Dandy Lion

Der Philosoph und Reisende Graf Hermann von Keyserling hat einmal geschrieben, dass „der schwarze Kontinent die größte kreative Kraft auf der Welt besitzt: Was auch immer seine Wurzeln in Afrika hat, bleibt für immer afrikanisch im Geist und in der Seele“. Diese Wahrheit scheint durch die überschäumende Kreativität in den Seiten von Shantrelle P. Lewis visuellem Essay Dandy Lion über den afrikanischen Dandy in unseren Städten.

Von Mark Kidel

Die Selbstdarstellung des Black Dandy in Afrika, Europa, der Karibik und den zwei Amerikas zeugt von sehr großer Vitalität, die tief in der afrikanischen Ästhetik verwurzelt ist. Ihre ausgeklügelten Codes sind zugleich verspielt, spirituell und politisch motiviert. 

Hassan Hajjaj, Blaize, 2015; from Dandy Lion (Aperture, 2017) ©Foto: © Hassan Hajjaj, Courtesy Taymour Grahne Gallery, New York, U.S.A.

Hassan Hajjaj, Blaize, 2015; from Dandy Lion (Aperture, 2017)
Foto: © Hassan Hajjaj, Courtesy Taymour Grahne Gallery, New York, U.S.A.
 

Highspeed-Energie des weißen, urbanen Amerika

Ob maskierte Trance-Riten in Yorubaland und Brasilien, bestes Break-Dancing oder herzzerreißende Ausbrüche mit melismatischen Gospel-Schreien: Sich selbst über Kleidung darzustellen, so wie es Black Dandys gerne tun, ist keine Ego gesteuerte Performance sondern vielmehr der Ausdruck dafür, den Performer sofort mit den Freunden, der Familie, einer sozialen Gruppe und – sehr wichtig – den Vorfahren zu verbinden. Es ist eine Danksagung an die Reichtümer der Vergangenheit, eine Bejahung der Gemeinschaft und ein Freudenfest jugendlicher Energie mit einer kreativen Handlung. Charlie Parker gäbe wohl atemberaubende Bebop Saxophon Solos zum Besten, die Louis Armstrongs Schöpfung einer Jazz-Sprache in den 1920ern widerspiegelten, während sie radikale Highspeed Energie eines weißen, urbanen Amerika in den 1940ern veranschaulichten.

Prisca M. Monnier, Dandy Queens, Paris, 2014 © Foto: Courtesy of Blackattitude duo, © Prisca M. Monnier and Catia Mota Da Cruz, Paris

Prisca M. Monnier, Dandy Queens, Paris, 2014; Art direction by Catia Mota Da Cruz, Hairstyling by Nadeen Mateky, Styling by Nafoore Qâa; from Dandy Lion (Aperture, 2017) / Foto: Courtesy of Blackattitude duo, © Prisca M. Monnier and Catia Mota Da Cruz, Paris
 

Jimi Hendrix hat den ältesten Blues neu erfunden, indem er ihn wegbereitend mit psychedelischem Rock verschmolz. Genau von diesem Spirit zeugt die vielschichtige Selbstdarstellung über Kleidung. Sie ist ein Strom ständiger Innovation, die Bezüge (mit tiefem Respekt und verspielter Ironie) zu mehrfarbigen stammesbezogenen Ausdruckweisen in neu gemischtem DJ Style mit den über die Jahrhunderte weit strengeren Konventionen der Bekleidung Weißer herstellen. Eine Art post-kolonialer Tanz mit bildlichen Motiven und Klischees: mit dem Harnisch und der Korrektheit, die weiße Männer gerne gebrauchten, um ihre von all den ausgelassenen Dandys mit viel Spaß und großer Freude unterhöhlte Macht zu unterstreichen.

Andrew Dosunmu, Brooklyn ©Courtesy the Artist

Andrew Dosunmu, Brooklyn, 2010; from Dandy Lion (Aperture, 2017) / Foto: Courtesy the artist
 

Daniele Tamagni, from the series Gentlemen of Bacongo, Brazzaville, Congo, 2013 ©Foto: Daniele Tamagni

Daniele Tamagni, from the series Gentlemen of Bacongo, Brazzaville, Congo, 2013;
from Dandy Lion (Aperture, 2017) / Foto: © Daniele Tamagni
 

Die Bezüge zu Rhythmus, Tanz und Musik werden deutlich. Der Afrikanist Robert Farris Thompson, mit afrikanischer Ästhetik sehr vertraut, die er in langen Gesprächen mit Priestern, Holzschnitzern, Trommlern und Webern entdeckte, vermag es, die im Skat-Stil bunt gestreiften Muster von Kente-Stoffen im südlichen Ghana zu singen. Die Mischung aus Farben, Stilen und der Bruch (break, siehe break-dancing) in den Linien wird mit der hauptsächlich polyrhythmischen und synkopischen Natur der afrikanischen Musik bzw. des afrikanischen Tanzes reflektiert. Es geht dabei vielmehr um ein plötzliches Aufblitzen als um geradlinige Regelungen. Jeder Bruch in einer Linie oder Form spielt mit Verzerrung oder betont mit dem Aufeinanderprallen von Farben. Sie sind allesamt als spirituelle Statements  zu lesen, als eine Art Hotline für Lebensenergie und Möglichkeit, etwas hinter dem beengenden und recht langweiligen Alltag zu finden ...

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Titelbild: Janette Beckman, The Islington Twins, London, 1981;
from Dandy Lion (Aperture, 2017) / Foto: Courtesy the artist