Außenposten der Menschheit
Eine neue Ära hat mit der privaten Raumfahrt begonnen. Schon bald können Weltraumtouristen orbitale und suborbitale Flüge in die Erdumlaufbahn buchen. Noch sind die Tickets sehr teuer. Über die Nutzung des Weltraums und Rechte im All berichtet die brasilianische Weltraumexpertin und UN-Delegierte Ana Cristina Galhego Rosa.
Was ist das Weltraumrecht?
Ein Gesetzesbereich nationalen und internationalen Rechts, der Aktivitäten des öffentlichen und privaten Sektors im Weltraum regelt. Die Souveränität eines Staates über seinen Luftraum gilt nicht in gleichem Maße für das Weltraumgesetz. Alle Mitgliedstaaten sind rechtlich gleichgestellt und frei, wissenschaftliche Forschung im All voranzutreiben. Space law ist den Normen, Prinzipien und Standards internationalen Rechts verpflichtet und in fünf Abkommen festgelegt: Weltraum (1967), Bergung (1968), Haftung (1972), Zulassung (1975), Mond (1979), die von der UNO ausgearbeitet worden sind. Sie legen das Verbot jeder nationalen Inbesitznahme des Weltraums fest, Himmelskörper und Mond inbegriffen. Das Abkommen sichert die unbeschränkte Verantwortung und Haftung von Staaten über Raketen oder Shuttles, die in den Weltraum starten, sowie die Bergung einer Crew, die in Not gerät. Der Weltraum ist ausschließlich für friedliche und wissenschaftliche Zwecke gedacht.
Nordkoreas Rolle in diesem internationalen
Abkommen? Der missglückte Raketenstart hat
unlängst für internationales Aufsehen gesorgt.
Ja, Nordkorea behauptete, einen Satelliten zur Überwachung der Erde – mit rein friedlicher Absicht – in die Erdumlaufbahn bringen zu wollen. Die Technologie aber war der einer interkontinentalen Langstreckenrakete sehr ähnlich, mit dem einzigen Unterschied, dass ein Satellit von der Rakete getragen wurde. Zusätzlich bestand die Gefahr, dass die Rakete mit Nuklearwaffen bestückt ist. Die internationale Staatengemeinschaft ist ob der Aufrüstung im All besorgt. Seit den 1960ern haben die UN eine Reihe rechtlicher Mittel für den Weltraum eingerichtet. Diese Abkommen – Limited Test Ban (LTBT, 1953), Weltraum (GST, 1967), Mond (1979) und bilaterale Vereinbarungen – haben sich positiv auf die friedliche Nutzung des Weltraums oder andere Weltraumaktivitäten ausgewirkt. Massenvernichtungswaffen (WMD) und andere militärische Aktivitäten sind im Weltraum verboten. Diese Maßnahmen sind aber nicht ausreichend, die Aufrüstung im Weltraum zu stoppen. Wichtig wäre es, Verhandlungen anzustrengen, um entsprechende internationale rechtliche Mittel beschließen zu können.
Warum brauchen wir also diese Regelungen?
Weltraumaktivitäten müssen geregelt werden. Sie sind außerordentlich komplex, von strategischer Bedeutung, astronomisch teuer, sehr riskant und mit großer Verantwortung für all jene verbunden, die in diesem Bereich tätig sind. Daher sind sie grundlegend für die Sicherheit im Weltraum. Die Nutzung des Weltraums erfolgt in Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und den UN. Jeder Staat sollte sein eigenes Raumprogramm in Anlehnung an das Weltraumgesetz entwickeln, das in der Folge in die Legislative aufgenommen wird. Staaten verfügen über eigene Raumbehörden, Beispiele sind die NASA in den USA, ROSCOSMOS in Russland oder die CNSA in China.
Inwiefern profitiert die Menschheit
von Aktivitäten im Weltraum?
Anwendungen in der Raumfahrttechnik tragen entscheidend zu unserem täglichen Leben bei: Gesundheit, Bildung, Katastrophenschutz, Meteorologie, Telekommunikation und GPS oder Spin-off-Technologien. Beispiele liefern das künstliche Herz, das durch Experimente im Weltraum-Shuttle in Zusammenarbeit mit dem Herzspezialisten Michael DeBakey entwickelt werden konnte, sowie der Herzschrittmacher. Auch die Bergeschere, mit der Unfallopfer aus Autowracks geschnitten werden. Ursprünglich trennte sie ein Shuttle von der Antriebsrakete. Oder Dämmstoffe, die heute unsere Häuser isolieren und energieeffizient halten: Die Technologie wurde ursprünglich für Space-Shuttles entwickelt, ebenso wie die Kunstfaser weiterentwickelt wurde, die heute in der Textilindustrie unverzichtbar ist.
Und Weltraumschrott, die andere Seite
menschlicher Aktivitäten im Orbit?
