New Yorks Supertowers

Die schlichten Namen trügen: „432 Park Avenue“, „VIA West 57“, „Carmel Place“ und „520 West 28th“ sind keine gewöhnlichen Adressen. An diesen Orten stehen die neuen Super-Wohnhäuser in New York. Ihre Architekten heißen Rafael Viñoly, Bjarke Ingels, nArchitects und Zaha Hadid.

Von Jennifer Lynn Karsten

Ein regelrechter Hochhausboom findet derzeit in New York statt, der allerdings nicht von Bürohäusern angetrieben wird sondern von Wohnhäusern. Zwei Faktoren sind maßgeblich für den Bauboom verantwortlich. Der eine ist allgemein bekannt: Wohnungen sind eine hervorragende Kapitalanlage. Der andere: die Flucht der Oligarchen aus Russland.

Denn die neuen Türme symbolisieren nichts anderes als Macht. Früher waren es internationale Konzerne, die in immer größere Höhen vorstießen, heute zeigen die neuen Wohntürme, dass unermessliche Reichtümer in den Händen weniger Familien liegen.

„432 Park Avenue“ von Architekt Rafael Viñoly ©Visualisierung: DBOX for Macklowe Properties and CIM Group

Der Super-Wolkenkratzer „432 Park Avenue“ von Architekt Rafael Viñoly
Visualisierung: © DBOX for Macklowe Properties and CIM Group
 

432 Park Avenue

Besonders deutlich wird das an dem noch unbewohnten Luxus-Wohnturm „432 Park Avenue“ vom Architekten Rafael Viñoly. Es gehört zu der neuen Generation der superhohen und superschmalen Hochhäuser und steht mitten im Herzen Manhattans. Es wird das höchste, teuerste und luxuriöseste Wohnhaus der Welt: 1,3 Milliarden teuer, 426 Meter hoch, 96 Etagen mit nur 104 Wohneinheiten. Ein groteskes Luftschloss für Milliardäre und Millionäre.

Luxus und Prunk, wohin man nur sieht: Riesige Kronleuchter mit handgefertigten Kristallen, ein Fitness-Center, ein Yoga-Studio, ein Billardzimmer mit Bibliothek, ein Kino, ein Sitzungs- und ein Ballsaal, ein Hallenbad mit 20-Meter-Pool und Jacuzzi.

Eine 861 qm Wohnung wurde für 59,1 Millionen US-Dollar verkauft, das 95 Millionen-Dollar-Penthaus und ein Penthaus für 76,5 Millionen US-Dollar in der 88. Etage werden grade verhandelt. Aber der neue Stalagmit in der New Yorker Skyline symbolisiert vor allem eins: Die Superkluft zwischen Arm und Reich, dem 1 Prozent der Bevölkerung und dem Rest. Mittlerweile ist sie in den USA so tief wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr.

Fast jeder zweite Käufer der Luxus-Apartments kommt aus dem Ausland: aus Kanada, Brasilien, Venezuela, China, Singapur, der Türkei, Libanon, Griechenland, Saudi-Arabien und Russland.  Mehr als die Hälfte der Wohnungen werden, so die New York Times, „mindestens zehn Monate im Jahr“ leer stehen. „Das Haus, das die Ungleichheit erbaute“, wurde sogar vom Millionärsblatt Forbes kritisiert. Merkwürdigerweise findet man auf der Internetseite des Architekten keinerlei Bezug zu dem Gebäude.

VIA 57 West von BIG ©Fotos: BIG (rechts) Nic Lehoux (links)

Ansicht und Aufsicht der Wohnpyramide „VIA 57 West“ mit dem umschlossenen begrünten Innenhof von BIG (Bjarke Ingels Group) / Fotos: © BIG bzw. Nic Lehoux (oben links)
 

