Vom Kriegsrelikt zum Kleinod

Bunker-Architektur

Manche sind nicht zu übersehen. Verlassen stehen sie wie ein Monolith in der Landschaft, andere wiederum verschmelzen mit ihrem Umfeld, sodass sie kaum zu sehen sind: Kriegsbunker, Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg an der holländischen Wasserlinie. Das 50 000 Hektar große Gebiet wird auf einer Länge von 85 Kilometern von mehr als 700 Bunkern gesäumt. Land konnte entlang dieser Linie geflutet werden, um die Städte Muiden, Utrecht, Vreeswijk und Gornichem zu schützen. Nun werden sie neu genutzt.

Von JENNIFER LYNN KARSTEN

Mini-Haus von B-ILD
in Kriegsbunker

Bei Fort Vuren in den Niederlanden hat das belgische Architekturstudio B-ILD 2014 einen alten Kriegsbunker in ein Mini-Haus für vier Personen verwandelt. Von außen erinnert der Bunker, der von einem kleinen grasbewachsenen Hügel verdeckt wird, an eine Hobbithöhle. Der Eindruck verstärkt sich dadurch, dass das niedrige Gebäude zur Hälfte in der Erde steckt. Die Innenfläche misst insgesamt nur neun Quadratmeter, die Raumhöhe knapp zwei Meter. Um den Raum optimal zu nutzen, wurden alle Möbelstücke selbst entworfen und handgefertigt. Dabei orientierten sich die Architekten an Le Corbusiers kleinem Ferienhaus "Le Cabanon" (fr. die Hütte). Dieses bestand aus einer quadratischen Raumzelle von 3,66 Metern. Die zum Wohnen erforderliche Einrichtung entsprach den funktionalen Anforderungen einer Schiffskabine oder eines Wohnwagens. So auch hier. Jedes Möbelstück ist flexibel, kann gefaltet oder verschoben werden und hat eine Doppelfunktion. Stühle können als Nachttische, Kaffeetische oder Leitern benutzt werden.

Abschüssig und dunkel ist der Eingangsbereich. Durch eine Glastür betritt man den fensterlosen Innenraum. In einem kleinen Durchgang wurde in einer vorhandenen Nische die Küche untergebracht, angrenzend befindet sich der Wohn- und Schlafraum. Zwei Etagenbetten fassen den Raum ein. Hier treffen rohe Betonwände auf warme Holzmöbel. Die Terrasse im Außenbereich hat exakt die gleiche Fläche wie der Innenraum. Die Architekten wollten dadurch sichtbar machen, wie viel Platz durch die massiven Betonwände verloren geht.

RAAAF-Atelier-de-Lyon ©Allard Bovenberg
RAAAF
Bauherr: Stadt Culemborg / DLG (Niederländisches Ministerium für Land- und Wasserwirtschaft) Architekt: RAAAF / Atelier de Lyon
Ort: Diefdijk 5 - Highway A2
Bauende: 2010
Auszeichnung: Dutch Design Award 2011, Architectural Review Award 2013

Studios RAAAF –
Bunker in zwei Teile sägen
Radikaler gingen die Studios RAAAF und das Atelier de Lyon mit einem Bunker in der Nähe von Utrecht um, der sich ebenfalls an der Wasserlinie befindet. Das bereits 2010 fertig gestellte Projekt ist an der stark befahrenen Autobahn A2 gelegen und also gut sichtbar. Die Architekten wollten den Menschen eine neue Sichtweise auf ihre Umgebung offenbaren und schlitzten den anscheinend unverwüstlichen Bunker auf. Mit Hilfe einer Diamantenseilsäge wurde der Bunker in 40 Tagen in zwei Teile gesägt. Anschließend wurde ein breites Mittelstück von einem Kran entnommen, sodass dabei eine schmale Lücke entstand. Damit wird das Innere sichtbar gemacht.

Tagslicht erhellt jetzt den fensterlosen Raum und eröffnet neue Blicke in den ehemals verschlossenen Monolith. Der Bunker ist nun Teil einer öffentlichen Wegstrecke und nach außen erschließbar. Betonstufen führen von der Straße durch die Spalte des Bunkers hindurch, und von einem Deich kommend endet der Weg in einem Steg über einem künstlich gefluteten See.

Foto: Tim Van de Velde