Bosco Verticale

Mitten in Mailand haben die Architekten Stefano Boeri und Giovanni la Varra zwei bewaldete Hochhäuser realisiert. Bosco Verticale (ital. vertikaler Wald) ist die treffende Bezeichnung für das Projekt, das mit dem Hochhauspreis 2014 ausgezeichnet wurde. Es besteht aus zwei Hochhäusern, eines ist 119 Meter, das andere 87 Meter hoch.

Von JENNIFER LYNN KARSTEN

Im Grunde sehen die schwarzen Wohntürme mit luxuriösen Apartments völlig unspektakulär aus - wären da nicht die auskragenden weißen Balkone. Sie erinnern an Schubladen, die aus den kommodenähnlichen Hochhäusern herausgezogen wurden und geben der Fassade eine raumgreifende Dreidimensionalität, die sich klar von den glatten Spiegelfassaden der umstehenden Hochbauten unterscheidet. Vor jeder Wohnung hängt so ein Balkon, der mit seinen bis zu neun Meter hohen Bäumen vielmehr ein schwebender Garten ist. Die Bäume wachsen in 1,30 Meter tiefen Bottichen. Die tragende Betonplatte wurde auf 28 Zentimeter erhöht. Rechnet man alle Terrassenflächen zusammen, kommt man auf 8.900 Quadratmeter, auf denen jetzt schon knapp 800 Bäume wachsen. Langfristig werden es 20.000 sein, das entspricht einem Hektar Wald.

Mit diesem Bau will man das bieten, was die Menschen in den Vororten suchen: einen eigenen Garten, in dem Kinder spielen können und man die Sonnenstrahlen genießen kann – das auch in der 25. Etage. Die Stadt selbst soll in Zukunft die Natur sein, die Gebäude werden zu  senkrechten Wäldern – dies scheint nun eine greifbare Vision zu sein.

Allerdings muss man bei der aktuellen Architektur zwischen Bauten unterscheiden, die nach Natur aussehen und jenen, die tatsächlich über ein ökologisches und nachhaltiges Gebäudesystem verfügen. Gerne werden zurzeit in der Architektur große urbane Baukomplexe als Natur getarnt, beispielsweise plante Frank Gehry ein Museum für Andorra in Form eines Riesenfelsens. Die Fassade des Bosco Verticale scheint aber keine Mogelverpackung zu sein: Das viele Grün bietet den Bewohnern Schutz vor Sonne, Lärm und verschmutzter Stadtluft. Die Bäume produzieren Sauerstoff und sollen das Gebäude natürlich vor Hitze und Kälte dämmen. Die Bewässerung der Bäume erfolgt über Schläuche und ein im Keller befindliches Becken. Dort wird Brauchwasser gesammelt und in den Kreislauf gepumpt.

Dafür erhielt der Bosco Verticale den Internationalen Hochhauspreis 2014, der vom Deutschen Architekturmuseum (DAM), der Stadt Frankfurt und der Deka-Bank verliehen wird und mit 50.000 Euro dotiert ist.

Bosco Verticale
Architekten: Boeri Studio
(Boeri, Barreca, La Varra)
Standort: Mailand (Italien)
Bauzeit: 2009–2014
Gebäudetyp: Hochhäuser/Geschosswohnungsbau
Nettogeschossfläche: Turm E 16011 qm,
Turm D 8045 qm
Höhe: Turm E 119 m, Turm D 87 m

Fotos: Paolo Rosselli