Steirische Aussichten

Eine Heimsuchung
 

Wer ein ehemaliges Weingut sein Zuhause nennt, wird bei einem solchem Anwesen mit neugierigen Blicken konfrontiert, und Neid als Draufgabe, vor allem, wenn ein ehemaliger Bauernhof so souverän und mondän dasteht wie das Haus P in der Weststeiermark.

Von Doris Lippitsch

Weststeiermark. Lange, fast zwei Jahre lang hatten sie intensiv nach einem alten Bauernhof und geeigneten Grundstück gesucht. Unweit der Weinstraßewurden die beiden Grazer Bauherren und Eigentümer auf einer Anhöhe mit traumhaftem Blick Richtung Süden, Südosten und Südwesten fündig. Schon jahrzehntelang stand das ehemalige Weingut mit dem Haupthaus und seinen Wirtschaftsgebäuden leer. Das Ensemble mit einer großen Scheune, Stallung, einem Press- und Aussiedlerhaus bildet einen Dorfplatz, von dem aus der Blick frei über die hügelige Landschaft der viel zitierten österreichischen Toskana schweifen kann. Eine Traumlage, die schöner schwer vorstellbar ist. „Eine solche Atmosphäre entsteht ganz automatisch, wenn eine solche Häusergruppe nebeneinander steht. Wir haben uns das dann gemeinsam angeschaut und das Ehepaar wusste auf der Stelle: Das ist es! Diese Stimmung hat einfach gepasst. Schon davor hatten die Bauherren eine schöne Wohnsituation mit einem Privathaus bei Graz, sie suchten eine Situation mit mehr Freiraum. Nicht nur ein Haus und rundherum einen Garten, vielmehr eine Art Ensemble, wo verschiedene Nutzungen nicht in einem Haus untergebracht werden müssen, sondern auf verschiedene Gebäude verteilt werden können“, erzählt Architekt Hans Gangoly über die Anfänge.

Aussenansicht Haus P. ©Foto: Paul Ott 

NICHT ZU GROSS, NICHT ZU KLEIN

Schlicht und einfach Haus P haben die Bauherren und Eigentümer das ehemalige Bauernhaus benannt. Die einzig präzise Vorgabe an die Grazer Architekten Hans Gangoly und Irene Kristiner war, die Häusergruppe, Materialien und damit die Patina und Atmosphäre des Ensembles beim Umbau bestmöglich zu erhalten und den aktuellen Anforderungen für ein zeitgemäßes Wohnhaus mit mehr Großzügigkeit, für mehr Komfort (Haustechnik: Erdwärme, Kühlung), Bequemlichkeit und Transparenz anzupassen. Soll heißen: Baumaterialien – vor allem Holz und Ziegel – beim Umbau wiederzuverwenden und die kleinen Fenster einer steirischen Bauernstube um Glasflächen für mehr Tageslicht in den Räumen zu ergänzen. Das Haupthaus wurde um 5 Meter bzw. um 1 Meter in beide Richtungen ergänzt.


Die einzig präzise Vorgabe an die Grazer Architekten Hans Gangoly und Irene Kristiner war, die Atmosphäre des Ensembles beim Umbau zu erhalten.


Durchhaus – Haus P. ©Foto: Paul Ott


Das zweigeschossige Haupthaus ist ein klassisches steirisches Bauernhaus mit dem Durchhaus, früher der einzig gemauerte Teil mit einem Ziegelgewölbe, einer traditionellen Bauernstube und einer Küche bzw. einem Speisezimmer auf der gegenüberliegenden Seite – ein typischer Strickbau, mit 50 Quadratmetern Grundfläche ideal für zwei Personen. Die Volumetrie und das Durchhaus mit dem Gewölbe blieben weitestgehend erhalten, mit der Topographie wurde gespielt und der Wohnraum für mehr Raumhöhe ein paar Stufen nach unten versetzt.
 

Im Dachgeschoß befindet sich der großzügige Schlafbereich (mit Ankleide- und Stauraum), ein Badezimmer mit freistehender Badewanne und einer Glasfront an der Stirnseite des Raumes mit Ausblick auf die landschaftliche Einbettung. Auch hier kam das alte Holz als Sonnenblende und zur Einfassung eines kleinen Balkons zum Einsatz. Kurz standen die Bauherren vor der Überlegung, das Dach zu öffnen. „Um die Ruhe, die das Haus ausstrahlt, und die Atmosphäre des Ensembles nicht zu stören, haben wir schließlich der Versuchung, das Dach für zusätzliche Ausblicke zu öffnen, widerstehen können.“ Das Ziegeldach ist heute durchgehend erhalten und wurde mit den alten Ziegeln erneuert. „Das ist jene Ruhe, die man nur so erzeugen kann! Schon vor Baubeginn begann der Bauherr, alte Ziegel zu sammeln. Im Laufe der Zeit hatte er ein bemerkenswertes Depot angehäuft. Sein Gespür für hochwertige Materialien ist stark ausgeprägt. Hier war einfach keine Überzeugungsarbeit zu leisten“, erzählt Gangoly über das Zusammenspiel mit den privaten Bauherren, die sich seit Jahren kennen. Umgebaut wurde eineinhalb Jahre lang. Für mehr Transparenz wurde Glas an der Südostseite für den Wohnbereich eingesetzt und eine Scheinfassade aus den alten Holzbalken und Ziegeln vorgesetzt, die zugleich Sichtschutz ist und einen Übergang zu den Räumen bildet. „Wichtig für die Ruhe des Ensembles ist auch, dass die Wände nicht mit Maschinenputz sondern händisch verputzt worden sind. Mit der nötigen Akribie und Geduld unternahm der Bauherr auch selbst mehrere Versuche, mit welchem Mittel z.B. der geschliffene Estrich geölt werden kann, um die beste Stimmung zu erzeugen.“ So kann die Topographie eines Ortes neu geschrieben werden.


Der Bauherr hat sich teils selbst auf Suche nach den geeigneten Handwerkern gemacht, er war extrem engagiert. Die lokalen Handwerker waren dann eben auch ein Glücksfall.“
Hans Gangoly


Die ehemaligen Wirtschaftsgebäude sollten optimal genutzt werden. Die alte Scheune wurde zu einem Wintergarten umfunktioniert, damit die vielen Pflanzen der Bauherrin im Winter gelagert werden können, die Stallung wurde abgerissen und ein Gästehaus mit zwei Apartments gebaut. Das Presshaus steht an der prominentesten und höchsten Stelle des Ensembles. „Diese Situation ist einfach vorgeschrieben“, so Gangoly. Das Gebäude wurde quasi fensterlos so belassen, wie es war. Heute ist dort der Weinkeller untergebracht, wohlgemerkt ein Rotwein- und ein Weißweinkeller und jener Ort, wo Wein bei Kerzenlicht um einen Holzofen getrunken wird. Das Aussiedlerhaus bzw. Altenteil wurde zu einem Poolhaus mit Sauna umfunktioniert. Hier lebt es sich ungestört, es gibt weit und breit keine Nachbarn, zumindest nicht im Umkreis von 150 Metern.

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Fotos: © Paul Ott