Königin Kuh
Es geht den beiden Tiroler Kühen gut in Wien. Das stellen die Veterinärmediziner fest, die Ritta und Hektor regelmäßig untersuchen.
In einem Gehege neben dem Augarten-Atelier verbringen die Tiere den Sommer, auf Einladung einer dänischen Künstlergruppe mit Namen SUPERFLEX, die von den Kuratorinnen Daniela Zyman und Eva Wilson eingeladen wurde, gemeinsam mit dem britischen Künstler Simon Starling die Eröffnungsausstellung der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary im Augarten zu gestalten. Für vier Jahre hat das Belvedere Austria die Ausstellungsräume im Barockpark der Stiftung TBA21 der Sammlerin und Mäzenatin Francesca Habsburg überlassen.
TBA21 geht den Neustart gründlich an. Parallel zur überaus interessanten Ausstellung von Simon Starling im Hauptgebäude wird eine Untersuchung des Orts und seiner Geschichte vorgenommen. Errichtet wurde die Gebäudeanlage zwischen 1951 und 1957 vom Architekten Georg Lippert für den Bildhauer Gustinus Ambrosi, dem der österreichische Staat den Neubau im Augarten, in Nachbarschaft der Sängerknaben und der Porzellanmanufaktur, genehmigt hatte. Ambrosi lebte hier bis zu seinem Tod 1975. Danach wurden die Räume als öffentliches Museum für das Werk Ambrosis umgewandelt, in einem unauflösbaren Vertrag mit dem Staat.
Ambrosi wusste es sich offenbar zu richten, in jeder Lebensphase und in jeder politischen Lage. Das wird deutlich in der von der TBA21 und dem Historiker Oliver Rathkolb durchgeführten Recherche zur Bio-graphie des Künstlers, die als kostenlose Publikation aufliegt. Ambrosis politisches Verhalten reflektiere das vieler Österreicher, schreibt Rathkolb: „In der Monarchie sozialisiert, in der Zwischenkriegszeit zwischen Demokratie und Diktaturformen hin und her gerissen, in der Kanzlerdiktatur der Jahre 1933–38 ein viel gefragter Regimekünstler und nach 1938 voll auf die NS-Karte setzend.“
Der NS-Kriegsminister Albert Speer gab 1942 für die Reichskanzlei eine Skulptur in Auftrag, die Ambrosi als „Jungfrau mit Kuh“ konzipierte. In einem Brief aus dem Frühjahr 1945 verlangt der Bildhauer monatliche Zahlungen für seinen eigenen Lebensunterhalt sowie für die Haltung seiner Fleckvieh-Kuh, die er in Kitzbühel als Modell für die Skulptur hielt: „Dieses schöne Vieh zu schlachten wäre Unsinn, da solche Proportionen nicht so leicht wieder zu finden sind.“ „Königin“ wurde dieses edle Tier genannt, und die beiden Kühe, die SUPERFLEX aufgetrieben und in den Augarten gebracht haben, sind seine Nachkommen. Angeblich ist Nachwuchs unterwegs. Modellplastiken der Königin werden in der Ambrosi-Sammlung gezeigt, gemeinsam mit einer anschaulichen Aufarbeitung dieser skurrilen Geschichte. Jeden Freitag finden zudem Performances, Lesungen und Konzerte statt. Bei freiem Eintritt, unter offenem Himmel und mit großem Anklang.
Text: ANNA SOUCEK