Das neue Designmuseum London

„Wir werden die Art verändern, wie die Welt Designmuseen sieht“, diesen Anspruch verbindet Deyan Sudjic mit dem Umzug seines Design Museum London von der Tower Bridge nach Kensington, das Design mehr aus der Sicht der User und Maker als der Designer zur Diskussion stellen will. Mit dem Ende letzten Jahres erfolgten Einzug in das frühere Commonwealth Institute nahe des Victoria & Albert Museums verdreifachte sich die Ausstellungsfläche des Museums auf 10.000 Quadratmeter.

Von Claus Käpplinger

Möglich machte dies die überaus bemerkenswerte Beharrlichkeit von Deyan Sudjic, der in den 1980er Jahren die Zeitschrift Blueprint gründete, 2002 die Architekturbiennale in Venedig leitete und 2006 mit seinem Buch Der Architekturkomplex einen kritischen, viel beachteten Blick auf die Architektur der Gegenwart wagte. Seit 2006 Direktor des Museums, das 1989 von dem Designer Terence Conran gegründet worden war, fand Sudjic nicht nur ein faszinierendes neues Gehäuse für seine Institution, sondern sammelte auch seit 2008 über die Finanzkrise hinweg erfolgreich Spenden und Sponsoren, um seine Sicht auf Design zu verwirklichen oder wie er es formuliert: „Mehr aufzeigen, was etwas bedeutet, als wie es aussieht“ zu thematisieren.

Neues Designmuseum London - Innenansicht ©Foto: Hufton + Crow

Neues Designmuseum London - Museumsshop © Foto: Luke Hayes

Oben: Neues Designmuseum London von John Pawson, Innenansicht / Foto: © Hufton + Crow
Unten: Neues Designmuseum London, Museumsshop / © Foto: Luke Hayes
 

Zwischen Commonwealth und Europa

Als Teil eines sehr britischen Immobiliendeals entstand das Museum am Rande des zauberhaften Holland Parks mit einem sehr speziellen Deal einer präzisen Abwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen, der beredt Auskunft über die Verfasstheit des United Kingdoms zwischen Commonwealth und Europa gibt. 1962 entstand hier nämlich das Commonwealth Institute zur Förderung des Austauschs Großbritanniens mit seinen ehemaligen Kolonien, ein Komplex von Verwaltungsbauten und einem bezaubernden Ausstellungsgebäude des jungen Architekturbüros RMJM, dessen markante hyperbolische Paraboloid-Dachschale (Sattelschale) architektonisch die Roaring Sixities in London einleitete. Im Inneren mit zahlreichen kreisrunden Plattformen vielmehr Walter Gropius und Erwin Piscators Totaltheater ähnlich, spannte sich über den weiten Raum für wechselnde Aktivitäten und Ausstellungen eine gewaltige, kinetisch anmutende Betonschale im ehrwürdigen Stadtteil Kensington.

Madeline Gannon – Installationsansicht "Fear and Love" © Foto: Luke Hayes

Rem Koolhaas – Installationsansicht "Fear and Love" ©Foto: Luke Hayes

Die Eröffnungsausstellung ‚Fear and Love‘ zeigt sehr überraschende Räume zeitgenössischer Gestalter. Rem Koolhaas gestaltete als Protest zum Brexit ein Paneuropäisches Wohnzimmer mit Designobjekten aller 28 Mitgliedsländer. Mit einem sensuell interaktiven Roboter verblüfft die junge Designerin Madeline Gannon. / Fotos: © Luke Hayes
 

Doch das Commonwealth Institute war von Beginn an chronisch unterfinanziert. Nur halbherzig beteiligten sich die ehemaligen Kolonien an seinen hohen Unterhaltungskosten. Und das Dach erwies sich als ein weiteres Menetekel, das auch weiterhin nach zahlreichen Sanierungen leckte. Weshalb man sich unter der ganz nach Europa orientierten Regierung Blairs 2002 zur Schließung der Institution entschloss. Ihre große Sammlung wurde erst nach Bristol verlagert und bald danach größtenteils verkauft. Die Gebäude an der Kensington High Street hingegen standen leer und verfielen, bis 2007 ein Immobilienentwickler für 300 Jahre ein „Lease“, sprich Pachtrecht für das weite Gelände erwarb, um dort gehobene Wohnungen zu errichten. Die einzige Auflage: Das Ausstellungsgebäude sollte wieder eine kulturelle Nutzung  erhalten, für die sich als Pächter wenig später das privat betriebene Designmuseum fand.

Neues Designmuseum London - Aussenansicht © Foto: Hufton + Crow

Weniger das Gebäude als seine Erscheinung und sein Umfeld haben sich mit der Umwandlung zum neuen Designmuseum London verändert. Das Gebäude ist heute ein solitärer Pavillon neben Riesen: Mit drei gewaltigen neuen Wohnkuben des niederländischen Büros OMA ist nun ein Stadtquartier entstanden, das neue Öffentlichkeit mit exklusiven Wohnansprüchen möglichst konfliktfrei zu verbinden sucht. / Foto: © Hufton + Crow
 

OMA und John Pawson

OMA, das Büro des niederländischen Avantgardisten Rem Koolhaas, entwickelte das architektonische Konzept für das weite Areal. Drei sehr voluminöse Wohnhauskuben ersetzten die schlanken Verwaltungsbauten, während OMA mit den Architekten Allies and Morrison und dem Ingenieurbüro ARUP das alte Ausstellungsgebäude umfassend erneuerte, von dem eigentlich nur die Betonschale und eine große Gedenk-Weltkarte des Commonwealth erhalten blieb. Die Gestaltung des Designmuseums jedoch erhielt John Pawson, Großbritanniens Architekt für gehobenen Minimalismus, der hier erstmals eine große öffentliche Institution gestalten durfte.

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