Gespräche Teil 3

Das urbane Gefühl


HENKE   Wenn du jetzt die Großfeldsiedlung zitierst, das war damals ein internationales Phänomen.

LAINER   Ich wollte „Rennbahnweg“ sagen!

HENKE   Das waren damals andere Gedanken, raus aus diesem Block-Raster, den engen Höfen, raus ins Grüne! Große Freiräume. Das hat nicht funktioniert, weil es nicht urban ist. Ich glaube schon, dass es immer Wellen gegeben hat, wie es sie in 50 Jahren gibt. Und wenn wir jetzt den Blockraster am Nordbahnhof diskutieren, frage ich mich, ob ich nicht lieber in den Zeilenbauten der 1960er Jahre im 10. Bezirk wohne, nicht wie da in einen Block hineingezwängt.

HENKE zu Quer   Weil Sie vorhin gefragt haben: „Was ist Urbanität?“ Das ist keine Gebäudedichte, sondern Lebensdichte. Das ist das Grundproblem im Städtebau, dass wir es nicht mehr schaffen, weil immer nur monostrukturelle Quartiere entstehen, da werden einfach nur Wohnbauten gebaut. Das ist keine Lebensqualität, das ist das Problem.

PRIX   Das sind keine Zufälligkeiten. Es ist rigid. Wo ist der ursprüngliche Masterplan? Ob das jetzt Blockrandbebauung war oder nicht. Gibt es eigentlich neue Instrumente? Also, wenn ich höre, dass das 19. Jahrhundert das letzte ist …

LAINER   Ein Gastgeschenk.

PRIX   … ich wollte nur sagen, dass das das erste parametrische Stadtmodell war.

BINDER  Bei den einzelnen Liegenschaften gab es keine kommunalen Bauträger. Parzellen im Gründerzeitblock sind in der Regel zwischen 300 und 500 Quadratmeter groß. Damals war klar, dass einer, der ein kleines Geschäft aufgemacht hat, davon auch leben konnte. Leben von einem Kleinbetrieb kann man in der heutigen Zeit wohl in den seltensten Fällen. Daher entstehen heute im Erdgeschoßbereich fast keine Kleinbetriebe mehr. Das war in der Gründerzeit eine selbstverständliche, gesellschaftliche Gegebenheit … 

QUER   Aber grade in Barcelona funktioniert das …

BINDER   Das ist ein südländischer Raum und man muss schauen, wie weit sie in der Entwicklung sind, ob sie auch in zehn Jahren wettbewerbsunfähig sind oder zumachen müssen … Es gibt immer wieder die Vorstellung, Erdgeschoße multifunktional, urban zu füllen, aber ein „Zurück in das urban pulsierende Leben der guten alten Zeit“ erscheint mir oft als eine zu glorifizierte Sehnsucht.

HENKE   Aber vielleicht muss man das fördern, wie wir den Wohnbau fördern – letztlich wollen wir ja etwas erreichen.

BINDER   Es ist zu erwarten, dass die öffentliche Hand fundamentale Verpflichtungen, wie auch Bildung und steigenden Bedarf an Wohnraum, vermehrt absichern wird wollen/müssen, und für die Belebung von Erdgeschoßzonen wenig Geld übrig bleiben wird.

HENKE   Der Wohnbau wird ja immer teurer mit all den Vorschriften. Die sollen wirklich einmal einen billigen Wohnbau starten, einen Wettbewerb machen, wo wir Architekten befreit von dem ganzen Ballast an hypertrophen Vorschriften einen leistbaren Wohnbau hinstellen können. Und dann kann ich dir beweisen, dass wir da vielleicht eine freie EDG-Zone zusammenbringen, wo sich junge kreative Leute, Greißler oder Klein­gewerbetreibende einnisten können.

LAINER   In Paris, und das hat in den 1960ern, 1970ern begonnen, wurde das Konzessionsrecht geöffnet für die Migranten, die ihre ganz kleinen Geschäfte machen, überall in der Stadt. Die großen Ketten haben normale Öffnungszeiten und am Wochenende zu. Die Migranten haben offen, auch die Bäcker.