Weltraumschrott ist eines der wichtigsten Themen der Gegenwart und der Zukunft. Dabei handelt es sich um die von Menschen verursachte Ansammlung von Objekten und Bruchstücken in der Erdumlaufbahn, die nicht länger funktionsfähig sind. Am 10. Februar 2009 kollidierten erstmals zwei Satelliten mit einer Geschwindigkeit von ca. 28000 km/h in einer Höhe von 790 Kilometern: Iridium 33, ein US-Satellit für Telekommunikation, und Cosmos 2251, ein nicht mehr funktionsfähiger russischer Satellit. Dieser Unfall verursachte eine zusätzliche Vermehrung des Weltraummülls in der Erdumlaufbahn, ebenso Probleme für die Internationale Raumstation ISS in der unteren Erdumlaufbahn. Ihre Position musste vor kurzem mit hohen Kosten verändert werden, um weitere Schäden durch Satelliten oder Weltraumschrott zu vermeiden. Ende März 2012 fiel ein metallisches Bruchstück mit einem Durchmesser von einem Meter im brasilianischen Maranhão auf die Erde.
29 000 nutzlose Objekte sind derzeit in der Erdumlaufbahn größer als 10 Zentimeter, 60 000 größer als fünf Zentimeter, 700 000 größer als einen Zentimeter, 200 Millionen größer als einen Millimeter, aber Trillionen Objekte größer als 0,1 Millimeter. Diese Ansammlung ist auf aufgelassene Satelliten, andere ins All geschossene Objekte oder auf mutwillig zerstörte Objekte zurückzuführen. Ein Beispiel ist der chinesische Anti-Satelliten-Waffentest.
Mit neuen Richtlinien, um Weltraummüll zu verringern (UN-Space Debris Mitigation Guidelines, Anm.), wird nach den riesigen Rosat- und UARS-Satelliten, die auf die Erde gefallen sind, über mögliche Sanierungen nachgedacht.
Weltraumtourismus ist eine gewinnträchtige
Aktivität. Was ist Weltraumtourismus?
Ja, Weltraumtourismus ist ein riesiger Markt mit hohen Umsätzen. Aktuellen Studien zufolge wird orbitaler Weltraumtourismus 2021 jährlich rund 60 Passagiere in den Orbit befördern und 300 Millionen US-Dollar umsetzen, suborbitaler Tourismus im gleichen Zeitraum 13 000 Passagiere bei einem Umsatz von 676 Millionen Dollar.
Was unterscheidet den orbitalen vom
suborbitalen Weltraumtourismus?
Und wie teuer sind diese Flüge?
Der orbitale Weltraumtourismus ermöglicht Flüge zur Internationalen Raumstation ISS, die 350 bis 400 Kilometer von der Erde entfernt ist.
Seit den 1960ern waren an die 500 Menschen im Weltraum, davon sechs „Touristen“. Weltraumtourismus ist für Privatpersonen gedacht. Weltraumtouristen können Touren oder Reisen in den Weltraum buchen. Das kann eine Vergnügungs- oder eine Urlaubsreise sein. Dabei unterscheidet man die direkte von der indirekten Erfahrung. Letztere wird durch parabolische Flüge ermöglicht, die kurz zu Schwerelosigkeit führen.
Die Industrie unterscheidet zwischen orbitalem und suborbitalem Weltraumtourismus. Der aktuelle Tourismus setzte mit Dennis Tito im April 2001 ein. Tito startete vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur. Später folgten Mark Shuttleworth (2002), Greg Olsen (2005), Anousheh Ansari (2006), Charles Simonyi (2007 und 2009) und Guy Laliberté (2009). Eine Weltraumreise kostet aktuell 20 bis 35 Millionen Dollar und dauert ein bis zwei Wochen. Derzeit sind russische Sojus-Kapseln im Einsatz.
Der suborbitale Weltraumtourismus hingegen ermöglicht Flüge in rund 100 Kilometern Höhe und wird auch für wissenschaftliche Zwecke genutzt. Verschiedene Technologien kommen für kommerzielle Weltraumaktivitäten zur Anwendung, ein horizontaler Take-off – manchmal mit einem Flugzeug – oder auch ein vertikaler Launch. Nachdem das Triebwerk abgeschaltet wird, ist die Erdanziehungskraft zwischen drei und sechs Minuten lang am geringsten. Weltraumtouristen können so Schwerelosigkeit und den Blick auf die Erde erleben. Die Rakete fällt dann langsam auf die Erde zurück und tritt langsam im Sinkflug wieder in die Erdatmosphäre ein.
Ab 2013 bietet der britische Milliardär Richard Branson mit Virgin Galactic suborbitale Raumflüge an, die vom US-Bundesstaat New Mexico aus starten werden. Das Ticket kostet 200.000, die Anzahlung 20.000 US-Dollar.
Weltraumtourismus ist bis dato nicht geregelt. Dieser enorme Markt braucht neue Infrastrukturen, Definitionen und einen legalen Rahmen. Diskutiert wird nun, ob suborbitale Flüge über Luft- oder Weltraumrecht geregelt werden.
Das Gespräch führte
DORIS LIPPITSCH