Frauen im Weltraum

Ein Tor, der glaubt, dass der Mensch den Weltraum erobern könne, diese unendlichen Weiten, die unsere kurze Existenz nicht einmal zur Kenntnis nehmen. Vielmehr erobert der Weltraum uns. Von der Weltraumarchitektur aus weiblicher Hand zur kosmischen Architektur in der Sowjetunion.

Von Maria Pflug-Hofmayr

Diesen Frühsommer, kurz vor dem 50. Jahrestag ihres Raumflugs, verbrachte die Kosmonautin Walentina Tereschkowa, 76, ein paar Tage in Wien und berichtete in der Uno-City über ihre Erfahrungen im Weltraum. Lange war sie die erste Frau im All. Kurz nach Juri Gagarins Flug habe sie ihre Bewerbung für einen Raumflug abgeschickt, so sehr habe die Raumfahrt sie fasziniert. Mit ihr wurden 400 weitere Bewerberinnen in die engere Auswahl gezogen. Gewissenhaft bereitete Tereschkowa sich mit fünf anderen Kandidatinnen auf ihren Raumflug vor. Die strenge Ausbildung war dieselbe wie für die männlichen Kollegen. „Leider macht der Weltraum für Frauen keine Ausnahme“, so Tereschkowa, aber das war ihr einerlei. Sie und ihre Kolleginnen wollten um jeden Preis ins All fliegen und beweisen, dass Frauen für einen Weltraumflug genauso geeignet sind wie Männer. Tereschkowa überzeugte nicht allein ob ihrer Qualifikation, sondern die Wahl fiel zu einem entscheidenden Teil aufgrund ideologischer Gründe auf sie. Als sie von ihrem Raumflug zurückkehrte, wurde sie weltweit als „Held der Sowjetunion“ und darüber hinaus gefeiert.

ERSTE FRAU IM ALL

Ja, sie hätte während ihres drei Tage langen Raumfluges im Juni 1963 unter Raumkrankheit und zahlreichen Beschwerden gelitten, antwortet sie freimütig auf Fragen der Journalisten. Der Flug war extrem strapaziös. Ein Programmfehler, den sie an Bord beheben musste, hätte um ein Haar ihre Rückkehr verhindert. Eine lebensgefährliche Situation. Einige Unannehmlichkeiten waren so gravierend, dass nach ihrem Flug technische Änderungen vorgenommen werden mussten, wie etwa bequemere Sitze. Die Raumkapsel mit einem Volumen von nur fünf Kubikmetern bot kaum Bewegungsfreiheit.
Aber wenn man sie fragt, ob sie nochmals ins All fliegen würde, leuchten ihre Augen. Man versteht ihre Antwort, auch wenn man kein Wort Russisch spricht. Sie würde sogar zum Mars fliegen – auch ohne Rückfahrkarte, wenn es denn sein müsste.
Werden Frauen dereinst wie Männer ins All fliegen und bahnbrechende Entscheidungen in der Weltraumforschung treffen?
Seit Beginn der Raumfahrt hat sich in diesem Punkt einiges geändert. Die erste Frau im All war 19 Jahre lang die einzige. Erst 20 Jahre und zwei Tage nach ihrem Flug konnten sich die USA dazu durchringen, ebenfalls eine Astronautin ins All zu schicken: die Astrophysikerin Sally Ride (1951–2012). Mittlerweile sind bei der NASA etwa ein Viertel der Astronauten weiblich. Tereschkowa zufolge waren auch in der Sowjetunion weitere Missionen mit weiblicher Besatzung vorgesehen, doch der Tod dreier Kosmonauten bei der Mission Sojus 11 im Jahre 1971 machte diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Frauen sollten erst dann wieder fliegen, wenn die Raumschiffe sicherer seien. Erst 1982 folgte Swetlana Sawizkaja, damals 34 Jahre alt. Auf die Frage, ob Frauen in den Kosmos fliegen sollten: Natürlich müsse die Qualifikation im Vordergrund stehen. Doch so wie ein Vogel mit nur einem Flügel nicht fliegen kann, könne auch die Raumfahrt ohne Frauen nicht weiterentwickelt werden. „In Zukunft werden der Mond, Asteroiden und der Mars erforscht, und ich denke, dass der Mars es den Männern nicht verzeihen wird, wenn es keine Frauen an Bord gibt“, davon ist Tereschkowa überzeugt.