QUER   Bis ein Uhr morgens …

LAINER   Darum gibt es in Paris so eine Dichte an Greißlern, ganz egal, ob im 16. Bezirk, im Nobelbezirk oder in Belleville … es gibt die überall und das war eine Entscheidung der Stadtverwaltung, eine differenzierte Infrastruktur anzuregen, die kleinteilig die Viertel bereichert …

BINDER   Wenn das Ganze auch konkurrenzfähig sein soll, muss man den immensen, oft inhumanen Zeitaufwand und den damit resultierenden geringen Stundenlohn von den Kleinen auch sehen!
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LAINER   Wenn wir nicht ausprobieren, Entwicklungszonen zu schaffen in EDG-Zonen … Wenn ich sage: „Du machst eine Entwicklungszone im Erdgeschoß, gibst es um vier Euro her, dafür kriegst noch ein Penthouse drauf oder ähnliches …“, dann geht das, die Modelle gibt es. Und warum funktioniert es nicht? Das ist eine politische Frage. Da fehlt es an Fantasie, an Mut, mit ganz geringem Aufwand Strukturen zu verändern. In der Stadtplanung gibt es genügend Leute, die das gerne machen würden, die neue Wege suchen wollen. Es gibt keine politische Vision, wie ich sie oft erhofft und erwünscht habe, die uns einen Schritt weiter bringt.

PRIX (zu Binder)    Aber ich sage dir: Wenn du meinst, dass wir billiger werden müssen, dann ist die Chance für den kleinen Greißler, der billiger ist, oder für die kleine Reparaturwerkstatt, die es ja schon gibt, nicht gegeben. Ich würde dort auch nicht in diese Unwirtlichkeit ziehen mit einem Geschäft. Die Leute hasten vorbei …

HENKE   Wenn ich so drüber nachdenke, habe ich einige gute Beispiele im Hinterkopf, wie z.B. die Wohnquartiere in London, geplant von GLC (Greater London City Council) aus den 1960er, 1970er Jahren, diese Backsteinbauten mit ihren großen begrünten Innenhöfen. Es gibt die nötige Infrastruktur; aber es ist auch nicht so, dass das ganze Erdgeschoß Geschäftszone ist und trotzdem ist es attraktiv, dort zu leben.
    Was es ausmacht, ist das unterschiedliche Angebot an Wohnungstypen bis hin zu Duplex-Wohnungen, erschlossen mit großzügigen Laubengängen als Begegnungs- und Kommunikationszonen und dem jeder Wohnung zugeordneten Freiraum und den kultiviert gestalteten Außenräumen mit hoher Aufenthaltsqualität. Das ist eine ganz andere Art von Wohnbau, die zeigt, was man städtebaulich erreichen kann.
    Ganz anders ist die Praxis in Wien. Da gibt es vorab meist einen städtebaulichen Wettbewerb. Dieser wird gewidmet, meistens in der Dichte etwas hochgezahnt und für die Bauträger parzelliert. Dadurch entstehen Bebauungen, meist ohne städtebaulichen Zusammenhang.

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LAINER   Was wichtig ist für Räume und das Beleben von Erdgeschoßzonen, da gibt es italienische oder historische Städte, in Paris oder Italien, da ist die Höhendifferenzierung ganz wichtig. Eine niedere Mauer mit einem Garten dahinter, dann brauchst du für die Lebendigkeit der EDG-Zonen nicht einmal Geschäftln oder so, aber du hast unterschiedliches Licht, unterschiedliche Oberflächen. Also, ein Punkt, den wir in allen Neubaugebieten nicht realisieren, ist eine fehlende Differenzierung der Volumina und Zwischenräume, auf der anderen Seite die fehlende Gleichwertigkeit des Umgangs mit Zwischenraum. Alle Volumen im Neubaugebiet sind relativ gleich hoch, stehen entweder nahe oder isoliert, aber Differenzierung ist etwas, das, glaube ich, Raum stimulieren könnte … 

PRIX   Gibt es eigentlich eine Stadtplanung mit einem klaren Stadtbild als Vorstellung?

HENKE   Das glaube ich nicht.

BINDER   Es gibt keine Stadtplanung, sondern nur eine Stadtentwicklung.

DUNKL   Um noch einmal darauf zurückzukommen, das Merkwürdige ist doch, da gehe ich durch den
ersten Bezirk, durch die Naglergasse, Mann an Mann gedrängt, Laden an Laden, wo du es nirgends in einer Widmung haben könntest. Alle die gleiche Simshöhe, das ist lebendig, das ist urban, das funktioniert sogar, wenn du das heute in einem Neubaugebiet planen würdest. Die Naglergasse: völlig verrückt, viel zu eng, viel zu dicht! Woran liegt das?

BINDER   An der Lage.

DUNKL   An der Lage alleine?

