Von Weltraumhotels und Mars-Visionen

Die ganze Welt blickt zum Roten Planeten. Die nächste US-Mission ist beschlossen, die bemannte Mars-Mission erklärtes Ziel bis 2030. Doch wie weit ist die Technik und was kommt auf uns zu? Jana Reiter sprach mit Weltraumarchitektin Barbara Imhof über das Leben in Mars-Höhlen, was Touristen im All treiben und warum Roboter uns nicht ersetzen können.

Durchs Fenster den einzigartigen Blick auf die Erde genießen. In einen Anzug schlüpfen und eine Runde im All spazieren. In einer Wasserblase in der Schwerelosigkeit planschen. Einfach dasitzen und im Orbit um die Erde kreisen. Dies könnten Weltraumhotels bald möglich machen. Die Transhab- Technologie, deren Rechte Bigelow Aerospace von der NASA erwarb, befindet sich bereits in der Testphase für den zweiten Prototyp. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes „inflatable habitat“. Geschützt in einer Rakete fliegt es ins All, faltet sich auf, die Rakete fällt ab und schon schwebt man im Orbit. Unternehmen wie Virgin Galactic werden den Flug dahin ermöglichen. Die körperliche Belastung sei kaum höher als bei einer Fahrt mit der Hochschaubahn. Die technischen Probleme, die es bis dato gibt, könne man alle problemlos überwinden. Das Einzige, das dem menschlichen Traum vom Reisen ins All noch im Weg steht, ist die Sicherheit, also einen sicheren Start und eine sichere Landung zu gewährleisten, erklärt Barbara Imhof.

     ARCHITEKTUR FÜRS EXTREME
Barbara Imhof ist Weltraumarchitektin. Auch sie selbst tut sich nicht leicht, ihren Beruf zu veranschaulichen: „Man beschäftigt sich mit Architektur, mit Räumen, die für extreme Umwelten geplant werden. Die extremsten Umwelten, die wir kennen, sind jene, die mit dem Weltraum zu tun haben.“ Da gäbe es zum einen die Arbeit im erdnahen Orbit in der Internationalen Raumstation ISS und mit der Schwerelosigkeit. Dort könne man Interfaces oder Möbelstücke entwickeln oder auch Weltraumhotels planen. Etwas weiter in die Zukunft gedacht, aber in einem Zeitrahmen der nächsten 50 Jahre durchaus denkbar, seien dann die Arbeiten hinsichtlich Exploration, also etwa das erste Mal zum Mars zu fliegen. Aber es könne auch noch einen Schritt weitergehen, so Imhof: „Das hätte dann mit wirklicher Besiedelung zu tun, also permanenter Basis. All das, was man im Moment vielleicht auch dem Bereich der Science-Fiction zuordnet.“

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     MENSCH ODER MASCHINE
Ob die menschliche Exploration eine Notwendigkeit ist oder Roboter dies allein übernehmen können, darüber gehen die Meinungen auseinander: „Ich glaube daran, dass beides notwendig ist. Das, was uns Menschen ausmacht, dieser Erfindergeist, diese Kombinationsgabe, etwas zu sehen und sofort zu verarbeiten – solange Roboter das nicht können, kann man Missionen nicht nur robotisch durchführen.“ Barbara Imhof und ihr Büro Liquifer haben bereits einiges auf diesem Gebiet entwickelt. Der „Rover for Advanced Mission Applications“ etwa stellt eine Art Wohnmobil für eine bemannte Mission dar. Er ist Büro, Wohn- und Forschungsraum in einem. So ein mobiles Modell könnte in der nahen Zukunft auch Anwendung finden. Auf die Frage, was aus RAMA eigentlich geworden ist, erklärt Imhof: „Eine nächste Phase könnte nun sein, dass man eine Art Simulation macht. Es geht da nicht so sehr darum, dass ein Projekt irgendwo hinführt, sondern, dass das ein Schritt zu einem nächsten Projekt ist.“ Daran wird auch schon gearbeitet: ein automatisch auffaltbares Habitat, robotisch aktuiert, zu Simulationszwecken für eine Mars-Mission vielleicht.

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     Auch an sogenannten Surface-Habitaten hat sie schon gearbeitet: „Diese Oberflächen-Habitate haben wir für Weltraumbehörden entwickelt. Das ist meistens im Kontext von Studien mit einem Gesamtszenario, also von hier zum Mars und zurück. Es sind Studien, um herauszufinden, wie das Szenario ausschauen muss, was funktioniert.“ Was hier so vage und nach entfernter Zukunft klingt, ist in der Praxis schon sehr weit: „Es fehlen ein paar essenzielle Technologien, aber, wollte man das, könnte man natürlich zum Mars fliegen. Oft ist das mehr eine politische als technologische Angelegenheit“, ergänzt Imhof. Und auch wenn außer Frage stünde, bereitwillige Menschen zu finden, die ein One-Way-Ticket zum Mars nehmen, so wäre in diesen Szenarien ein Rückflug stets miteinkalkuliert. Die Technik allein mache aber eine bemannte Mars- Mission noch nicht möglich. „Die Politik muss die Entscheidung treffen, eine solche Mission zu finanzieren“, erläutert Imhof. Außerdem müsse es eine internationale Kooperation sein, da der Weltraum nach dem Outer Space Treaty niemandem gehöre.

     PLANEN FÜR DAS UNBEKANNTE
Auch die Erde hat so manch unwirtliche Gegend zu bieten, in der man ideal trainieren kann. Außerdem sei der Mars der Erde relativ ähnlich: mit dem Tag- Nacht-Zyklus von 25 Stunden, den Jahreszeiten und einer verringerten Schwerkraft. Die Atmosphäre allerdings lasse es nicht zu, ohne einen druckdichten Anzug hinauszugehen. „In der Antarktis kann man auch nicht einfach die Tür auf- und zumachen. Man muss sich bei –60 Grad im Winter etwas anziehen und darauf achten, dass alles passt, dass man alles dabei hat. Es ist in dem Kontext relativ ähnlich, wie wenn man sich auf einen Wechsel zwischen einem Innen- und einem Außenraum vorbereitet“, stellt Imhof ihren Zugang dar. Die 1/3-Schwerkraft könne man hingegen gut unter Wasser simulieren. Grundsätzlich gilt: Ein Gesamtszenario ist zu aufwendig, Einzelaspekte lassen sich gut simulieren.

     Auf dem Mars zu leben wäre demnach möglich. Durch die dünne Atmosphäre sei zwar die Hintergrundstrahlung gefährlich, aber man müsse nur wissen, wie man sich die natürlichen Gegebenheiten zunutze macht. So gäbe es etwa tiefe, lange Schluchten, in die man Höhlen bauen und durch Überdachung einen großen öffentlichen Raum herstellen könnte. Aktuell gäbe es aber dennoch keine Siedlungsprojekte in diesem Maßstab. Keine Stadtbauprojekte. Es gab schon die eine oder andere Vision, aber die seien den Menschen mit der Zeit ein wenig abhandengekommen. „Aber das kommt jetzt langsam alles wieder“, davon ist Imhof überzeugt.

Text: JANA REITER