Wildgarten Wien

Europan ist eine Institution: Seit 1989 werden alle zwei Jahre junge Architekten und Stadtplaner im Rahmen eines Ideenwettbewerbs eingeladen sich mit eher schwierigen städtischen Bereichen zu beschäftigen. Im gerade abgeschlossenen Jahrgang wurden 1.005 Wettbewerbsbeiträge für 47 Orte in ganz Europa eingereicht. Österreich ist Gründungsmitglied und so auch Fixstarter mit meist mehreren Wettbewerbsaufgaben. Die Motivation für die Teilnehmer ist die Aussicht des Siegers auf die Umsetzung der städtebaulichenIdeen und die Einbindung der Autoren.

Von David Pašek

In der Ausgabe von Europan 10 im Jahre 2010 wurde unter anderem nach Ansätzen für ein Grundstück an der Grenze zwischen Wien Meidling und Wien Liesing gesucht. Die Liegenschaft wurde von der Bundesimmobiliengesellschaft, kurz BIG, eingebracht, ist 10,7 Hektar groß, grenzt östlich (beinahe) an die Südbahnstrecke sowie an eine Industriezone, nördlich an einen Friedhof und im Süden wie im Westen an Kleingärten. Folglich ist das Areal derzeit im Stadtgefüge eine unzugängliche isolierte Insel.
Die bisherige Nutzung des Areals ist wenig glamourös: Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde dort eine Schweinemastanlage eingerichtet, die sich aus Küchenabfällen speiste, nach dem Krieg von der Bundesanstalt für Virusseuchenbekämpfung übernommen, die später in die AGES, Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, integriert und bis im Jahre 2000 betrieben worden war.

Quartier Wildgarten - Das Areal 02 ©Foto: Harald A. JahnQuartier Wildgarten - Das Areal 01 ©Fotos: Harald A. Jahn

Ansichten des Areals / Fotos: © Harald A. Jahn
 

arenasbasabepalacios

Die Sieger des Wettbewerbs für dieses städtebauliche Areal sind die Architekten arenasbasabepalacios aus Madrid. Sie wurden mit dem Projekt GARDEN>COURTYARD für den Wildgarten ausgezeichnet. Überraschend dabei ist, dass auch drei weitere Nachrücker spanische Autoren sind und ein weiteres Projekt aus Italien ausgezeichnet wurde. Enrique Arenas Laorga, Luis Basabe Montalvo und Luis Palacios Labrador haben 2006 zwei Architekturbüros zu einem fusioniert. Die Aufgaben des Büros spielen sich in allen Maßstäben ab, aber der Städtebau steht für die Architekten stets im Mittelpunkt. So muss auch jede neue Aufgabe Forschung beinhalten. Unterrichten ist ihnen ein großes, gemeinsames Anliegen. Zu Österreich hat das Büro durch Luis Palacios eine intensive Beziehung und große Sympathie, da er in Wien und Graz studierte und sehr gut Deutsch spricht.

Ihr Ansatz für den Wildgarten ist vom Respekt für die Kleinteiligkeit der angrenzenden Kleingärten getragen, der diese Struktur auf das Format eines städtischen Quartiers überführt und dabei auch das Verhältnis von öffentlich und privat anders definiert. Kernelement ist ein Raster aus Gärten und ein Verständnis des Freiraums als Almende, die allen Bewohnern zugängliche und weite Bereiche bieten wird.
Ein besonderes Interesse des Teams liegt an der Verhandelbarkeit des Städtebaus. Das bauliche Grundmodul ist ein L-förmiger Baukörper, der das mögliche Volumen vorgibt. Für jeden Baukörper gibt es eine Vorgabe der möglichen Geschoßfläche. Dies sieht einen Verlauf in der Verdichtung vom Rand – der Kleingärten – zur Mitte hin vor und ist der Kern für städtebauliche Vielfalt. Schon im Wettbewerbsverfahren war es wichtig, verschiedene Bauträger anzusprechen. Ursprünglich wurde auch über Einfamilienhäuser nachgedacht. „Es ist gut, dass der Europan für junge Architekten ausgeschrieben wird. So bekommen die auch noch was von der Umsetzung mit!“ sagt Luis Palacios. Zehn Jahre bedeuten in der Logik des Städtebaus nur einen kurzen Moment.


„Es ist gut, dass der Europan für junge Architekten ausgeschrieben wird. So bekommen die auch noch was von der Umsetzung mit.“
Architekt Luis Palacios, arenasbasabepalacios,
Wettbewerbssieger Masterplan Wildgarten Wien


Die Wettbewerbssieger wurden mit der Weiterentwicklung ihres Konzepts betraut. Ein sehr kompetentes Team formierte sich, das mit der zuständigen ARE Development, der Austrian Real Estate GmbH, die weiteren Schritte zur Entwicklung und Verwertung des Baufeldes vorbereitete. Große Erfahrung mit dieser Art Städtebau konnte auch Architekt Christian Seethaler einbringen, der mit dem Wiener Kabelwerk vor wenigen Jahren bereits einen Städtebauprozess mit ähnlichen Ansätzen umgesetzt hat.

