Weltraum-Zwiebeln und Mondblumen

Pflanzen versorgen uns mit lebensnotwendigen Stoffen, können uns ernähren und unser Auge erfreuen. Doch wie viel mehr hinter dem Grünzeug steckt und wie Astronauten im All damit experimentieren, erzählt Sandra Häuplik-Meusburger von der TU-Wien beim Mittagessen mit Jana Reiter: auf dem Speiseplan stehen Gemüse und Salat.

Schon Saint-Exupérys „Kleiner Prinz“ beschreibt uns das Glück, das eine einzelne Blume in einer kargen Landschaft in uns aufkommen lässt. Auf seiner langen Reise durch fremde Welten und auf andere Planeten sehnt er sich stets nach seiner Heimat und seiner großen Liebe zurück, symbolisiert durch die Einzigartigkeit einer Pflanze. „Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig“, erklärt ihm der Fuchs, den er sich langsam zum Vertrauten macht.

Weltraumgärten 2 ©NASA


Die ersten Pflanzen im All

Das Wissen, dass Pflanzen weit mehr für uns sind als nur Quellen nahrhafter Stoffe, hat es Sandra Häuplik-Meusburger von der TU Wien in ihrer Forschung angetan. Seit geraumer Zeit beschäftigt sie sich daher nicht nur mit Weltraumarchitektur und Habitaten, sondern auch mit Weltraumgärten, Space Gardens. In ihrer Recherche für ein Buch, in dem sie sich mit der Lebenswelt von Astronauten auseinandersetzt, ist sie auf ein Bild gestoßen, das die besondere Bedeutung von pflanzlichem Leben in einer sonst von Maschinen und Gerätschaften dominierten Umwelt aufzeigt. Das Bild zeigt den Kosmonauten Victor Savinykh, wie er in den 1970er Jahren an Bord der sowjetischen Raumstation Salyut 6 liebevoll das Glas eines Greenhouses berührt, voll Zärtlichkeit für diesen selbst gezogenen Trieb und vielleicht auch ein wenig mit Sehnsucht nach der grünen Erde.


Dschungel Salyut 6

Schon früh experimentierten die Sowjets in diesem Bereich. 1971 hatten sie das erste Greenhouse an Bord einer Raumstation, das auf den Namen Oasis getauft wurde. Wenige Jahre später konnten Kosmonauten schon Zwiebeln essen, die sie im Weltraum selbst aufgezogen hatten. Die Freude darüber war aber nicht nur so groß, da man endlich mehr als nur Konservennahrung hatte. Das eigens gezüchtete Gemüse gab ihnen das Gefühl, selbst Kontrolle über etwas zu haben und darauf Einfluss nehmen zu können. Außerdem hatten sie nun etwas mit an Bord, das sie von zu Hause kannten und ihnen einen vertrautes Gefühl vermittelte.
    Doch auch vorher versuchte man, diese hochtechnologischen kalten Räume durch persönliche Details, z.B. Fotos oder Kinderzeichnungen, wie ein Zuhause zu gestalten. Einige Kosmonauten erzählten später, sie hegten und pflegten ihre Pflanzen wie geliebte Haustiere. Kosmonaut Valery Ryumin soll so einen „grünen Daumen“ gehabt haben, dass er die Raumstation Salyut 6 in einen Dschungel verwandelte. Er nutzte leere Filmkassetten, Koffer, in denen zuvor Ausrüstung lagerte, schlichtweg alles, was nicht mehr in Gebrauch war, und setzte Samen darin ein, um das Leben im All heimeliger und wärmer zu gestalten.


