Die Vier neuen im "Altstadt Vienna"

Seit 25 Jahren empfängt das Hotel Altstadt Vienna in Wien-Neubau seine Gäste mit einem charmanten Konzept: Die Gästezimmer liegen nicht an langen, trostlosen Fluren, sondern verteilen sich bunt über die sechs Geschoße des großen Mietshauses. Geschlafen wird Tür an Tür mit Einheimischen. Von Zeit zu Zeit kommen neue Gästezimmer hinzu. Wir stellen hier die vier Neuesten vor. Sie wurden im vergangenen Jahr von Adolf Krischanitz, Roland Nemetz, Gregor Eichinger und Lilli Hollein entworfen.

Von Uwe Bresan

Das Taxi hält im siebenten Bezirk vor einem stattlichen neoklassizistischen Palais. Museumsquartier und Hofburg sind nur wenige Gehminuten entfernt, trotzdem sieht man hier kaum Touristengruppen auf der Straße. Ein schwarzer Baldachin markiert den Eingang: Herzlich Willkommen im „Altstadt Vienna“. Hinter der Tür empfängt einen allerdings nicht die gewohnte Lobbyatmosphäre. Stattdessen steht man im schmalen und hohen Hausflur eines altehrwürdigen Mietshauses. Eine Rezeption ist nicht zu sehen, stattdessen schaut man noch einmal ungläubig auf den Zettel mit der Adresse. Sie stimmt! Etwas irritiert nimmt man also sein Gepäck wieder in die Hand und bewegt sich langsam vorwärts in Richtung Treppenhaus. Verlegen steigt man die Stufen bis zum ersten Stock hinauf, wo sich unerwartet aus Boden, Wand und Decke ein goldenes Entrée in den Raum hineinfaltet. Die Glastür surrt sanft zur Seite: Man hat das erste Ziel erreicht – die Rezeption!

Hotel "Altstadt Vienna" - Eingang & Rezeption ©Foto: © Altstadt Vienna

Das Geld kommt die Treppe runter, nicht aus der Küche! Getreu der alten Hotellerie-Weisheit verzichtet das „Altstadt Vienna“ auf Hotelbar und Restaurant. Stattdessen stehen die Rezeption und die sich anschließenden Salonräume den Gästen jederzeit offen. Zudem bietet das umliegende Stadtviertel reichlich Gelegenheit, die Wiener Küche kennenzulernen. / Foto: © Altstadt Vienna

 

Hotel "Altstadt Vienna - Rezeption © Foto: Monika Nguyen

Die Rezeption ist die zentrale Anlaufstelle für alle Gäste des Hotels. Gestaltet wurde der Raum von den Wiener Architekten Theresia Kohlmayr, Jonathan Lutter und Christian Knapp, die sich mit ungewöhnlichen Hotelkonzepten bestens auskennen. Von ihnen stammt zum Beispiel das „Grätzlhotel“, dessen Gästezimmer sich über die halbe Wiener Innenstadt verteilen. / Foto: © Monika Nguyen

 

Tür an Tür mit echten Wienern!

Das Altstadt Vienna funktioniert nicht wie übliche Hotels. Das liegt vor allem daran, dass das Hotel nur ein Mieter unter vielen in dem großen Gebäude ist. Man schläft quasi Tür an Tür mit echten Wienern! Wenn allerdings ein Mieter das Haus verlässt, dann schlägt Hotelchef Otto Wiesenthal zu und übernimmt die Wohnung, um daraus weitere Hotelzimmer zu machen. Aus anfangs 24 sind so über die Zeit 58 Gästezimmer und Suiten geworden, die sich heute bunt über die sechs Stockwerke des Hauses verteilen. Dass sich unter diesen Umständen kaum zwei Zimmer im Haus gleichen, versteht sich daher von selbst. Das ist längst zum Konzept erhoben worden. Umso wichtiger allerdings ist die Rezeption als zentrale Anlaufstelle für alle Hotelgäste! Zum 25. Hoteljubiläum 2016 wurde sie von den Wiener Architekten Theresia Kohlmayr, Jonathan Lutter und Christian Knapp neu gestaltet. Sie entwarfen dazu ein ungewöhnliches Rundmöbel: halb Sitzbank, halb Schreibtisch. In der Mitte ragt ein chaotischer Stapel großer und kleiner Boxen in die Höhe. Er ist Sichtschutz und Stauraum in einem. Parallel zur Rezeption entstanden zudem vier neue Zimmer.

