorstufentechnik und seinem Studium für Grafikdesign an der NDU in St. Pölten arbeitete er mit seinem Jugendfreund und Produktdesigner Thomas Rösler als Grafik-Designer. Vor ein paar Jahren tauchte dann die Frage auf, wer den Betrieb seiner Mutter in Vorarlberg übernimmt. Er fragte schließlich seinen Freund Rösler, ob er die Werkstätte mit ihm übernehmen wolle: „Erst hat sich keiner zu fragen getraut, aber wir hatten ohnehin dieselben Überlegungen. Wir beide verfolgen eine gemeinsame Vision, wir ergänzen uns sehr gut.“ Vor zwei Jahren beendete Sebastian Rauch schließlich seine Arbeit als Grafikdesigner, um gemeinsam mit Thomas Rösler die gesamte Energie auf Karak zu konzentrieren. Beide sind heute Karak-Geschäftsführer.

„Die jahrhundertealte, japanische Technik des Raku-Brandes trifft in den Fliesen auf grafische Muster, die digital am Computer entstehen“, so Rauch. Jede Fliese ist handgefertigt, jede Fliese wird in einem aufwendigen Prozess in Vorarlberg hergestellt, jede Fliese ist anders, jede Fliese ein Unikat. Rauchs grafische Muster und  Ornamente entziehen sich ganz im Gegensatz zum Raku-Brandverfahren dem Zufall. Denn Raku-Technik lebt maßgeblich vom Zufall oder vielmehr dem „Nicht-Perfekten“. „Karak-Fliesen sind Zeugnisse eines Zusammenspiels und der Beziehung zwischen Ost und West“, schildert Rauch über sein Schlinser Unternehmen, das er nun schon seit zwei Jahren mit seinem Partner Rösler führt. Rösler wiederum tüftelt mit großer Vorliebe an neuen Methoden, neuen Maschinen und neuen Herstellungsverfahren.

KARAK - Produktion 02 ©Foto: Hanno Mackowitz

KARAK - Produktion 04 ©Foto: Hanno Mackowitz

Fotos: © Hanno Mackowitz

 

Karak-Design und Raku-Keramik

Der Raku-Brand ist ein Zusammenspiel der Elemente Erde, Feuer, Luft und Wasser. Dieses Zusammenspiel verläuft jedes Mal anders und ist das Ergebnis verschiedener Faktoren wie Temperatur, Dauer der Abkühlung und Beschaffenheit der Sägespäne. „Wir sind Designer, Architekten und Künstler mit einer ausgeprägten Auffassung von Schönheit. Wir lieben das Spannungsfeld zwischen der Perfektion und dem „Fehler“. Wir glauben, dass Objekte, die aus dieser Spannung entstehen, in der Lage sind, uns auf rationaler und emotionaler Ebene zu erreichen und zu berühren. Perfektion ist ein Wegweiser, jedoch fasziniert uns vielmehr das Unberechenbare auf dem Weg.“ In Japan wird Raku-Brand traditionell für Teeschalen und kleinere Objekte angewendet. Sie gelten als begehrte Kunstobjekte und überzeugen Sammler und Liebhaber ob ihres einzigartigen Charakters, der vom Zufall bestimmt wird. Die ersten Schalen in Raku-Brand entstanden für die im Zen-Buddhismus praktizierte Teezeremonie und werden teuer gehandelt.