Weltraumgärten

Auch an Bord der ISS gibt es einen Garten. Ein wenig kleiner als ein durchschnittlicher Handgepäcks-Trolley, aber angeblich in der Lage, die Mannschaft mit Gemüse zu versorgen. Daher wird das LADA-System auch liebevoll als „Salatmaschine“ bezeichnet. Neben diesem Vorteil bietet es der Crew aber auch Abwechslung und wirkt sich positiv auf ihre Psyche aus. Als sich 2003 beim Space Shuttle Columbia Probleme abzeichneten, sollte die Mannschaft mehr Zeit zum Gärtnern aufbringen, was ihnen nachweislich mehr Ruhe brachte, sie ein wenig „herunterholte“ und vom Desaster ablenkte.

Weltraumgärten ©x

    „Mittlerweile arbeiten Menschen unterschiedlichster Disziplinen an derartigen Projekten“, erklärt Architektin Häuplik-Meusburger. Da gibt es etwa Ingenieure, die sich der technischen Seite widmen, also zum Beispiel Fallstudien zur geringeren Schwerkraft. Dabei muss erforscht werden, wie Pflanzen in alle Richtungen wachsen können. Häuplik-Meusburger selbst konzentriert sich mit einigen Kollegen auf das Design: „An der Schnittstelle Architektur-Mensch wird noch wenig gemacht, das ist aber im Kommen.“ Aktuell arbeitet sie gemeinsam mit einem Team im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt sowie mit einer interdisziplinären Künstlerin aus Los Angeles an einem Mini-Space-Garden. Nächstes Jahr wird davon ein erster Prototyp gebaut.
    Bei Greenhouses für den Weltraum müssen wichtige technologische Aspekte beachtet werden: Es bedarf eines automatischen Bewässerungssystems, künstlichen Lichts, computergesteuerter Überwachung sowie erdloser Kultivierung. Während Pflanzen auf der Erde sich nach ihrer natürlichen Umgebung richten, muss in extremen Umwelten die Technik kompensieren. Plant man etwa für den Mond, so muss ein „Gewächshaus“ gegen Strahlung und das Einschlagen kleinster Meteoriten geschützt werden. Und natürlich sind die Gravitationsunterschiede nicht zu vernachlässigen. Die größte Herausforderung bei anderen Planeten stelle aber der Luftdruck dar, der die internen Regulierungs­systeme einer Pflanze ins Stocken bringen kann.


Neue Paradiese?

Gärten für den Weltraum zu planen, zieht mittlerweile auch private Unternehmen an. Wer über zukünftiges Leben auf fremden Planeten nachdenkt, kommt nicht umhin, sich auch über die Umwelt Gedanken zu machen. Odyssey Moon Ltd. etwa, die als erstes privates Unternehmen kommerziell Energie und Ressourcen auf dem Mond nutzen wollen, verfolgen das Projekt Lunar Oasis. Erklärtes Ziel ist es, die erste Pflanze am Mond wachsen zu lassen. Dieser Schritt soll den Beginn in Richtung einer zukünftigen Besiedelung extra-terrestrischer Gebiete darstellen. Häuplik-Meusburger auf die Frage, was aus den Entwicklungen im Weltall gelernt werden kann: „Zum Beispiel der langfristige Umgang mit Ressourcen. Unter extremen Bedingungen leben und arbeiten Menschen auf kleinstem Raum über längere Zeit zusammen. Man kann dort nicht einfach einkaufen gehen. So wie es geplant ist, muss es für Jahre benutzt werden.“ Überhaupt hätten die ersten Bilder, auf denen man die Erde als Ganzes sehen konnte, unsere Welt, und vor allem unser Nachdenken darüber, verändert.
    „Ich glaube, Wissen nützt jedem etwas. Je mehr man weiß, desto mehr weiß man, was man nicht weiß“, hält Häuplik-Meusburger fest. Die Forschung müsse weiter vorangetrieben werden. Sie selbst beschäftigt sich daher aktuell auch noch mit einem zweiten Projekt, einem Notfall-Habitat, das Astronauten bei Krankheits- oder problematischen Fällen, bei Verletzungen auf ihren Erkundungstouren ein erster Zufluchtspunkt sein soll. Im Februar wurde der Prototyp in Marokko getestet.

Text: JANA REITER
Sputnik Produktion