Gebrian Versus und Arch Vader

Wer glaubt, gute Architekturkritik zu üben wäre einfach, irrt. Land auf, Land ab wird die Forderung nach präziser, aber kritischer Berichterstattung zur Baukunst gestellt, aber es ist und wird immer schwieriger, zu einem Gebäude oder einer stadträumlichen Situation Stellung zu beziehen. Meist sind ganze Legionen an Spielern mit unterschiedlichen Interessen an der Definition der Rahmenbedingungen und der politischen Aushandlung beteiligt und auch auf den Bau selbst üben viele verschiedene Kräfte Einfluss.

Von David Pašek

Architekten, die planen und gleichzeitig schreiben, berichten aus nachvollziehbaren Gründen tendenziell über gelungene Beispiele. Journalisten wiederum, die sich hauptsächlich der Architektur verschrieben haben, sind selten. Der Markt für diesen zunehmend marginalisierten Bereich ist also überschaubar. In Tschechien hat Architekturkritik es auch nicht leichter. Zwei Kritiker haben bemerkenswerte, sehr unterschiedliche Strategien entwickelt, um sich dieser Zwickmühle zu entziehen.

Der Kritiker Adam Gebrian hat Architektur in Liberec im Norden Tschechiens studiert und einen Postgraduate-Lehrgang am Southern Californian Institute of Architecture absolviert. Er sammelte wichtige Erfahrungen in einigen sehr prestigeträchtigen Architekturbüros, entschied sich dann aber dazu, sich nicht mehr entwerferisch zu betätigen und sich vielmehr der Vermittlung und Bewusstseinsbildung von Qualitäten in der gebauten Umgebung zu verschreiben: als Kritiker, Theoretiker und Propagator. Dabei hat er keinerlei Berührungsängste und eignet sich jedes Medienformat an, das eine geeignete Plattform bietet. Neben klassischen Artikeln und Diskussionsrunden tritt er bei Pecha Kucha auf, bespielt soziale Medien und nutzt auch mal das Radio. Laufend lädt er Architekten in seine Radioreihe bourani ein, was übersetzt in etwa “einreißen” oder “abbrechen” bedeutet. Dabei geht es ihm nicht primär um die Gebäude selbst, sondern um Barrieren und Vorurteile im Kopf. Eine Recherche ergibt überraschend, dass bourani weltweit die einzige Architektursendung im Programm eines öffentlich-rechtlichen Senders ist.

Gebrian versus

Auf stream.cz, der tschechischen Alternative zu youtube, produziert er mit seinem Team die Serie Gebrian versus, ein dokumentarisches Videoformat, das sich der Qualität der gestalteten Umwelt widmet und dabei sowohl die Reflektion auf der Detailebene als auch größere Zusammenhänge aufzeigt.


Gebrian Versus – Aktuell 13.500 Abonnenten und nahezu 20 Millionen Views zeugen von breitem Interesse. In öffentlichen Diskussionen zeigt sich, dass wichtige Inhalte ankommen, wie z.B. die Frage, wie prominent und wo Werbung platziert sein sollte. Man merkt, dass eine neue Sensibilität für Baukultur im Entstehen ist, insbesondere bei der jüngeren Generation.


In den ersten Folgen dieser Webserie waren allgemeine Phänomene kleiner und größerer Städte im Fokus: Es geht Gebrian versus um den Umgang mit historischem Erbe aber auch um Schnapsideen, wie monströse Betonblumentröge, mit denen etwa der fünfte Prager Bezirk begann, Gehsteige zuzustellen um den Straßenraum zu begrünen. Diese wurden dann in der ersten Folge von Gebrian versus thematisiert und im Rahmen einer Protestaktion als Planschbecken genutzt. Irgendwann wurden die Teile von den Behörden auf einer Abstandsfläche an der Peripherie entsorgt. Gedankenlosigkeit, Ignoranz und Wurschtigkeit in der Gestaltung öffentlicher Flächen findet Gebrian natürlich ausreichend genug – aber es geht ihm nicht um ständige Wiederholung, sondern um das Aufzeigen von Prinzipien und um geistige Haltung.

Für die aktuelle Staffel bereiste er mit seinem Team die Welt – von New York bis Kiew – immer auf der Suche nach Qualität in ikonischen Bauten und an Plätzen. Von den tschechischen Botschaftsgebäuden aus zeigt er Parallelen und Bezüge zu Situationen in seinem Heimatland auf und wirkt dabei so inspirierend, dass seine Sendereihe von Studierenden auch gerne mal parodiert wird. Gebrian engagiert sich auch als Lehrender an der privaten Prager Architekturschule Archip und am Prague Institute.

