London East End – Umspannwerk von Nord Architecture Brick ‘12

"In China glauben wir an die Philosophie von Yin und Yang, welche besagt, dass die Welt von  zwei Prinzipien geformt wird, die im Gegensatz zueinander stehen. Meiner Ansicht nach trifft diese Logik auch auf einen guten
Entwurf zu, dessen Einfachheit jedoch von reichem Inhalt und
tiefer Bedeutung zeugt..."
—Zhang Lei

Der Schotte Alan Pert von Nord Architecture holte sich für sein Umspannwerk auf dem Olympiagelände im Londoner East End den Brick Award 2012 in der Kategorie Nicht-Wohngebäude. Zurückhaltende Architektur schlägt mühelos die Brücke zu Funktion und Langlebigkeit.

Bei einem Umspannwerk denkt zunächst kaum jemand an Architektur – eher an überdimensionierte Trafos, Unmengen an Kabeln, Stecker und für den Laien unüberschaubare Kraftzonen mit einem gewaltigen Energiepotential. Die unterschiedlichsten Spannungen werden miteinander verbunden: eine zufällig passende Metapher für das Umspannwerk der Olympischen Spiele – die zugleich der Anlass für den Neubau des Gebäudes zur Stromversorgung aller Infrastrukturbauten und sonstiger Gebäude waren.
     Das schottische Architekturbüro Nord erhielt im Rahmen eines Wettbewerbs den Zuschlag für das Projekt und löste die Aufgabe bravourös: mit einer schlichten Ziegelfassade, ganz in Dunkelgrau und einer einfachen Bauweise – die sich bewusst von der spektakulären Formenvielfalt der Sportstätten abhebt.

Umspannwerk ©Explicit Architecture
     Der Wienerberger Brick Award 2012 zeichnete ihn dafür aus. „Die Jury hält das Projekt aufgrund seiner äußerst klaren Idee und der perfekten Ausführung der Ziegelfassade für sehr gelungen“, erklärt Jurymitglied Zhang Lei. Das Umspannwerk bekennt sich klar zu seiner Nutzung als Industriebau, kann jedoch auch als skulpturales Bauwerk in den Grünräumen Londons verstanden werden. Hierzu trägt die Verwendung dreier unterschiedlicher Texturen bei, die für eine abwechslungsreiche Oberfläche mit interessanten Licht- und Schattenspielen sorgen. Gestaltprägend ist der Kontrast zwischen massiver Sockelzone – in einfachem flämischem Verband – und den Perforationen im oberen Teil der Mauer, die durch Aussparungen entstehen. Sie dienen der Belüftung der Transformatoren und der dazugehörigen Kühlanlagen. Bei Nacht werden die oberen Bereiche der Fassade von hinten beleuchtet und verwandeln das Umspannwerk in einen beeindruckenden, weithin sichtbaren Orientierungspunkt.

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Der Ziegelbau soll als Anlehnung an die traditionelle Ziegelbauweise in England verstanden werden. Für Architekt Alan Pert spricht eine ganze Reihe von Qualitäten für das Material Ziegel – diese reichen vom historischen und physischen Kontext bis zu den Anforderungen in der Projektvorgabe. Das Projekt verfügt über eine natürliche Logik in Bezug auf seine Struktur, einen modularen Aufbau, seine Verbindung und das Verständnis, wie es hergestellt und konstruiert wurde – das alles als Anspielung auf die Geschichte der Umgebung. Der Architekt zeigt sich begeistert über die gestalterische Qualität des Ziegels: „Wir verwendeten Ziegel in unterschiedlichsten Teilen des Gebäudes und erweiterten auch die Einsatzmöglichkeiten, wie zum Beispiel für den großen Screen, als lastabtragende Wand, als Oberfläche, aber auch als Dach etc.“

Brick12 ©Brick12
     Nord Architecture ist bekannt für seine einzigartigen Lösungen. Interdisziplinär arbeiten ist für Pert wichtig – dies zeigt auch sein breites Leistungsspektrum, das über Ausstellungsdesign, Produktdesign bis zu kuratorischen Tätigkeiten oder auch Grafik-Design u. a. reicht. Pert will mit dem Umspannwerk Schwere und Beständigkeit ausdrücken – auf einem Platz, an dem ursprünglich nur temporär tatsächlich etwas passierte. Doch die Umgebung rund um den Olympischen Park wird zu einem neuen Stadtrand-Wohngebiet und dafür wird die Stromversorgung weiterhin dienen.

AUSGEtÜFtEltER ENtWURF

Seine ersten Entwürfe konzentrierten sich sehr auf das Thema Nachhaltigkeit. Im Kontext der Umgebung zu reagieren, war von Anbeginn sein Ziel. Er baute zahlreiche 1:1-Modelle und führte lange Diskussionen mit Ingenieuren und Maurern – auf der Suche nach der besten Art und Weise, wie die unterschiedlichen Elemente zusammenspielen können. Ursprünglich sollten alte Abbruch-Ziegel verwendet werden. Belastungstests ergaben jedoch, dass sie den tragwerksplanerischen und brandschutztechnischen Anforderungen nicht standhalten würden.
     Die bereits vorhandene, grobe Rahmenplanung gab einige technische Notwendigkeiten bereits im Vorfeld des Wettbewerbes vor, bezüglich Materialien hatten die Architekten jedoch freie Hand. Der ursprüngliche Entwurf von Pert basierte auf einer Vielzahl von unterschiedlichen Materialien, die im Planungsprozess verfeinert wurden. Bei einer hoch- technischen, elektrischen Verteilerstation gibt es viele Aspekte, die nicht verhandelbar sind – wie zum Beispiel, dass Transformatoren einen bestimmten Platzbedarf haben, belüftet werden müssen, aber natürlich auch eine Vielzahl an Sicherheitsaspekten, die grundlegend waren. Das Gebäude ist gestaffelt nach seinen unterschiedlichen Funktionen. Ziegel wurden auch außerhalb des Gebäudes eingesetzt, um die umliegende Fläche zu gestalten, die den Eindruck von Masse und Beständigkeit unterstützt.
     In Zusammenarbeit mit Ingenieuren gelang ein realisierbarer, funktionaler und zugleich schlichter Bau. Letzteres war Pert besonders wichtig: „Wir wollten mit unserem Projekt nicht die Nachbarn in den Schatten stellen – sondern entsprechend der Funktion bzw. im Kontext mit weiteren Infrastrukturgebäuden die Aktivitäten der Region unterstützen.
Das Ergebnis ist ein sehr klares, feinsinniges Gebäude, von dem wir hoffen, dass es sich außer als reines Funktionsgebäude auch als Architektur behaupten kann.“
     Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Wirtschaftlichkeit. Auch diesbezüglich zeigte sich Pert vom Ziegel überzeugt, denn mit diesem Material konnte sich der Bauherr sowohl auf die Kosten als auch den Zeitplan verlassen. Das ambitionierte Sicherheitskonzept bestätigte darüber hinaus die Materialauswahl.

Text: GISELA GARY

QUER in Zusammenarbeit mit Wienerberger