BINDER   Man akzeptiert in wirklich zentralen, in der Regel auch belebten Lagen andere Gegeben­heiten, wie etwa ein enges vis-à-vis à la Naglergasse. Ein Betrieb, der in den innerstädtischen Bezirken ein eigenes Gebäude sucht, wird sich kaum um einen Standort in der Seestadt Aspern bewerben. Wo haben wir denn die Büros? Wer siedelt denn raus in die Großfeldsiedlung und macht dort ein Büro auf, trägt in Stadtrandlagen zur Urbanität bei? Ich fürchte, dass das engagierte Ziel der postulierten intensiven Mischnutzung in der weiter draußen liegenden Seestadt Aspern mit einem noch schwächeren Hinterland nicht erreicht werden kann, auch in vielen Jahren nicht!

LAINER   In den Pampas, irgendwo.

BINDER   Man kann in den Pampas nicht pulsierende Stadt machen, und schon gar nicht über Nacht!

PRIX   Wenn es aber kein Bild gibt, wenn das nicht wichtig ist: Wie kommt dann einer auf die Idee, mitten in die Pampas einen See zu pflanzen und zu sagen: „Das ist die neue Stadtentwicklung“?

ANDRÁS PÁLFFY, JABORNEGG & PÁLFFY   See ist für mich noch eine sehr elegante Etikettierung, denn bei mir entsteht dazu vielmehr die Assoziation Baggersee, und dieser Typus einer Siedlungsform ist ja entlang der Stadtgrenze durchaus eine vertraute, häufige Größe. Gemeinsam ist all diesen Satelliten der Aspekt der Introvertiertheit, die sich konzentriert um eine künstliche Wasserfläche anordnet und der restlichen Welt den Rücken zeigt. So gesehen bleibt für mich die Seestadt Aspern ein außerordentliches Fragment, das obendrein gerade die urbanen Muster wieder aufnimmt, über deren Zuschnitt man sich jahrzehntelang hinweg beklagt hat. Dieser Akzent an der Peripherie löst kein Bild ein. Wenn wir schon über ein Bild sprechen wollen, dann hat es eine Kontur, einen Abschluss zu seinem Umfeld. Löst sich die Stadt an dieser Stelle auf, wird sie dispers, dann gilt das für das ländliche Umfeld im selben Maße. Keiner von beiden Bereichen funktioniert mehr an dem Übergang, der mit einem suburbanen Szenario ersetzt wird, gleich einer Ablage zwischen zwei unterschiedlichen räumlichen Kategorien.
    Innerhalb des eigentlichen Bildes gilt es, städtische Struktur mit all ihren konstituierenden Parametern weiterzuschreiben, jedoch mit einer völlig anderen Vorstellung von Dichte. Jenseits des Stadtrandes etabliert sich mit einer entsprechenden, verbindenden Infrastruktur ein Einzugsgebiet aus dörflichen Strukturen, das potentiell in einer Wechselbeziehung zu seinem städtischen Umfeld steht. Es sind gerade auch diese Zonen, die zunehmend an Attraktivität gewinnen und noch gewinnen werden. Die Rechnung dazu ist sehr einfach und weit entfernt von wirtschaftlichen Gewichtungen, wie sie in der Bodenpolitik der Stadt praktiziert werden. Der Grundstückspreis per Quadratmeter in Mödling wird sich wahrscheinlich zwischen 150–300 Euro, 20 Minuten südlicher um die 30 Euro bewegen. In letzterer Kategorie, und wahrscheinlich abnehmend noch südlicher, ist der wirtschaftliche Druck auf ein Grundstück wesentlich geringer, für sämtliche Wohnformen ökonomisch attraktiver. Über diese wirtschaftliche Entlastung führt der Weg aber auch zu einer erschwinglichen Wohnqualität, wie sie im städtischen Raum oft für viele nicht mehr möglich ist. Das Bild einer Stadt, vor allem deren Zukunft, sehe ich sehr wohl im großen Maßstab dieser Wechselbeziehung, die nicht neu ist, sich aber wesentlich erweitern wird.

Das Verhältnis zwischen Zersiedelung und Suburbanität wird uns bestimmt in den nächsten Jahren noch erheblich beschäftigen.

Individualität als Seestadt oder Eigenheim wird in seiner Wiederholung keine Antwort dazu sein, das ist zu redundant und bildhaft, lässt dahinter keine langfristige Perspektive erkennen, die einem Bild gerecht werden kann. Das ist für mich ein offener Punkt.


THOMAS JAKOUBEK, VORSTAND WED /BAI   Der Baggersee ist für mich eigentlich ein Ausdruck des Versagens.

PRIX   Hat die Politik ein Bild von einer Gestalt oder ist das prozesshafte … ?