ARCHITEKTUR FÜR DIE RUSSISCHE RAUMFAHRT

Frauen haben es bis heute in der von Männern dominierten russischen Raumfahrt nicht leicht. Davon weiß auch Weltraumarchitektin Galina Balashova, heute 82 Jahre alt, ein Lied zu singen. Nachdem die zuständigen Konstrukteure für die Innenausstattung der Sojus kein Konzept präsentieren konnten, mit dem Chefkonstrukteur Sergei Koroljow (1906–1966) zufriedenzustellen war, bat der leitende Ingenieur Konstantin Petrowitsch die Frau eines Kollegen, doch eine Skizze zu erstellen. Balashova arbeitete ein Wochenende lang an einem Entwurf, am Montag darauf wurde dieser von Koroljow abgesegnet, und Balashova war fortan die Weltraumarchitektin des sowjetischen Raumfahrtprogramms. Dass ihre Arbeit wenig bekannt ist, liegt vor allem an der radikalen Geheimhaltung aller sowjetischen Raumfahrtmissionen. Die Einrichtungen für Woschod, Sojus und LOK tragen alle Balashovas Handschrift. Die Innenausstattung der Raumstation Mir war so gut durchdacht, dass sie als Vorlage für die Internationale Raumstation ISS diente. Einen Einblick in ihre Arbeit bietet der Prachtband „Architektur für die russische Raumfahrt“.

KOSMISCHE ARCHITEKTUR IN DER EHEMALIGEN UDSSR

Der Weltraum verändert uns. Er bringt Techniker, Ingenieure, Philosophen, Wissenschaftler und Künstler dazu, sich Gedanken zu machen – über seine Natur und wie man sie darstellen kann. Er zwingt uns zu unseren eigenen Wurzeln zurück, auf die Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen. Und gerade in Russland ist der Weltraum bis heute an vielen öffentlichen Plätzen allgegenwärtig. Kosmische Darstellungen waren ideologisch verankert und überall zu finden: in der Architektur und in der bildenden Kunst. Ganz besonders natürlich dort, wo man dem Kosmos so nahe ist, etwa im kasachischen Kosmodrom Baikonur oder in Swjosdny Gorodok, dem „Sternenstädtchen“ nordöstlich von Moskau. Konstantin Ziolkowski, der Begründer der modernen Kosmonautik, war Russe. Die Sowjetunion hatte in der Raumfahrt zu Beginn die Nase vorn, trotz stark eingeschränkter finanzieller Mittel, und Russland ist nach wie vor eine führende Weltraumnation. Hier ein Mosaik an der Wand eines Wohnhauses oder einer U-Bahn-Station, dort die auffällige Gestaltung einer Ferienanlage. Mit kosmischer Architektur und Kunst strebte die Sowjetmacht die Identifikation der Bürger mit der Vorreiterrolle im Kosmos an. Denkmäler, Monumente und Fernsehtürme wurden vielerorts errichtet. UFOs wuchsen als Gebäude quasi wie Pilze aus dem Boden. Religion passte nicht in die ideologische Programmatik des Kommunismus und wurde durch den Glauben an den Fortschritt, an die Zukunft ersetzt. Inzwischen bröckelt dieser Glaube, wie auch manche der Bau- und Kunstwerke, die er hervorgebracht hat. Den Weltraum bezwingen zu können, ist eine Illusion. Doch die Leistungen von Tereschkowa und Balashova sind Meilensteine in der Geschichte der Raumfahrt. Und wer weiß, wenn wir unser Raumschiff Erde sorgsam behandeln, werden Menschen eines Tages nicht nur Raumsonden zu fernen Himmelskörpern schicken, sondern selbst in die unendlichen Weiten aufbrechen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihrem Geschlecht, so wie einst die USS-Enterprise dorthin ging, wo noch nie jemand zuvor gewesen war.