Minihäuser

Zum Wohnen braucht man nicht viel. Jedenfalls viel weniger Platz, als man glaubt. Wenn man erst einmal alles Überflüssige weglässt und sich auf das Wesentliche reduziert, entstehen Minihäuser – auch Singlehaus, Nomadhome, Mikrohaus oder Kleinhaus genannt. Sie sind Reaktionen auf Wohnungsnot, Mietwucher oder dienen einfach als Rückzugsorte fernab der Zivilisation.

Von Jennifer Lynn Karsten

Genauso wie beim Auto verhält es sich auch beim Eigenheim: Je größer das Haus, desto größer der Erfolg. Und umso mehr angehäufte Güter, die man dort unterbringen kann. Ein Haus ist Ausdruck wirtschaftlichen Erfolgs, um andere zu beeindrucken, oder man glaubt, nur ein großes Haus könne ein Traumhaus sein. Leider bringen überdimensionierte Häuser den Nachteil mit sich, dass sie kostspielig sind. Nicht nur in Bezug auf die Kosten für Grundstück und Bau, sondern auch hinsichtlich der laufenden Kosten, der Steuern, Heiz-, Unterhalts- und Reparaturkosten.

Aber auch Wohnen ist teuer geworden. Der Pro-Kopf-Wohnflächenverbrauch ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Dieser hat seit 1990 um 50 Prozent zugelegt, seit den 1970er Jahren sogar um 100 Prozent – in Österreich ist er auf nunmehr 44,7 Quadratmeter pro Person gestiegen, in den USA liegt er sogar bei 75 Quadratmeter pro Person. Aber braucht man tatsächlich so viel Platz?

Vipp Shelter ©Foto: Anders Hviid

Vipp shelter des dänischen Designbüros Vipp – Fokus auf die Natur / Foto: © Anders Hviid
 

TINY HOUSE MOVEMENT

Seit der Finanzkrise boomt das „Tiny House Movement“ (dt. Winzige Häuser Bewegung), vor allem in Amerika. Darunter versteht man Häuser, die nicht größer sind als 50 Quadratmeter. Der Beginn der Gegenbewegung zu „Bigger is better“ (dt. Größer ist besser) wird der britischen, in den USA lebenden Architektin Sarah Susanka zugeschrieben. Mit ihrer Wohnbau-Philosophie „Not so Big“ ermutigt sie, besser und nicht größer zu bauen („build better, not bigger“).

Mit der zunehmenden Verdichtung in den Städten und dem damit verbundenen Mangel an Baugrund, breitete sich die Bewegung auch auf andere Länder aus.


In Tokio, der teuersten Stadt der Welt mit chronischem Platzmangel, hat Architekt Takaharu Tezuka eine Reihe von kleinen Häusern gebaut. Seine Häuser tragen so schöne Namen wie „House to Catch the Sky“ (dt. Das Haus, das den Himmel einfängt), „Snail House“ (dt. Schneckenhaus) oder „Shoe Box House“ (dt. Schuhkarton-Haus).


Das „Engawa House“ ist vielmehr ein Raum als ein Haus. Als „Engawa“ bezeichnet man in Japan den überdachten Holzbalkon traditioneller Wohnhäuser. Da er kein Geländer hat und mit dem Innenraum nur durch Schiebetüren getrennt ist, bildet er eine bewusste Zwischenzone, die  weder dem Innen- noch dem Außenraum zugerechnet werden kann. Tezukas Haus greift gerade dieses Element auf und verwandelt das ganze Haus in einen Raum, der genauso Innen- wie Außenraum sein kann. Variable Stellwände, die nicht bis zur Decke reichen, unterteilen den Raum in unterschiedliche Nutzungsbereiche. Dabei bildet die Küche mit dem langen Esstisch das Herzstück des Hauses. Damit es sich mit dem Garten zu einem gemeinsamen Raum verbindet, lässt sich die längsseitige Fensterfront komplett öffnen.

Engawa House – Takaharu Tezuka © Foto: Mr. Katsuhisa Kida

Takaharu Tezuka, Engawa House – akuter Platzmangel in Tokio. Das ganze Haus wird in einen Raum verwandelt. Variable Stellwände unterteilen den Raum in unterschiedliche Nutzungsbereiche. Die längsseitige Fensterfront lässt sich komplett öffnen. / Foto: © Mr. Katsuhisa Kida


VEREINFACHUNG DER LEBENSFÜHRUNG

Auch in Europa werden immer mehr Kleinsthäuser gebaut. Hier geht es vor allem um das Schonen der ökologischen und ökonomischen Ressourcen. Das sogenannte „Downsizing“, das Gesundschrumpfen, bezieht sich viel weniger auf die Reduktion der Baukosten als auf die Vereinfachung der Lebensführung. Es geht um nachhaltiges und umweltverträgliches Wohnen, Umweltbewusstsein, Selbstgenügsamkeit, gesunde Finanzplanung und soziales Bewusstsein.


Dieser gesellschaftliche Wandel, der inzwischen in Gang gesetzt wurde, wo Besitz häufig als belastend empfunden wird und die mentale Freiheit im Vordergrund steht, macht das Minihaus für viele anziehend.


Ein weiterer Aspekt ist, dass Sparen, nicht nur aufgrund der niedrigen Zinsen unrentabel, folglich fast unmöglich ist und Kredite im Laufe eines Lebens kaum mehr abbezahlt werden können. Dies wird gerade die kommende Generation treffen, denn ein Haus wird für sie meist unbezahlbar.

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Titelbild: Add a Room, One+ house, Dänemark – Es werden nur nachhaltig entwickelte Materialen verwendet, das One+ house ist vollisoliert und kann das ganze Jahr über als Ferien- oder ständiges Wohnhaus genutzt werden. Das Minihaus wird komplett vorgefertigt und dann an seinen Bestimmungsort gebracht. / Foto: © Add a room