Ich bin kein Minimalist, ich bin Maximalist!

Der schottische Designer Neil Poulton arbeitet und lebt in Paris. Mit dem „Rugged“ wurde er international bekannt. Über seine Erfahrungen in der Domus-Akademie, bei Stardesigner Philippe Starck in Paris, seine ersten Aufträge und die großen aktuellen Herausforderungen in der Welt des Designs unterhielt er sich mit QUER-Chefredakteurin Doris Lippitsch in Milano.

Wie waren deine Anfänge im Design?

Neil P oulton: Ich habe in Edinburgh studiert und den Preis für das beste britische Produktdesign, aber in Schottland, gewonnen. In Edinburgh gab es nach dem Studium keine Arbeit, also ging ich nach London.

Mit dem "Rugged" für externe Festplatten wurde Neil Poulton international bekannt ©Nicolas Foucher

Wie alt warst du zu dem Zeitpunkt?
21 Jahre, ich arbeitete für verschiedene Projekte, u.a. eine Küche für Cindy, die britische Barbie. Also, ich habe eine Küche für Cindy entworfen, mit Mikrowelle, Geschirr und Telefon etc., alles im Maßstab 1:1. Wie kompliziert das war! Und als die Küche da war, alles aus Plastik, habe ich mir gedacht: „Ich bin dabei, mir mein Leben zu verbauen!“ Zu jenem Zeitpunkt hatte ich von der Domus-Akademie in Milano gehört. Von der Memphis-Gruppe, Ettore Sottsass, Olivetti ... also bin ich nach Milano gegangen.

Mit Englisch ist das so ein Ding in Italien ...
Ja, alle Vorträge waren in italienischer Sprache. In den ersten drei Monaten gab es eine Übersetzerin.

Wow!
Aber dann war sie weg!

Ansonsten hättest du nicht italienisch gelernt!
Ja, die Japaner hatten es besonders schwer. Ich war in einer internationalen Klasse mit Japanern, Brasilianern, Isländern, Mexikanern ... das war wie ein Garten Eden für mich! Damals habe ich begonnen, mich damit zu beschäftigen, wie ein Massenprodukt Poesie und Qualität haben kann.

Esprit und Poesie in einem Massenprodukt?
Ja, wie Massenprodukte mit Qualität designen? Das ist wie mit der Kleidung, die den Träger umhüllt, sich anpasst und ihn formt. Also, die Frage war: Wie entwerfen, um ein Kunststoffprodukt mit Qualität herzustellen? Wichtig dabei war, dass eine Oberfläche glänzt und Staub abweist. Dabei kommt man zu einem System der Stratifikation, also mehreren Schichten.

Eine unglaubliche Arbeit, vergleichbar mit der eines Archäologen!
Ja, genau, das ist es! In verschiedenster Art und Weise! Die Schichten waren nicht monochrom und bestanden aus verschiedenen Strukturen und Farben. Wir haben davon große Platten angefertigt und auf einer Piazza positioniert. Die Leute, die den Platz queren wollten, wichen aus und machten einen Umweg. Das dichteste Spuren- und Wegenetz haben wir aufgezeichnet und in allen Farben übernommen.
Die Füller „The Ageing Pens“ folgen genau dieser Logik. Jeder einzelne Füller gleicht sich dem individuellen Gebrauch an, das heißt, je nachdem, wie man ihn in die Hand nimmt, in der Hand hält, wie man ihn in eine Tasche gibt und damit einen Strich macht, schreibt, zeichnet ... alleine der Gebrauch macht ihn unvergleichlich, einzigartig. Wenn ich einen Füller zehn verschiedenen Personen gebe, wird er nach drei Monaten den Abdruck der jeweiligen Person haben, die ihn benützt. Und der Abdruck wird durch jeden ein völlig anderer sein.

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