MICHAEL HOFSTÄTTER, PAUHOF   Besser ist es, wenn Politik und Stadtverwaltung keine konkreten Gestaltvorstellungen für die Stadträume haben. Kontrolle und ästhetische Zensur würden sich für uns Architekten noch verschärfen. Es braucht aber ein leidenschaftliches Bekenntnis zur Stadt, zum öffentlichen Raum als gesellschaftlicher Ort der Freiheit. Wenn wir von einer neuen Stadtidee, von neuen Wirklichkeiten reden, sprechen wir von etwas Zukünftigem, und das heißt auch, dass wir noch keine klaren Bilder von diesen Wirklichkeiten haben, bestenfalls eine Ahnung davon.

HOFSTÄTTER   …  Noch scheint es in Fragen der Architektur und des Städtebaus kein wirkliches Gefühl für eine originäre Gestaltung zu geben, die so universell ist, dass sie auch für die Zukunft anschlussfähig bleibt. Globalisierung, Grundstücksspekulationen und Investorenverhalten führen zur kapitalistischen Dressur des Stadtraumes, und der kurzfristige ökonomische Erfolgszwang verschärft die urbanistische Krise. Dagegen setzt die Politik mit ihren bürokratischen Institutionen, mit ihren Kontroll- und Bestrafungszwängen vermehrt auf gesetzliche und moralische Kondi­tionierung des Bürgers. Disziplin und Vernunft als Traum des urbanen Zusammenlebens einerseits und reine Kapitalinteressen bei der Verwertung des Stadtraumes andererseits ergeben aber noch keine interessante, international orientierte Stadt.

Müsste es nicht für mündige Bürger ein Recht auf Stadt geben, in der die gesellschaftliche Praxis mit der stadträumlichen Praxis korreliert, in der Urbanität erdacht, erfahren und erlebt werden kann?

Neben den geplanten Bezirken mit funktionierenden, vitalen öffentlichen Räumen, braucht die wachsende Stadt auch informelle Zonen, sozusagen eine Abwesenheit von Urbanität, um Zuwanderungsgruppen Raum zu bieten, um deren Integration erst zu ermöglichen. In Istanbul sind das die Gecekondus, über Nacht gebaute, illegale Siedlungen ohne erkennbare Ordnungsprinzipien. Inzwischen gibt es Anzeichen einer für das Stadtganze positiven Verschmelzung mit nachträglichen Infrastrukturergänzungen. In Wien übernehmen diese Aufgabe (Funktion) meist die ehemaligen Integrationsbezirke mit der robusten Baustruktur der Gründerzeit.

PRIX   Aber trotzdem nicht New York. Wenn ich zusammenfassen müsste, was in Wien so Stadtbild, Stadtplanung ist, habe ich nichts Spektakuläres im Kopf. Da ist das Problem der Erdgeschoßzonen und dass es politisch wahnsinnig schwer ist, Räume zusammenzubringen.

QUER   Und dass es an Fantasie fehlt. An räum­licher Fantasie.

LAINER   Der Mut, den Bebauungsplan umzuinterpretieren, dass das möglich ist, das ist diese instrumentelle Fantasie, wo man sagt: „Ich überschreite alle Grenzen und mache, was in dem Sinn möglich ist.“ Aber meistens macht eine Jury in die Hose, anstatt zu sagen: „Wir bringen jetzt etwas, was nicht ganz so möglich ist!“, aber die Verwaltung überlegt sich übers Wochenende: „Wie kann es anders doch noch möglich sein?“

DUNKL   Es geht offensichtlich darum, dass man, wie beim Centre Pompidou, ganz klar festgeschrieben hat: Das Kulturzentrum darf nicht größer sein als der Rest von Paris. Fünf Projekte haben es viel höher gemacht, und die Jury war mit Jean Prouvé und Oscar Niemeyer so stark und hat gesagt: „Das nehmen wir! Das ist zwar gegen alle Regeln, aber das nehmen wir!“

PRIX   Dass das dann gemacht worden ist … Das ist dann aber auch in der Haltung so ähnlich gebaut worden!

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Weißt du (zu Henke), was mir bei der Diskussion für das Wien Museum gefallen hat? Ich glaub’, das war der Hofmann, der gesagt hat: „Wenn man an die Zukunft denkt, erweitert sich Wien in den nächsten 50 Jahren enorm. Dann wird der Hauptbahnhof mit zum Zentrum gehören.“ Daher war er für das Museum am Hauptbahnhof.