Arch Vader Fotomontage 1 ©Foto: Arch Vader

Arch Vader, eine geheimnisvolle Figur

Einen anderen Weg beschreitet eine geheimnisvolle Figur, die wie ein Phantom anonym Architekturkritik übt: Arch Vader, der Protagonist von Arch Wars, materialisierte sich laut eigenen Angaben aus der Dichte an architektonischem Blödsinn (oder fehlendem architektonischen Sinn) und der negativen Energie, die aus der ästhetischen und funktionellen Gestaltung öffentlicher Räume strömt. Die Figur ist bis ins kleinste Detail inszeniert und ein Pseudonym für jemanden, der in der Architektur sehr bewandert ist, selbst aber nicht öffentlich auftreten möchte, um seine Wut und Empörung auch weiterhin publik machen zu können.


“Ich habe viel zu viel Ärger und viel zu wenig Wut”, singt Dota Kehr in ihrem Lied Utopie und genau in diesem Sinne soll das Aufzeigen von Missständen Menschen sensibilisieren und so die Basis für bessere und bewusstere Lösungen legen.


Arch Vader verwendet Facebook als primäre Plattform und dokumentiert die beanstandeten Situationen mit Fotos und Fotomontagen mit Anleihen aus der Popkultur. In den sozialen Medien ist Arch Wars inzwischen eine Plattform, und die meisten architektonischen Horrorbeispiele werden von Fans eingesandt. Die geheimnisvolle Figur Arch Vader findet mit diesen Inhalten als Gast so auch Zugang zu Mainstream Medien, z.B. in TV-Diskussionsrunden. Die Anonymität erlaubt es ihm, seine Wahrnehmungen plakativ und unverhüllt zu zeigen, allerdings steckt in jedem Beitrag präzise Recherche einer Person, die wahrscheinlich selbst Architekt ist oder zumindest eine fundierte fachliche Ausbildung hat. Die Ästhetik der Videos zeugt von einer meisterhaften Beherrschung des Mediums und ist meist martialisch. Arch Vader produziert seine Videos aufwändig und wohl nicht alleine. Der geheimnisvolle Architekturkritiker verzichtet in seinen Animationen keineswegs darauf, konstruktive Vorschläge zu machen und bessere Möglichkeiten zu skizzieren, die er dann auf Youtube stellt. So beschäftigt er sich in einer Folge etwa mit einem bestimmten Straßenbahntyp, der in Prag verkehrt, seinem formellen Einfluss auf das Stadtbild bzw. seiner defizitären Funktionalität inklusive einer exakten Kostenaufstellung, die der Stadt und folglich dem Steuerzahler daraus erwächst.

Arch Vader Fotomontage 2 ©Foto: Arch Vader

Arch Vader Fotomontage 3 ©Foto: Arch Vader

Architekturkritik mit Fotos und Fotomontagen mit Anleihen aus der Popkultur / Fotos: © Arch Vader
 

Kritik aus der Anonymität hat aber auch ihre Tücken und insbesondere, wenn es um Stilfragen geht, entsteht manchmal das Gefühl, dass Arch Wars etwas über das Ziel hinaus schießt und persönliche Meinung als allgemeingültige Tatsache präsentiert.

Der materielle Aufwand für solche Produktionen ist enorm, und um zumindest einen Teil zu finanzieren, haben sich letztes Jahr viele Intressenten  an einer erfolgreichen Crowdfunding Kampagne von Arch Vader beteiligt: Die Entschädigung dafür war, neben der klassischen Tasse, einer Broschüre – und mit einem Augenzwinkern – auch der symbolische Erlass einer architektonischen Sünde, die ein Architekt in seiner kreativen Laufbahn je begangen hat. Arch Vader ermöglicht so auch eine anregende Schnäppchenjagd und vor allem ein ruhiges Gewissen!

Arch Vader Fotomontage 4 ©Foto: Arch Vader

Join the arch side of the war. 

www.facebook.com/Archwars
www.stream.cz/porady/gebrianvs

Titelbild: Der tschechische Architekt Adam Gebrian initiierte 'Gebrian versus', ein dokumentarisches Videoformat, das sich der Qualität unserer gestalteten Umwelt verschreibt – mit großem Erfolg! / Foto: © Janek Rubeš
Alle weiteren Fotos: © Arch Vader