Courtscraper Manhattan

Eine ebenfalls neue Art von Hochhaus – aber völlig anders als alle anderen – ist das im Viertel Hell’s Kitchen gelegene „VIA 57 West“ des dänischen Architekten Bjarke Ingels (BIG-Bjarke Ingels Group). Mit seinen 142 Metern Höhe wirkt es in der New Yorker Skyline eher mickrig, dennoch ist es aufgrund seiner Form eines der dynamischsten, neuen Gebäude. Obwohl das Gebäude den Spitznamen „Pyramide“ trägt, ist es eher ein Tetraeder. Bjarke Ingels selbst spricht von einem „hyperbolischen Paraboloid“. Es ist eine Kreuzung zwischen einer europäischen Blockrandbebauung und einem Hochhaus und wirkt einerseits kompakt mit einem innenliegenden Hof, andererseits leicht mit einer fantastischen Aussicht auf den Hudson River. Um diese auch nicht den dahinterstehenden Hochhäusern zu verbauen, entwickelte Ingels das Konzept des „Courtscrapers“ – eine Zusammensetzung aus courtyard und skyscraper. Insgesamt sind 709 Wohnungen auf bis zu 32 Stockwerke verteilt. Aufgrund der komplexen Gebäudearchitektur wiederholen sich die Grundrisse kaum. Dafür mussten allerdings bis zu250 verschiedene entwickelt werden. Im November gewann das Hochhaus den Internationalen Hochhauspreis (IHP) 2016 für das weltweit innovativste Hochhaus. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert.

"520 West 28th" von Zaha Hadid © Visualisierung: Hayes Davidson

Rendering der Südfassade von Zaha Hadids „520 West 28th“. Das Gebäude befindet sich zurzeit im Bau. / Visualisierung: © Hayes Davidson
 

520 West 28th

Weg von den strengen Winkeln der New Yorker Wohnarchitektur, zeigt sich Zaha Hadids  Hochhaus „520 West 28th“ mit dynamisch gekurvten und durchgezogenen Linien versehen. Das Gebäude befindet sich zurzeit im Rohbau. Ein Flügel des Gebäudes endet direkt an der High Line. Geschoßhohe Glasscheiben werden sich um die Ecken biegen, die geschwungene Deckenlinie mit gebürsteter Metalloberfläche wird eine gegenläufige verflochtene Überschneidung in der Fassade erzeugen. Insgesamt gibt es 39 Wohneinheiten, die Preise variieren von 4,895 Millionen US-Dollar für eine 2-Zimmer-Wohnung bis zu 25 Millionen US-Dollar für eine Duplex-4-Zimmer-Wohnung. Für das Triplex-Penthouse mit über 630 qm Wohnfläche plus 230 qm Dachterrasse, muss man 50 Millionen US-Dollar investieren. Auch hier nur Luxus pur: ein 24-Meter-Pool, eine private Spa-Suite, ein privates Imax, die Wellness-Ebene mit Gym, eine Party-Suite mit Küche und Koch, die High-Line-Terrasse und das automatisierte Autoparkportal.

Master Bedroom mit Balkon in Zaha Hadids „520 West 28th“ ©Visualisierung: Hayes Davidson

Innenliegende Treppe einer Maisonette-Wohnung  in Zaha Hadids  „520 West 28th“ ©Visualisierung: Hayes Davidson

oben: Master Bedroom mit Balkon / unten: Innenliegende Treppe einer Maisonette-Wohnung
Visualisierungen: © Hayes Davidson


Micro-Apartements

„Carmel Place“ heißt das Gebäude des Architekturbüros nArchitects in Kips Bay am Carmel Place. Es ist das erste Hochhaus in New York, das in Modulbauweiserealisiert wurde. In dem 9-geschoßigen Hochhaus sind 55 kleine Apartments mit jeweils 25 bis 33 qm Wohnfläche untergebracht. Die geförderte Miete beginnt bei 1.365 US-Dollar im Monat – allerdings werden inzwischen 32 der Wohnungen möbliert und für 2.600 US-Dollar angeboten. „Durch die vorfabrizierte Modulbauweise und seine Anpassungsfähigkeit an Höhen und Flächen könnte so ein Hochhaus grundsätzlich an vielen Orten stehen“, sagten nArchitects. Ihre Hoffnung ist, mit ihrem Projekt den Weg für ähnliche Gebäude zu ebnen, die eventuell die Mietpreise innerhalb der Stadt senken könnten – Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

 „Carmel Place“ von nArchitecture ©Fotos: courtesy nARCHITECTS, image courtesy Field Condition

Wohngebäude „Carmel Place“ in Kips Bay, Manhattan
Fotos: © Courtesy nARCHITECTS, image courtesy Field Condition
 

Ein Ende des Baubooms ist nicht in Sicht – Manhattan ist zu einem Spielplatz der Reichen geworden. Solange der Bedarf an Luxus-Wohnhäusern da ist, wird er von Immobilienhaien auch bedient werden: Geld regiert eben nun mal die Welt.

Titelbild: Skyline von Manhattan / Foto: ??