Stadtlandschaften

Wenn Architektur für sich selbst sprechen und nicht autoritär interpretiert werden soll – QUER im Gespräch mit dem deutschen Experimentalfilmer Heinz Emigholz über seine Filmreihe Streetscapes 1–4 bei der diesjährigen Viennale.

Quer: Wie sind die Streetscapes 1–4 in Tiblissi, São Paulo, Ein Harod, Montevideo etc. entstanden?

Heinz Emigholz: Sie sind aus einem einzigen Projektgedanken hervorgegangen, der sich dann erweitert und geteilt hat. Praktisch sind die vier Filme zwischen 2013 und 2016 gleichzeitig entstanden und dann 2017 zusammen auf der Berlinale uraufgeführt worden. Die einzelnen Filme umkreisen und erklären einander, stehen aber jeweils für sich selbst. Die Weltreise in The Airstrip (2013) bezeichnet das Ende meiner strenger gefassten Architekturfilm-Serie. Danach ging es in verschiedene Richtungen weiter: einer mehr assoziativen Collage aus Schrift, Musikproduktion und anonymen Stadtlandschaften wie in 2+2=22 [The Alphabet], der Dokumentation einer sozial eingebundenen Architektur als Gegensatz zum Fassadenkünstlertum der Postmoderne wie in Bickels [Socialism], dem analytischen Spielfilm wie in Streetscapes [Dialogue] und der Dokumentation von Meisterleistungen einer eher unbekannten Moderne wie in Dieste [Uruguay].

BICKELS [SOCIALISM] ©Heinz Emigholz

BICKELS [SOCIALISM] (English OV with German subtitles)
 

Q: Die Gebäude sind sehr gut gefilmt, und die Vorliebe fürs Detail ist allen eigen. Ihr konzeptueller Zugang zu den Städten bzw. Gebäuden am Beispiel der Casa Dieste oder dem Brickels Mishkan Museum of Art?

HE: Ich nähere mich den Bauwerken unvoreingenommen, d.h. ohne ideologische Vorsätze, an und filme solange, bis ich denke: Jetzt habe ich es erkannt! Ich will die vorgegebenen Räume von außen und innen mit den Mitteln des Kinos erfahrbar machen. Die Architektur soll für sich selbst sprechen und nicht autoritär interpretiert werden. Dem Zuschauer wird eine Entscheidungsgrundlage geboten, von der aus er sich seine eigene Stellung zur dargebotenen Architektur erarbeiten kann.

2+2=22 [THE ALPHABET] ©Heinz Emigholz

2+2=22 [THE ALPHABET] (German OV with English subtitles)
 

Q: Stadt und Sprache bzw. Straßen, Plätze und Syntax – Dieser Zugang in 2+2=22 [The Alphabet] erinnert im Sinne surrealistischer Ecriture automatique an eine Trouvaille. Warum Tiblissi für diesen Film?

HE: Weil die Band Kreidler zu ihrem 25jährigen Jubiläum ihr Album Alphabet in den dortigen Kartuli Pilmis Studios aufgenommen hat. Ich wollte ihre Arbeitsprozesse aufzeichnen, schreiben, spazieren gehen und eine Stadt erkunden, die ich vorher nicht kannte.

DIESTE [URUGUAY] ©Heinz Emigholz

DIESTE [URUGUAY] (International version, no dialogue)
 

Q: Architektur und experimenteller Film, meist ohne Dialog – Ihre Filme sind intellektuell. Wie verbinden bzw. überwinden Sie diesen Widerspruch mit Architektur bzw. gebauter Musik, Poesie und/oder Logik?

HE: Mein Spielfilm Streetscapes [Dialogue] erzählt und erklärt das alles recht genau in notwendigen zwei Stunden und dreizehn Minuten. Das Ergebnis werde ich nicht auf die Schnelle verraten. Ich möchte hier kein Spoiler sein!

Informationen über das Programm der Viennale:
www.viennale.at