DUNKL   Die Frage ist, was das Wien Museum für die Stadt und die Stadt für das Wien Museum tun kann.

HENKE   Aber wir kennen doch die Diskussion.

PRIX   Na gut, wir sind jetzt wieder im Wiener Wald!


HENKE   Nein, im Schweizergarten. Wenn schon in der Nähe des Hauptbahnhofes, dann im Schweizergarten, wo die D-Wagen-Schleife bleiben muss, obwohl man sie nicht mehr braucht, da der D-Wagen zukünftig ins Sonnwendviertel weitergeführt wird … 
    Darüber hinaus hätte das Wien Museum die angemessene Präsenz, einen Ort, von dem man die Stadt auch sieht, nicht nur ausstellt. Im Sinne der angedachten Kulturachse „Karlsplatz – Belvedere – Museum des 21. Jahrhunderts“ wäre das sicherlich die überzeugendere Lösung.

PRIX   Im Detail … ja, ja, das ist schon richtig. Aber die Idee, dass man so denkt, hat schon was für sich. Wir kriegen pro Jahr so und so viele Leute mehr, da wird in 50 Jahren der erste Bezirk nicht mehr das Zentrum alleine sein. Der Gürtel ist dann ein Ring … Wisst ihr, dass in London, also in England, das Building Information Modelling als Pflicht für die Architekten für öffentliche Bauten eingesetzt wird? – Die neue Planungsmethode, das totale Erfassen eines Gebäudes. Du wirst dich nur mit dem Nachweis, dass du das be­her­rscht, bewerben können, dass da nicht ein Hausmeister herumfuhrwerken kann, wie er will. Was hätte ich noch: Wetten oder Bewerb? Haben wir eh schon!

HENKE   Meiner Meinung nach müsste man die Bauträgerwettbewerbe überdenken, das hat anfangs gut funktioniert, jetzt hat sich’s totgelaufen …

DUNKL   Verändern, reformieren! Wie können wir versuchen, die Jungen hinein zu holen? Ganz klar, nicht nach Kriterien der Statistik, sondern der Qualität. Jetzt werden schon Jurys statistisch besetzt … Ich verstehe auch, dass man Verfahren macht, nicht einen reinen Wettbewerb, sondern Stakeholder wochenlang zusammensetzt. Ob da die radikaleren Projekte rauskommen, kann ich auch nicht sagen. Da werden alle … da wird alles glatt gebügelt, bis keiner mehr dagegen ist, das ist ganz schön gefährlich.

LAINER   Wir brauchen andere Verfahren. Wettbewerbe in Wien sind kein effizientes Verfahren, da kommt meistens das kleinste gemeinsame Vielfache heraus. Außer bei irgendwelchen exzeptionellen Sonderfällen, wo das Zusammentreffen von besonderen Jurymitgliedern, Vorsitzenden in einer fantasievollen Verwaltung passiert. Das sind Sternstunden, das gibt es vier, fünf Mal in den letzten Jahren. Andere Formen von Verfahren, viel kompetitiver, mehr Radikalität erlauben … insofern ist die Art des Verfahrens, beispielsweise beim Eislaufverein, wo man 50 Leute hat, ein Totreden des Projekts …

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HENKE   Jede Problemstellung hat ihr eigenes Verfahren. Ich finde, man sollte etwas differen-zierter bei der Wahl der Verfahren vorgehen. In sehr speziellen Fällen sollte auch eine Direktvergabe möglich sein … Natürlich ist es manchmal nicht so einfach, wenn man sich jemandem kollegial verbunden fühlt. Aber – das gilt für Marta und für mich – das ist uns wurscht, wer da hinter welchem Projekt steht, wir jurieren nach bestem Wissen und Gewissen.

PRIX   Genau … ob der so heißt oder so!

BINDER   Ich kann dir nur zum Teil Recht geben. Nicht alle in der Jury agieren so …

DUNKL   … Eines der schönsten Projekte in der nächsten Zeit in Wien ist Zaha Hadis Bibliothek (Campus Wien, Anm.), ich habe sie mir angeschaut. Spannend!

DUNKL   Das Erdgeschoßmanagement. Wie du gesagt hast, wir trauen uns zu wenig … Das ist europäisch. Das muss ja nicht kubanisch sein. Und sagen: „Das ist jetzt experimental! Schauen wir uns an, was rauskommt!“

PRIX   Wenn die Kubaner die Bewohner hier wären, das wäre was!

DUNKL   Ich red’ jetzt von europäisch …

PRIX   Die Geschichten aus dem Wiener Wald!

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