KRAFT.WERK

Das Berghain ist Berlins meist gefeierter Nachtclub und nach seiner Lage zwischen Kreuzberg und Friedrichshain benannt. Der höhlenartige Club in einem ehemaligen Heizkraftwerk ist bekannt für seine unvergleichliche Tonqualität, harte Einlasspolitik und eine vibrierende, Exzesse in jeder Form stimulierenden Atmosphäre.

Von Mark Kidel

Das Gebäude ist ein alchemistischer Kessel für all jene, die nach perfekten Party-Vibes suchen.
The beat goes on – Knapp an und mitunter auch über der Schmerzgrenze hämmert der tiefe Bass gnadenlos. Während sich die Tanzenden vom grauen Alltagsleben befreien, werden sie immer weiter aufgeschaukelt. Wir sind genau am Sweetspot, an der spannungsgeladenen Schnittstelle der Sounds, die aus riesigen Lautsprechertürmen in den vier Ecken des Dancefloors dröhnen.

Für diesen perfekten Sound ist das Berghain, weltbekannt. Fachleuten zufolge ist  der optimale Klang mit seinen fein geschliffenen Kanten bei größter Lautstärke und jede Nuance der Verzerrung in unverfälschter Klarheit wahrnehmbar.  Wiederholungen bis zur Ekstase gehen mit unwiderstehlicher Hitze und Leidenschaft auf, und garantieren, mit der kühleren, elastischeren musikalischen Syntax der Karibik kombiniert, ein äußerst sinnliches Erlebnis, das durch sorgfältiges Lichtdesign, gelegentliche Trockeneisschwaden und die intensive Partystimmung noch verstärkt wird. 

An diesem Abend ist das Line-up im Reggae, Dancehall und Dub verortet.  Virtuosen der modernen elektronischen Dance Music wie The Bug (der im Rahmen der Polymorphism-Serie des CTM Festivals auftritt) schaffen als Sound-Modellierer vielschichtige Symphonien mit akustischem 3D-Effekt. Für diese Musikschaffenden ist das Berghain ein Gral, ein Setting, in dem alle auch noch so feinen Facetten ihrer Kunst in voller Authentizität zum Ausdruck kommen.

Das Berghain entstand aus der deutschen Techno-Bewegung, der europäischen Antwort auf den harten, kantigen Musikstil Detroits in den 1980ern, die sich ebenso auf die Computermusik von Gruppen wie Kraftwerk stützte, ihrerseits Schüler von Karlheinz Stockhausen, des Pioniers der elektronischen Musik. Heute stehen mit Adrian Sherwood, Pinch & The Bug Künstler auf dem Programm, deren Musik mit afrokaribischen Wurzeln von verzögerten, erotisch wiegenden Rhythmen überfließt.  Sie sind Geburtshelfer einer verführerischen Musiksprache, in der Sound gedehnt, dekonstruiert und zu akustischen Extremen geführt wird.  Mit dem Einsatz von Echokammern und Delay waren Jamaikas große Dub-Producer Pioniere einer Ästhetik der Verzerrung. Das passte ganz natürlich zu den industriellen Klängen der deutschen Technotradition, wie sie  in großer Brillanz vom Berliner Duo Rhythm & Sound ausgelotet wird.

Die Warteschlangen vor dem Berghain sind legendär. Ebenso seine Türsteher: tattooüberladene, gepiercte, furchterbietende Gestalten, wie archetypische Hüter der Schwelle. Als Techno-Tempel steht es dem Berghain zu, nur jene in sein innerstes Heiligtum einzulassen, die dessen würdig erscheinen. Hier folgt alles Ritualen ...

Aus dem Englischen übersetzt von Daniela Beuren

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Titelbild: Berghain im ehemaligen Heizkraftwerk zwischen
Kreuzberg und Friedrichshain / Foto: © Jannis Chavakis