Das Büro Land in Sicht entwirft den übergeordneten Freiraum und koordiniert diesen mit den Landschaftsarchitekten der einzelnen Baufelder. Der Almende-Gedanken wird sehr hoch gehalten und so müssen sich die Bauträger dazu verpflichten, außerhalb der vom Hacken ihrer Baufelder aufgespannten Grundfläche auf Zäune zu verzichten, um so die Durchgängigkeit und Großzügigkeit zu wahren. Der Wildgarten soll Programm sein: Wiesen, naturbelassene Böden und gemeinsames Gärtnern soll die Qualitäten des Landlebens in die Stadt bringen und dort halten.

Quartier Wildgarten - Visualisierung Gesamtansicht ©Visualisierung: Schreiner Kastler

Der Spagat zwischen städtischer Dichte und einer Vielfalt von großzügigen Freiräumen.
Visualisierung: © Schreiner Kastler
 

Von Que(e)r-beet bis Rosegarden

Nebst dem Wettbewerbsbeitrag war es nötig, noch ein paar größere Baufelder vorzusehen, um die gewünschte soziale Mischung zu erreichen und damit auch günstigeren Wohnbau anzubieten. Gleichzeitig eignen sich diese größeren Strukturen auch, zentrale Tiefgaragen einzuplanen: Der Wildgarten wird weitgehend autofrei sein.
Für soziale Innovation wurden drei Baufelder für Baugruppen reserviert, die im Rahmen eines kleinen Wettbewerbs dazu aufgefordert wurden, tragfähige Konzepte vorzulegen. Die drei gewählten Gruppen zeigen wiederum grundverschiedene Ansätze: Que(e)r-beet, Rosegarden und WILLDAwohnen. Ergänzend wird es auf einem Baufeld auch eine „Baugruppe light“ geben – die Mietgestalter – die zwar gemeinschaftlich Wohnen werden, die Errichtung der Gebäude aber anderen überlassen.

Quartier Wildgarten - Entwurf von Superblock ©Visualisierung: Superblock ZT GmbH

Superblock errichten in fünf Baukörpern einen Nahversorger und 200 Wohnungen.
Visualisierung: © Superblock ZT GmbH
 

Wie in der Ausschreibung des Europan 10 vorgesehen, haben arenasbasabepalacios auch den Auftrag bekommen, einen Bauteil für die ARE Development zu planen: die Sonnenblumenhäuser. Dabei handelt es sich um etwa 80 Eigentumswohnungen in ganz verschiedenen Größen, die in 11 verschiedenen dimensionierten Baukörpern situiert werden: von XS bis L.
Als Urheber des Masterplans setzt das spanische Team die Ansätze des Städtebaus in der Architektur exemplarisch, konsequent und auch spielerisch um. Diese Gebäude werden für ein behagliches Raumklima überwiegend aus innengedämmten Ziegel errichtet und die auffallenden gelben Fassadenflächen werden nicht einfach angemalt, sondern keramisch verkleidet.

Im Westen des Geländes, am Emil-Behring-Weg, gibt es ein großes bestehendes Betriebsgebäude, das noch im Herbst zu einem Kindergarten sowie einem Nachbarschaftszentrum umgebaut wird – zwei kleinere Bestandsgebäude werden saniert und für Wohnnutzung umgebaut. Im Wildgarten wird es dann noch einen weiteren Kindergarten und Nahversorger geben.

Ein wichtiger Aspekt für den künftigen Erfolg des Quartiers – auch im Zusammenhang der intensiven Entwicklung Wiens östlich der Südbahn und entlang der Breitenfurter Straße – wird die Anbindung an den öffentlichen Verkehr sein. Im Gespräch ist die Einrichtung einer Schnellbahnstation zwischen Atzgersdorf und Hetzendorf. Aktuell werden das Wegenetz und die Infrastruktur errichtet. Der Zeitplan sieht vor, dass die Hochbauvorhaben im Wildgarten in drei Etappen bis 2022 umgesetzt sein werden. Rund 2.300 Menschen werden das neue Stadtquartier bewohnen und beleben.

www.wildgarten.wien
facebook.com/wildgarten

Titelbild: Am südlichen Rand entstehen Wohngebäude in
Holzbauweise von sps-architekten / Visualisierung: © sps Architekten ZT GmbH

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