„Wir sind Designer, Architekten und Künstler mit einer ausgeprägten Auffassung von Schönheit. Wir lieben das Spannungsfeld zwischen der Perfektion und dem „Fehler“. Wir glauben, dass Objekte, die aus dieser Spannung entstehen, in der Lage sind, uns auf rationaler und emotionaler Ebene zu erreichen und zu berühren. Perfektion ist ein Wegweiser, jedoch fasziniert uns vielmehr das Unberechenbare auf dem Weg.“ – Sebastian Rauch


Bis eine Fliese verlegt werden kann, wird sie im Schnitt 36 Mal in die Hand genommen. Die Basis der Fliese ist eine Kombination aus unterschiedlichen Ton- und Lehmerden. Die Masse aus Quarzsand und Schamott wird in Fliesenform gepresst, von Hand detailgenau retuschiert und dann gebrannt. Nach dem Auftragen des Siebdruckes wird sie ein zweites Mal gebrannt. Dabei entsteht der charakteristische Raku-Prozess: Die Fliesen werden dabei noch in glühendem Zustand mit einer Zange einzeln aus dem Brennofen geholt und dann luftdicht mit Sägemehl zugedeckt. Dabei entsteht Rauch, der mit dem Sauerstoffentzug und den im Sägemehl enthaltenen Mineralien intensiv und jedes Mal anders auf die Fliesenoberfläche einwirken: Die Farbe ändert sich je nach Glasur und schwärzt ihre feinen Risse. Durch die schockartige Abkühlung entsteht schließlich das charakteristische, zarte Krakeele, das die Fliesen überzieht und ihnen ihren unverwechselbaren Charakter verleiht: Das glänzend glasierte Ornament bildet einen Kontrast zum matten Schwarz der geräucherten Keramikoberfläche. Das abschließende Eintauchen in Wasser bestimmt schließlich das Erscheinungsbild jeder einzelnen Fliese. Dann wird die glasierte Oberfläche noch gebürstet und von Schwärzungen befreit.

KARAK - Haus A - Graubünden ©Foto: © Alex Colle

Foto: © Alex Colle
 

Die Vorarlberger Fliesenmanufaktur Karak verbindet die Tradition handgefertigter Tonprodukte mit der Moderne und Gegenwart. Individuelle Serien werden von Projekten und Menschen inspiriert und entstehen auch in direkter Zusammenarbeit mit Auftraggebern. Archaisches Handwerk trifft hier auf digitales Design: „Wir wollen keinesfalls einen romantischen, verklärten Blick auf die Vergangenheit sondern schöne Objekte für das Hier und Jetzt schaffen“, betont Rauch. „Wenn wir uns dabei der Vergangenheit bedienen, dann nicht aus dem Bestreben heraus sie zu konservieren, sondern mit der Lust, die Zukunft neu zu gestalten.“  2016 startete Karak mit einer Reihe von Aktivitäten so richtig durch. Heute werden von der Fliesenmanufaktur kontinuierlich neue Produkte entwickelt und Projekte abgewickelt, wie etwa mit meshit# für die Vienna Design Week 2017, und Öfen, offene Kamine, heiße Steine und Duschen in Oberlech, Böden in einem Bootshaus am Attersee, in Dublin und mittlerweile auch eine Küche im südafrikanischen Kapstadt verlegt. Karaks Zusammenarbeit mit Architekten und Kunden wird beständig ausgebaut. Der Entwurfsprozess für ein Projekt bleibt dabei immer individuell. Karak war u.a. Preisträger des red dot design awards 2012, LAVA Awards 2014 und Justus Brinkmann Förderpreises des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe. (Inter)nationale Messeauftritte und Ausstellungen sind geplant.

Portrait KARAG ©Foto: Vincent Ribbers

Sebastian Rauch, geb. 1984, Druckvorstufentechniker und Grafik-Designer, übernahm 2016 die Werkstätte seiner Mutter und zauberte daraus mit seinem Partner und Co-Geschäftsführer Thomas Rösler die Vorarlberger Fliesenmanufaktur Karak. Rösler, geb. 1985, ist gelernter Werkzeugmacher und Produktdesigner. Marta Rauch-Debrevec, geb. 1957, Keramikkünstlerin, legte den Grundstein von Karak und genießt nun ihren Ruhestand.

 

Portraitbild: © Vincent Ribbers

Titelbild: © Beat Bühler