Hotel "Altstadt Vienna - Zimmer 64 von Adolf Krischanitz  ©Foto: Marisa Vranjes

Hotel "Altstadt Vienna - Zimmer 64 von Adolf Krischanitz  - Ansicht 2 ©Foto: Marisa Vranjes

Alle Möbel im Zimmer 64 von Adolf Krischanitz hat der Architekt selbst entworfen. Die Zeichnung zur Tapete wiederum stammt von einem jungen Künstler. Krischanitz hat die Blumenwiese eingescannt, vergrößert und schließlich als Tapete an die Wand gebracht. / Fotos: © Marisa Vranjes

 

Zimmer 64: Mit Strenge komponiert, mit Eleganz ausbalanciert

Der Wiener Architekt Adolf Krischanitz, ein Meister seines Faches, entwarf das Zimmer mit der Nummer 64. Den Gast empfängt ein aufgeräumtes, klar gegliedertes Ensemble, dessen strenge Komposition durch hochwertige Materialien, feine Farbakzente und ein gediegenes Mobiliar elegant ausbalanciert wird. WC, Dusche, Bad und Kleiderschrank versteckt Krischanitz im Eingangsbereich hinter vier getrennten Holztüren. Der Grundriss des Zimmers nähert sich dadurch dem Quadrat an. Es wird mittig von einem breiten Raumstreifen durchzogen, gebildet aus Bett, Medienschrank, Teppichläufer und einer an die Wand montierten Tagesliege. Alle Möbel außerhalb dieses Streifens sind frei beweglich und nach Entwürfen von Krischanitz gefertigt. Fischgrätparkett, der bunt karierte Teppich, Eichenholzvertäfelungen und eine gezeichnete, später eingescannte und vergrößerte und letztlich als Tapete auf die Wandfläche übertragene Blumenwiese verleihen dem Raum Wärme und Behaglichkeit.

Hotel "Altstadt Vienna - Zimmer 65 von Roland Nemetz ©Foto: Marisa Vranjes

Zimmer 65 von Roland Nemetz / Foto: © Marisa Vranjes

 

Zimmer 65: Eine Reminiszenz an die Wiener Theaterwelt

Mit dem Entwurf zu Zimmer 65 beauftragte Hotelchef Wiesenthal den Architekten Roland Nemetz. Der ließ sich von den Theaterräumen im Innenhof des Palais inspirieren und schuf eine „Theater-Suite“, wie er den Raum selbst nennt. Ein schwerer, roter Vorhang trennt die freistehende Badewanne und das sich anschließende Bad ab. Daneben steht ein Schminktisch, der das Zimmer in eine glamouröse Schauspieler-Garderobe verwandelt. Dazu kommen charmante, alte Möbel aus der Nachkriegszeit – etwa Stühle und eine Sitzbank von Roland Rainer, der diese Modelle einst für die Einrichtung des Wiener Kaffeehauses Ritter entwarf. Gerahmte Vintage-Fotografien von Wiener Schauspielerlegenden an den Zimmerwänden runden das Ambiente ab.

Hotel "Altstadt Vienna - Zimmer 66 von Gregor Eichinger - Ansicht 02 ©Foto: © Georg Bodenstein

Hotel "Altstadt Vienna - Zimmer 66 von Gregor Eichinger - Ansicht 01 ©Foto: Georg Bodenstein

Das Zimmer 66 von Gregor Eichinger / Foto: © Georg Bodenstein

 

Zimmer 66: Der feuchte Traum eines jeden Cineasten

Der Architekt und Designer Gregor Eichinger, aktuell einer der spannendsten und progressivsten Interieur-Designer der Alpenrepublik, entwarf für Zimmer 66 das perfekte Zuhause eines Cineasten. Bett und Leinwand bilden die zentrale Zimmerachse. Ersteres steht frei im Raum und bildet zum Eingang hin eine gepolsterte Ablage. Letztere wiederum fährt auf Knopfdruck unter dem Festersturz hervor. Projektor und Lautsprecher baumeln von der Decke und bieten High-End-Kinoqualität. Alles nur Nützliche – Dusche, Waschtisch, Arbeitsplatz und Schrank – hat Eichinger hingegen hinter einer gepolsterten Wand versteckt. Je nach Platzbedarf der einzelnen Komponenten baucht sie sich sanft in den Raum. Verkleidet ist sie mit einem von den Basler Architekten Herzog & de Meuron entwickelten Akustikstoff. Besonders hoch angebrachte Türgriffe sollen dafür sorgen, dass der Akt des Öffnens und Schließens bewusst vollzogen wird, um den Stoff vor Verschmutzung und Abnutzung zu schützen.

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Titelbild: Zimmer 67 von Lilli Hollein / Foto: © Georg Bodenstein